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TVINNA – Die größte Inspiration ist das Leben – und all seine Mysterien

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Am 23. Februar 2024 erscheint das lang erwartete Album “Two – Wings Of Ember” von TVINNA. Die Band um Faune Laura Fella lernte ich bei einem Konzert von FAUN kennen, wo ich mir das Debütalbum “One In The Dark” kaufte (mein Konzertbericht), und lieben. Aus diesem Grund freue ich mich sehr, euch mein Interview mit Laura heute zu präsentieren und demnächst auch mein Albumreview hier auf Obliveon. Viel Spaß beim Lesen dieses tiefgründigen Gesprächs mit Laura.

Bevor wir starten, möchte ich euch beglückwünschen zum anstehenden Release eures zweiten Albums “Two – Wings Of Ember”, das am 23. Februar 2024 erscheint und gleichzeitig fragen, wie es euch geht und wie aufgeregt ihr seid, je näher der Tag der Veröffentlichung rückt.

Laura: Vielen, vielen Dank! Die gesamte Produktion war wirklich unfassbar persönlich und fordernd und wir sind sehr stolz auf das Ergebnis. Gerade deshalb sind wir extrem aufgeregt, denn in diesen 11 Songs steckt so viel Herzblut, Hingabe und Zeit von uns allen! Diese Aufregung schwankt ehrlich gesagt manchmal auch zu Panik, aber meistens ist sie vor allem große Vorfreude.

Nach “One – In The Dark” dauerte es fünf Jahre bis “Two – Wings Of Ember”. Warum diese lange Pause? Nahm Covid Einfluss auf die neue Scheibe und/oder das veränderte Line-up?

Laura: “One – In The Dark” erschien im Februar 2021 – das Songwriting für “Two” fing tatsächlich kurz darauf an, aber ja: Covid hatte einen großen Einfluss auf uns. Während des 2. Pandemiejahres entschied sich Fieke, TVINNA aus Rücksicht auf ihre Gesundheit zu verlassen. Nachdem wir auch den Album-Release unseres Debüts bereits mehrfach aufgeschoben hatten, und auch immer wieder Shows abgesagt wurden, haben all diese Punkte natürlich sehr auf unsere Moral gedrückt und bei mir immer wieder Selbstzweifel aufkommen lassen, ob ich das Projekt überhaupt noch weiterleben lassen soll. Als Fiona 2022 ging, um all ihre Energie in ihren Hof zu investieren, wurden diese Zweifel nur größer und ich war kurz davor, alles aufzugeben. Ich habe dann aber relativ schnell erkannt, dass all das an dem Kern von TVINNA nichts ändert, die Message die gleiche bleibt nur die Rahmenbedingungen anders sind – und das Leben besteht ja aus stetem Wandel, also wollte ich das Beste draus machen und sehen, wo es mich und TVINNA hinbringt.

Sehr schön, dass du weiter gekämpft hast und wie ich auf fünf Jahre komme ist mir tatsächlich ein Rätsel, sorry dafür. Wie habt ihr im Bandverbund diese schwere Zeit erlebt?

Laura: Zunächst war es schwer, die Begeisterung, die wir mit unserer Musik verspürt haben, zu zügeln – wir wollten nicht immer nur abwarten. Mit der Zeit wurde dann aber auch bei uns die Stimmung spürbar bedrückter, Shows wurden abgesagt, Pläne mussten geändert werden und es war natürlich für jeden ganz persönlich eine herausfordernde Zeit. Wir wollten füreinander da sein, aber kamen alle an unsere Grenzen und mit dieser Veränderung wandelte sich auch die Band. Wir sind durch ein tiefes Tal geschritten und ich bin stolz, dass wir nicht aufgegeben haben, sondern einen Fuß vor den anderen gesetzt haben – um mit unseren Herausforderungen zu wachsen.

Ich habe TVINNA auf einem Konzert von FAUN entdeckt, beziehungsweise kaufte ich eure Vinyl am Merch, die ich gleich nach der Fertigstellung meines Konzertberichtes hörte und sehr angetan war. Was verbindet eure Bands?

