ARABS IN ASPIC
Titel: IV-VI
Label: Karisma Records
Spieldauer: 125:38 Minuten
VÖ: 01. Dezember 2023
Vor ein paar Jahren durfte ich ARABS IN ASPIC entdecken, eine Band aus Trondheim, die sich ihrer eigenen Spielart des Prog Rock verschrieben hat. Sie waren nicht neu, man spürte auf „Madness And Magic“ ihre Erfahrung, die sie seit 1997 sammeln durfte. Klaro, ähnlich wie bei den Italienern Logos begann ich den Backkatalog zu erforschen. Die Truppe machte es mir recht einfach, ein Jahr später erschienen die ersten drei Alben für Wieder- und Neuentdecker. Nun gibt es den zweiten Gang, mit dem die Reihe der Alben komplettiert wird. Wie schon beim letzten Mal, die Scheiben gibt es als auf 150 Exemplare limitierte Box auf Vinyl, die auch wirklich nicht billig ist. Oder man bekommt alle drei Scheiben einzeln als CD.
Pictures In A Dream – 2013
Auf „Pictures In A Dream“ setzen ARABS IN ASPIC ihren zuvor begonnenen Weg konsequent fort. Früher noch zu findende psychedelische Momente sind fast komplett verschwunden. Selbst Proggiges wird eher sparsam eingesetzt. Für die Neuausgabe wurde das musikalische Material klanglich überarbeitet. Da bei der Aufnahme nur mit Raummikrophonen gearbeitet wurde, war der Sound der Scheibe wohl nicht so ganz zur Zufriedenheit. Darum hat man heute einige klangliche Unebenheiten überarbeitet.
Höre ich aber Songs wie den am Anfang stehenden Titeltrack, finde ich den bis heute verfestigten Bandsound. Da rifft eine fette Gitarre, der Tastenspieler orgelt sich in den Orgelhimmel. Der meist mehrstimmige Gesang krönt die frühsiebziger Grundlage. Hier treffen sich späte Beatles mit Deep Purple. Sabbathsche Schwere harmoniert mit fast hippiesken Momenten. Die Stücke sind eher kurz gehalten, immer passiert etwas. Das ist weder altbacken noch langweilig. Wenn der gute Sound nicht wäre, man könnte auch vermuten, eine wirklich alte Scheibe zu hören.
So richtig eigen wird es, wenn dann auch noch die Muttersprache ins Spiel kommt. Ja, ich sage es immer wieder, da habe ich meine besondere Freude daran. ´Ta Et Steg Til Siden´ wird noch eigener. Da mag ich keinen Schritt zu Seite machen, eher zieht mich das noch mehr an. Und in einem Stück wie ´Prevail To Fail´ kann ich kaum etwas weniger entdecken, als ein Scheitern.
So darf ich aus heutiger Sicht behaupten, „Pictures In A Dream“ dürfte das bis dato stärkste Album der Norweger mit dem seltsamen Bandnamen sein. Hit reiht sich an Hit. Manchmal frage ich mich, warum diese Band hier keiner im Blick hatte. (9 Punkte)
Victims Of Your Father’s Agony – 2015
Für den Nachfolger braucht es gerade einmal zwei Jahre. Aus heutiger Sicht wirkt die Band scheinbar unzufrieden. Wie sie selber sagen “ this album may be their most diverse to date, due to the large number of songwriters compared to the other records.“ Und für diese Wiederveröffentlichung hat man sowohl die Songreihenfolge geändert, als auch ein Stück komplett ausgetauscht. Ich habe den Vergleich zu früher nicht. Mir scheint jedoch, dies war ein guter Schritt. Bei aller Vielfalt nämlich, klingt das Ganze dennoch zusammenhängend und homogen.
Mit den beiden Teilen von ´Saint-Palais-sur-Mer´ wird eine Erinnerung gesetzt an ihr erstes Konzert in Frankreich. Dazu kann man lesen, das fand an einem Strand statt, direkt in den Sonnenuntergang. Genau dieser Moment, wenn die Sonne das Meer küßt, ist hier auch musikalisch getroffen. Daneben steht mit ´One´ ein harter, verhältnismäßig aggressiver Rocker. Die humorige Seite zeigt sich in ´Italian Class´, in dem man einfach italienische Kinderreime vertont. Mit ´God Requires Insanity´ findet sich der erste Longtrack seit vielen Jahren, hier kommt man dem klassischen Prog Rock nahe wie lang nicht.
