Reutlingen ist bekannt für den SSV Reutlingen, der mal ein bisschen höherklassig Fußball gespielt hat, doch mittlerweile aus meinem Blickfeld verschwunden ist. Trotzdem gibt es in Reutlingen interessante “Dinge”, die ich in den letzten Jahren nicht aus dem Blick verloren habe und das sind die Jungs von WILLKUER, deren selbstbetiteltes Album “Willkuer” im Mai 2021 rauskam und gleich auf Platz elf der offiziellen deutschen Albumcharts landete. Schon damals durfte ich ihre Platte besprechen und sagte im Fazit, dass ich die Band im Auge behalten werde and here we go: am 10. März erschien das neue Werk “Zwei” über Rookies & Kings, mit elf neuen Songs nach Art des Hauses.

Auch 2023 wollen Sänger Moritz Hermle, die Gitarristen Julian Kuder / Tobias Röschl, Bassist Andreas Weible und Schlagzeuger Florian Söll keinen Stein auf dem anderen lassen. “Zwei” soll gesellschaftskritisch/provokativ sein und zum Nachdenken anregen. Am wichtigsten ist der Band aber, dass sie mit ihrer Musik ihren Fans und jenen, die es noch werden wollen, ein positives Lebensgefühl schenken und Mut machen, um ihnen in den heute wie damals schwierigen Zeiten eine Stütze zu sein! “Zwei” wird als LP/CD/MC und in verschiedenen Fan-Editionen veröffentlicht. Anschauen könnt ihr euch die heißen Teile im Shop der Band unter https://www.willkuer-zwei-vvk.de/. Aber jetzt zum neuen Studioalbum der Fünferkombo aus dem Süden Deutschlands.

´Bevor hier alles hochgeht´ eröffnet das Album druckvoll und ruft auf nochmal zu feiern und den Song zu genießen, der die Themen der vergangenen Jahre anspricht. Ein knackiger Song, dessen Sound stark drückt, jedoch der Text beim ersten Anhören Fragen aufwirft, die Julian Kuder in meinem Interview beantwortet.

Julian über ´Bevor hier alles hochgeht´:
Es schwingt hier keinerlei Ironie mit. Dennoch muss man einmal klar und deutlich differenzieren, worum es in diesem Song geht. Wir verharmlosen in keiner Weise den Klimaschutz oder die zurückliegende Pandemie. Auch der aktuell wütende Ukraine-Krieg ist schrecklich und eine ernstzunehmende Gefahr für uns alle. Wir haben in den letzten beiden Jahren durch Lockdowns alle gesehen, dass sich sehr viele Menschen stark zurückziehen und das zwischenmenschliche Miteinander wahnsinnig darunter gelitten hat. Vereinsamung und Depression – hierfür müssen wir nicht mal aus unserem Freundeskreis hinausgehen. Dazu kommen Horrorszenarien über Social-Media-Kanäle und andere Medien, welche leider inhaltlich von einigen viel zu wenig durchleuchtet werden. In unserer schnelllebigen Welt schnappt man sich hier und da ein paar Überschriften und meint, besser Bescheid zu wissen als alle anderen. Mit diesem labilen Halbwissen geht der ein oder andere dann auch noch gekonnt hausieren. Ein gefährliches Pulverfass, welches zusätzlich enormes Konfliktpotential birgt und wiederum Menschen verunsichert, die ohnehin schon Probleme damit haben, gefestigt im Leben zu stehen. Wir haben in diesem Song bewusst überspitzte „Headlines“ gewählt, um diese Übertreibungen einmal darzustellen.

Mit ´Alles schon gehört´ gehen WILLKUER gegen Lügen und Fake News vor. Über ´Ich bin nicht OK´ gehts zum ´Heimspiel´. Ein cooler Partysong nach Art des Hauses, der bei Fans verschiedener Sportarten, aber auch beim Konzert-Heimspiel garantiert zur Hymne wird. In der Albummitte werden die Deutschrocker emotional mit ´Die besten sterben nie´, ein klasse Song, der so ziemlich jedem die Tränen in die Augen treibt, wenn er an Menschen oder Tiere denkt, die leider nicht mehr da sind. ´Gekommen um zu bleiben´ ist ein cooler Song zum rocken und hüpfen – live mit Sicherheit eine sehr tanzbare Nummer. ´Keiner von euch´ zeigt radikalen Vollidioten den verbalen Mittelfinger und lässt die Luftgitarren sämtlicher Hörer jubilieren, die begeistert das geile Solo mitzocken. In ´Das ist Deutschland ́ machen WILLKUER ihre Bestandsaufnahme von der in Deutschland herrschenden Stimmung und prangern Dinge wie Moral, Liebe und Respekt an, an denen es derzeit sehr mangelt. Beim groovigen ´Du hast´s verdient´ ist es aus mit der Freundschaft und der vorletzte Track ´Geh mit uns ́ könnte zu einer weiteren Live-Hymne werden. Das Finale ´Auf die gute alte Zeit´ wirft mich gedanklich zurück in meine Jugend, lässt mich in diesen schönen Erinnerungen von damals schwelgen und beendet den Langspieler sehr sanft und eingängig.

“Zwei” ist der angekündigte, meines Erachtens auch streckenweise wütende, Rundumschlag, der kein Blatt vor den Mund nimmt und mit vielen Dingen abrechnet, die in den letzten Jahren passiert sind und die WILLKUER in ihren Songs raushauen wollten und mussten. Natürlich gibt es auch positive Vibes auf “Zwei” wie in ´Heimspiel´ oder emotionale Songs wie ´Die Besten sterben nie´. Musikalisch liefern WILLKUER eine geile Scheibe ab, die härter zuhaut als Mike Tyson wenn er in Topform ist. Satter Gitarrensound, ballernde Drums und Moritz Hermle am Mikro in Topform. Das Debütalbum hätte ich gerne rockiger gehabt, den Wunsch haben die Jungs mir jetzt erfüllt – Dankeschön.

Tobi Stahl vergibt 8 von 10 Punkten

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