Laura: Erst einmal – es freut mich sehr, dass du auf TVINNA gestoßen bist und dich unsere Musik berühren konnte, ehrlich, das zu hören bedeutet mir so viel. Was FAUN und TVINNA verbindet, ist zunächst nicht so einfach klar zu stellen – musikalisch haben wir bis auf meine Stimme (und bei “One” auch Fiona’s) nicht viel gemein. Die Instrumentierung ist ganz anders, die Thematiken zu 99% auch, die gesamte Aufmachung ebenfalls.

Aber, so denke ich, verbindet uns sicherlich eine tiefe Naturverbundenheit, die in TVINNA immer wieder ihren Ausdruck findet, weil sie ein essentieller Teil von mir selbst ist. Welche – btw – FAUN in meiner Jugend sehr mitgeprägt hat – als Teenie bin ich durch Wälder spaziert und habe dabei FAUN gehört.

Um ehrlich zu sein, ist es schwierig, eure Songs in Worte zu fassen und sie zu beschreiben, was ich aber nicht als Makel verstanden haben möchte. Ich bin zu dem Fazit gekommen, dass man “Two – Wings Of Ember” erleben muss, und zwar mit allen Sinnen. Wie seht ihr das?

Laura: Das ist ein wundervolles Fazit – mich berührt Musik oft auch auf einer tieferen Ebene und weckt Gefühle, die oft so facettenreich sind, dass sie sich nicht klar benennen lassen. Diesen Anspruch hatte ich auch immer für TVINNA an mich und uns selbst – ich glaube, man kann Gefühle nur dann in anderen wecken, wenn man die Musik selbst genauso fühlt – und das wollten wir! Wir wollten Musik schreiben, die berührt, die etwas in einem weckt, das vielleicht auch gar nicht beschrieben werden muss. Musik, die Bilder malt und Teile in uns anspricht, die wir tief in uns tragen. Deswegen muss man sich unserer Musik, und “Two – Wings Of Ember” unterscheidet sich da nicht von “One”, mit Sicherheit in gewisser Weise hingeben.

Vielleicht möchtest du in deinen Worten beschreiben, auf was sich eure Fans freuen dürfen, wenn sie “Two – Wings Of Ember” auflegen.

Laura: Musikalisch ist “Two” facettenreicher, reifer, um einiges dynamischer – und auch düsterer. Oft scheint auch das Licht durch, größtenteils wird es aber progressiver und härter als der Vorgang. “Two“ spiegelt uns in der aktuellen Besetzung zu 100% wieder, etwas, was ich über den Vorgänger nicht so hätte sagen können. Konzeptionell ist “Two – Wings Of Ember“ ein tiefer Blick in die Diskrepanz des Lebens, die Unendlichkeit der Liebe und des Seins, ein melancholischer Sturz in Zukunftsvisionen und den Glauben an sich selbst. Und gleichzeitig ein kühner Blick nach vorne.

Was macht ihr auf “Two – Wings Of Ember” anders als auf dem Debütalbum und wo gibt es Parallelen?

Laura: Mit dem Wechsel in unserem Line-Up hat sich natürlich eines maßgeblich verändert, nämlich die Verteilung der Arbeit. Bei “One” war es noch so, dass wir die neun Songs nach dem ersten – gemeinsamen – Ideen-Sammeln unter uns dreien aufgeteilt hatten. Jetzt lagen so ziemlich alle Songs bei mir, wobei ich das Album mit Rafi produziert habe. Das Songwriting ist, bis auf wenige Ausnahmen, allein in unseren Händen gelegen und konzeptionell stammt alles von mir – bei “One” kamen zwar auch schon der Großteil der Texte und Inhalte von mir, aber alles lief immer in Absprache mit Fiona & Fieke ab und klar – das ist bei “Two” ganz anders.

Wie entstehen denn eure Lieder? Was inspiriert euch?

