CHASKA – RITES OF JUNE

CHASKA

Titel: RITES OF JUNE

Label: Inverse Records

Spieldauer: 33:10 Minuten

VÖ: 03. Mai 2024

Erinnert Ihr Euch noch? Wenn man vor drei vier Jahren in deutschen Fussgängerzonen unterwegs war, begegnete man ihnen. Musikgruppen in der Kleidung der Indios, bewaffnet mit Flöten und Mikros und Kartons mit billig produzierten CDs spielten auf. Sie gaben den Anschein echter Folklore. Doch waren sie kaum mehr, als ein Vehikel, den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen. Dabei setzten sie auf vordergründige Fröhlichkeit und Lebensfreude. Mir ist irgendwie nicht aufgefallen, dass diese Bands mit Corona aus den Stadtbildern verschwunden sind. Vermissen tu ich sie nicht.

Wirklich aus Peru, genaugenommen aus Arequipa, eine Stadt in 2500 Metern Höhe im Süden des Landes, eingebettet in einem Tal zwischen Vulkanriesen, stammen CHASKA. Diese Band existiert seit 2002 und hat seitdem in Peru und Nachbarländern gespielt. 2009 erschien auf einem heimischen Label ein erstes Album. 2015 entstand der Song ´Winter Night Heights´ für den Soundtrack des Films „La Luz In El Cerro“. Erst heute bekamen sie einen Vertrag, der es möglich macht, den Schritt nach Europa zu gehen, bei dem finnischen Label Inverse Records.

Diesen ersten Schritt machen CHASKA mit dieser vorerst nur digitalen EP, die wohl die wichtigsten Songs der Band vereint. Auf dieser EP tauchen genau diese Flötentöne wieder auf. Doch sie bringen eine Überraschung mit. Sie klingen hier so gar nicht nach Friede-Freude-Eierkuchen. Genau die gleichen Klänge sorgen hier für eine verdüsternde, metallische Stimmung, die genau zu den Songs passt, die auf „Rites Of June“ vereint sind.

Ganz am Anfang steht der schon erwähnte Filmsong. Tiefe Melancholie und Trauer sind zu spüren. Molltönende Schwermut wird von gelegentlichen tiefen Grunts untermalt. Hier trifft Heavy Metal auf Elemente des Doom und geschickt eingewebte folkloristische Motive. Aber ähnlich wie zuletzt bei den Griechen Khirki ganz ohne Kitsch. ´Sweet Lover´ reitet auf einem schmalen Grat zwischen zarten Momenten und bösen Ausbrüchen. CHASKA machen gewissermaßen Weltmusik auf wahlverwandten Pfaden wie die Israelis Orphaned Land und mischen Welten, die scheinbar unvereinbar sind, so wie man es auch von Opeth kennt. Wie gut CHASKA diesen Ritt beherrschen, zeigen sie mit einem Cover. Aus Bad Englishs süßlicher Ballade ´Possession´ zaubern sie einen düsteren Gothic Schmachter.

Zum Abschluß gibt es mit ´Nymph Of The Lake´ und vor allem dem voivodig-thrashigen ´Bicolour Cannibalism´ zwei Livetracks, die die ganze Energie der Band noch besser einfangen. Letzterer hat sich tatsächlich für mich zum Lieblingstrack gemausert. Das mir, tu ich mich mit so groben Klängen doch meist etwas schwerer. Aber hier passt alles. Da wundert mich auch nicht, dass sie sogar von Sepultura eingeladen wurden, für sie zu eröffnen.

Ja, lateinamerikanische Elemente gab es im Metal schon früher. Sepultura haben mit der Rhythmik gespielt, Angra haben ihr „Holy Land“ damit gewürzt, Aber dort dienten diese Motive nur der Verfeinerung, der Deko, ähnlich der Kirsche auf der Torte. Hier aber sind die folkloristischen Elemente ein wichtiger Geschmacksträger. Ohne sie wäre es einfach nur eine weitere leicht angefinsterte Heavy Metal Band. Aber genau davon heben sich CHASKA ab. Durch das einfachste Mittel, das sie haben, die Musik ihrer Heimat. Das macht mir wirklich Lust auf mehr. Und das Cover verstärkt den Wunsch, das Teil auch physisch in der Hand halten zu dürfen.

Mario Wolski vergibt 9 von 10 Punkten