Sehr gefühlvoll erzählt ´Sad Without You´ vom Abschied von einem geliebten Menschen. Gefühlvoll, aber nicht heulsusig oder weinerlich. Auf eine Art traurig, dass man hingehen möchte, die Arme ausgebreitet um dem Trauernden die Brust zum Anlehnen anzubieten. Daneben steht das eher schräge ´Flight Of The Halibut´, in dem wohl 16 Leadgitarren gleichzeitig zu hören sind. Was man aber wohl nicht hört. ´Victims Of Your Father’s Agony´ ist insgesamt so ein Album, auf dem eine Band ihren Weg sucht. Darum ist es nicht ganz so zwingend, wie der Vorgänger, doch immer noch auf einem hohen Qualitätslevel, das 8,5 Punkte rechtfertigt.
Auf
The Magic Of Sin – 2017
scheint man wieder einen Weg gefunden zu haben. Ein paar Stücke sind schon geschrieben. Nach einem legendären Konzert von King Crimson in Oslo ist klar, es geht besser. Daraufhin entsteht neues Material. ARABS IN ASPIC proggen sich durch drei Longtracks, deren kürzester knapp die zehn Minuten verfehlt, Erstmals hört man hier auch den vermehrten Einsatz zusätzlicher Percussions, die seitdem das Klangbild zusätzlich bereichern.
Urspünglich erscheint das Werk unter dem Titel „Syndenes Magi´. Und obwohl es ursprünglich nur norwegische Lyrics enthält, weckt es internationales Interesse. (Leider immer noch an mir vorbei.)
Zum Prozess des Remix sagt Gitarrist und Sänger Jostein Smeby: „When it comes to the remix of the album, that is the hardest project we’ve ever done. We were really happy with the record – so if it was going to get remixed, then the result had to be even better. The band wasn’t entirely in agreement about a remix at all, but the composer had some unfinished business regarding English lyrics. I tried singing the original English lyrics again. And it sounded just as bad as last time. What do you do then? Well, you delete all the Norwegian vocals and work until it gets better. Working with the remix and remaster of „The Magic of Sin“ has taken more than twice the amount of time than writing, recording and mixing the original version took. “
Der Titelsong ist mir in der norwegischen Liveversion vom 2018er „Live At Avantgarden“ im Ohr. Rein gedanklich finde ich nachvollziehbar, die internationalen Fans sollen natürlich auch ein wenig verstehen, was auf dem ersten Konzeptalbum der Band gesungen wird. Andererseits, bei aller Klasse, für mich fehlt an dieser Stelle die Eigenständigkeit. Was nichts an der musikalischen Klasse ändert.
Ja, ARABS IN ASPIC haben ihren Weg gefunden. Vielmehr haben sie sich ihren Weg gebahnt. Von allen ihren Einflüssen haben sie das Beste genommen und ihre ganz eigene Klangwelt erschaffen. Hier regiert Magie. Der Hörer wird verzaubert. Er kann sich auf eine Reise begeben. Einen Gipfel ersteigen, von dem aus er eine ganze neue weite klangliche Welt entdecken darf. ARABS IN ASPIC verbreiten Wärme. Und vielleicht wollen sie sagen, dass Magie keine Sünde ist sondern Kunst. Und, falls doch Sünde, dann eine, der man sich einfach jederzeit und immerzu hingeben kann. (9.5 Punkte)
Schon ein Jahr später folgte das erwähnte Livealbum und 2020 ihr bisher letztes Album. Zu erwähnen ist noch eine Single aus 2020, ´Baklandet Café´. Hierauf coverten sie eine Größe der norwegischen Rockgeschichte, Knutsen & Ludvigsen. Und was noch kommt? Ich weiß es nicht. Doch ich hoffe auf Großes. Da warte ich, was sich in Trondheim noch so tun wird. Hoffentlich wird dieses Warten auch belohnt.
Mario Wolski vergibt 9 von 10 Punkten