Laura: Meistens habe ich eine gewisse Intention für einen Song – also rein inhaltlich. ´Somnia´ ist z.B. aus dem Wunsch nach einem ruhigen, Schlaflied-ähnlichen Song entstanden, der aber komplett ausbricht. Ich verbinde mit diesen Ideen dann auch immer eine bestimmte Thematik, bei ´Wings Of Ember´ war es z.B. das Finden der eigenen, ganz individuellen Vision. Musikalisch jamme ich entweder ein bisschen mit Synths rum, bastel einen Beat – oder suche eine Melodie. Ein paar der Songs basieren aber auch z.B. auf einer Idee von Rafi, die ich dann weiter ausgebaut habe – und ab einem gewissen Punkt arbeiten wir dann gemeinsam weiter, hören uns den Song sehr oft an, suchen Ideen und verwerfen sie wieder, wir machen das, was sich dann im Song richtig anfühlt und folgen unserer musikalischen Intention.

Die größte Inspiration ist sicherlich das Leben – und all seine verschiedenen Mysterien. Gefühle, Liebe, Trauer, die Natur – für dieses Album auch besonders Träume, Visionen und natürlich Feuer.

Ist “Two – Wings Of Ember” ein Konzeptalbum?

Laura: Ja. Im Prinzip ist “Two” der zweite Teil einer Konzeptserie – wir haben uns vor “One” dazu entschieden, das Leben in verschiedenen Stufen, möglichst vielen Facetten und durch das passendste Element zu durchleuchten. Mit “Two” sind wir in der Kindheit und Jugend angekommen, wir vertonen die Wildheit und das innere Feuer dieses Lebensabschnitts, den unbändigen Hunger nach Erfahrungen, das Losfliegen und das gleichzeitig tiefe Bedürfnis nach Schutz, Nähe und Wärme.

Wie habt ihr euch das Althochdeutsch angeeignet und woher kam die Inspiration zu ´Louga´? Das Kleinkind, das man im Song hört, gehört zu euch? Wie lange hat es gedauert, bis die Passagen – bei denen ich jedes Mal schmunzeln muss – im Kasten waren?

Laura: Ich habe schon länger ein gewisses Faible für Althochdeutsch – ein Einfluss aus meiner Jugend, als ich das erste FAUN Album “Zaubersprüche” rauf und runter gehört habe. Außerdem finde ich, dass dieser Sprache noch eine sehr rohe Magie obliegt, eine gewisse Archaik und deshalb war es von vornherein klar, dass ich ´Louga´ in Althochdeutsch singen muss. Denn ´Louga´ ist unser Ritual des Willkommens an eine junge Seele, unsere Begrüßung in unserer Mitte.

Die Stimme gehört unserer Tochter, die diese Passage mit nicht mal zwei eingesungen hat – sie war die ganze Zeit der Textsuche dabei und hat im Prinzip uns überrascht, da sie eines Tages einfach angefangen hat “anasa” vor sich hin zu singen – dann hab ich mich mit ihr vor mein Mikro gesetzt, den Track laufen lassen und wir haben dazu getanzt und gesungen und alles aufgenommen. Es war also rein spielerisch und ging deshalb auch super schnell – wir hatten keine Erwartung, dass das jetzt klappen muss.

Ihr behandelt Themen wie das Willkommen heißen von Neugeborenen und die Erlebnisse eines Mädchens, das heranwächst, aber auch düstere Themen sind auf dem Album zu finden. Mit wie viel Traurigkeit bei dunklen Themen auf der einen, aber auch Freude auf der anderen Seite, geht ihr die Songs an – Live und im Studio.

Laura: So ist es. Diese Dualität ist und war schon immer ein sehr großer Teil von TVINNA – sowohl in unserer Klangwelt als auch visuell. Wenn ich es schlicht ausdrücken möchte, gibt es für uns nur beide Seiten zusammen: as above, so below.

Wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Diese Thematik ist ein ganz großer Teil meiner Wahrnehmung, aber auch meines Verständnisses von Ästhetik – in jeder Hinsicht. Mir ist es wichtig, allen Gefühlen Raum zu geben. Außerdem habe ich das Gefühl, dass es sehr viele Themen gibt, die nach wie vor nicht angesprochen werden, um vermeintlich “negative” Gefühle nicht fühlen zu müssen – was aber an der Anwesenheit dieser nichts ändert. Man kann der Angst vor der Dunkelheit nur die Kraft rauben, wenn man direkt in sie hineinblickt. Und vielleicht scheint ja das Licht ein wenig heller, wenn man auch die Dunkelheit strahlen lässt?

Hast du vielleicht eine bemerkenswerte Anekdote oder auch lustige Begebenheiten zum Besten zu geben, während ihr die Scheibe gemacht habt?

Laura: Ich denke, das schönste und eindrücklichste Erlebnis war wirklich die Connection, die unsere Tochter zu ´Louga´ gefunden hat. Wenn man den Sinn in ´Louga´ betrachtet und dass er eben genau für die junge Seele steht, ist es einfach wundervoll, dass sie den Song von Anfang an so gerne mochte. In der Produktionsphase, noch bevor wir das Album gemischt haben, “musste” ich den Song sicher 400x mit ihr anhören, eben weil sie “anasa” hören wollte. Und das ist sicher die absolute Härteprobe für jedes Lied – oft braucht man nach einer Albumproduktion echt eine Pause von der eigenen Musik, da man die Songs so so oft gehört hat. Mit ´Louga´ war das kein Problem, weil er einfach so eine ehrliche Freude und Liebe in unserer Kleinen ausgelöst hat.

Werdet ihr auf Tour gehen? Wenn ja, wann und wo kann man euch denn erleben? Ich hoffe auf eine barrierefreie Location.

Laura: Ja – wir sind schon sehr aufgeregt und freuen uns – wir haben drei exklusive Release Shows geplant: in Hamburg am 23.05., in Leipzig am 24.05. und in München am 25.05. Alle drei Locations sind barrierefrei!

Wie wichtig sind solche sozialen Angelegenheiten wie Barrierefreiheit bei euren Konzerten – denn ich kann mir lebhaft vorstellen, dass die Hörerschaft, die aus eurer Musik Kraft zieht, sehr vielschichtig ist.

Laura: Das denke ich auch – und ich finde das wundervoll. Deshalb sind uns soziale Themen tatsächlich sehr wichtig, sie sind auch ein großer Teil unserer Musik. Überhaupt liegt uns am Herzen, dass unsere Musik, und somit auch unsere Konzerte, ein Safe-Space sind. Ich möchte, dass unsere Musik allen Zuflucht, Kraft und ein Lächeln schenkt, die es brauchen und uns dafür den Raum schenken – und somit ist kein Platz für Hass oder Exklusion jeglicher Art.

Bekommt ihr denn Rückmeldungen von Fans, denen ihr mit dem was ihr macht helft?

Laura: Tatsächlich ja, und das ist natürlich das Schönste, was passieren kann – so schön, dass ich das Gefühl als unbeschreiblich empfinde. Viele Menschen schreiben bzw. sagen uns, dass unsere Musik etwas ganz Ursprüngliches, Tiefes in ihnen auslöst und sie daraus eine ganz neue Kraft schöpfen können und das bewegt mich wirklich sehr.

Am Ende meiner Interviews hat immer mein Gast das letzte Wort, die Bühne gehört dir!

Laura: Danke für dieses schöne und lange Interview. Ich möchte mich bei euch allen für das Lesen und euer Interesse an TVINNA bedanken – ich hoffe, unser neues Album schafft es, euch zu berühren, denn wir haben sehr viel unserer persönlichen Erfahrungen darin verwoben. Noch mehr hoffe ich, einige von euch auf unseren Konzerten im Mai zu sehen! Ich freue mich auf jeden einzelnen – sagt unbedingt nach der Show kurz Hallo!

Interview: Tobi Stahl
Photocredit: Promo