ANGRA
Titel: CYCLES OF PAIN
Label: Atomic Fire Records
Spieldauer: 58:29 Minuten
VÖ: 03. November 2023
ANGRA ist der Name der Göttin des Feuers und die kommt in der brasilianischen Mythologie vor. ANGRA ist aber auch eine Power Metal Formation, die 1991 von Andre Matos und Rafael Bittencourt gegründet wurde. ANGRA veröffentlichen im November 2023 ihr zehntes Album und ihr erstes beim deutschen Label Atomic Fire Records.”Cycles Of Pain” heißt die Scheibe und die Tatsache das es die Band schon über 30 Jahre gibt, ist sehr bemerkenswert, da man als Band die täglichen Kämpfe erstmal bestreiten und auch bestehen muss.
ANGRA-Gründer Rafael Bittencourt erzählt:
Wir sind geografisch verstreut, unsere Wirtschaft macht es schwer, in Equipment zu investieren, das Geld ist knapp. Aber unsere Kultur ist eine großartige Mischung aus verschiedenen Einflüssen und das ist das Wunderbare an ihr. Wir schöpfen unsere Musik aus diesem riesigen, chaotischen, lauten kulturellen Kessel. Und unsere Songs werden aus ebendiesem Chaos geboren.
Was “Cycles Of Pain” für ANGRA bedeutet analysiert Bittencourt so:
Dies ist aus mehreren Gründen eine ganz besondere Platte für uns. In den letzten fünf Jahren haben wir eine Menge an Schmerz, Herausforderungen, Frust, Ruhm und Erfolgen erlebt, was sich alles zu einem riesigen Vorrat an Inspiration anhäufte. Wir waren isoliert, am Boden und hatten täglich mit dem Schatten von Krankheit und Tod zu kämpfen. Heute erscheint es sogar surreal, sich an all das zu erinnern. Das Ergebnis ist dieses Album.
ANGRA setzt sich anno 2023 aus Rafael Bittencourt (Guitar), Fabio Lione (Vocals), Marcelo Barbosa (Guitar), Felipe Andreoli ( Bass) und Bruno Valverde (Drums) zusammen, die laut “Bandvater” alle in Topform und auf dem Höhepunkt ihrer Karriere sind.
“Cycles Of Pain” wurde primär von Bittencourt und Andreoli geschrieben, als Produzent tritt Dennis Ward auf. Nachdem ANGRA sich zurückgezogen hatten, um am zehnten Album zu arbeiten, waren sie im Sonastério Studio, gefolgt vom Elephant Office Studio, den Greenhouse Studios und den individuellen Heimstudios der einzelnen Mitglieder.
In den insgesamt zwölf Songs wollen ANGRA die uralte Geschichte von Leben und Tod, von Enden und Anfängen, von zyklischem Leiden und der Flucht aus all dem erzählen und den menschlichen Schmerz aus verschiedenen Perspektiven aufzeigen. und beschäftigt sich mit den Zyklen, die diesen Schmerz umgeben.
Bassist Felipe Andreoli über “Cycles Of Pain”:
Das Album erinnert uns daran, dass Schmerz zwar unvermeidlich, aber auch ein integraler Bestandteil des Wachstums und Lernprozesses ist. Indem wir diese Zyklen erkennen und uns ihnen stellen, können wir unsere innere Stärke entdecken und einen Weg hin zu Heilung und Transformation finden. Das Werk führt uns dazu, uns intensiver mit unseren eigenen Schmerzerfahrungen zu beschäftigen und an der Hoffnung festzuhalten, dass es trotz jener scheinbar endlosen Teufelskreise immer ein Licht am Ende des Tunnels gibt.
Genug der Worte und Zitate, wir steigen ein in “Cycles Of Pain” mit ´Ride Into The Storm´, dass direkt nach dem Intro ´Cyclus Doloris ´ (übersetzt: “Der Kreislauf des Schmerzes”) rasant los galoppiert und ein paar knackige Thrashanleihen hat. Sehr sehenswert ist auch das Video zum Song. Nachdem der erste Song die sechs Minuten Marke knackte, macht das auch ´Dead Man On Display´ und ist auch ähnlich progressiv angehaucht. In Part I von ´Tide Of Changes´ gibt’s ruhige Gitarrenklänge und ebenso ruhigen Gesang, in Part II des Songs steigern ANGRA das Tempo schrittweise, haben ansprechende Soli eingebaut und Vanessa Moreno ist als Gastsängerin an Bord. Der Text handelt von der großen Instabilität in der wir Leben “und während unser Ego die Komfortzone und die Kontrolle sucht, ist es von grundlegender Bedeutung, sich an diese Unbeständigkeit anzupassen, auf den Wellen des Schicksals zu surfen und nicht auf unseren Erwartungen.”, sagt Bittencourt und ergänzt: “Es sind die Schmerzen und Frustrationen, die uns formen und stärken, bis zu dem Punkt, an dem wir uns an die Brust schlagen und sagen können: ‘Lass die nächste Welle von Schwierigkeiten kommen. Willst du dir noch ein Stück von mir nehmen? Komm schon, auf diesen Moment habe ich gewartet!’”
Südamerikanische Klänge gepaart mit melodischem Metal und der Gastsängerin LENINE servieren ANGRA in ´Vida Seca´ (und später auch in ´Faithless Sanctuary´, dem dritten Track mit fast sieben Minuten Spielzeit). Der Videoclip zu ´Gods Of The World´ startet mit dem Hinweis: “The Content of this Video can be disturbing – for People who don’t want to see the truth”. Der druckvolle Song handelt davon, dass wir nicht den Göttern folgen, an die wir glauben, denn uns sind soziale Medien wichtiger und wir haben Angst davor, in dieser digitalen Welt etwas zu verpassen. Ein Höhepunkt des Albums ist sicher der emotionale Titeltrack ´Cycles Of Pain´, bei dem der Gesang großartig ist, das Gitarrensolo Gänsehaut erzeugt und die Orchestrierung ebenfalls perfekt passt! Da scheint es fast so, als wäre es für das nachfolgende Lied ´Here In The Now´ schwierig, doch der Song klingt wieder völlig anders und verwöhnt die Ohren mit seiner Melodie und dem erneut klasse Gesang von Fabio Lione, der nur mit seiner Stimme Herzen öffnen kann, aber auch kraftvolle Powermetal – Hymnen singen kann, wie er es in ´Generation Warriors´ dann auch macht. Mit Juliana D’Agostini am Klavier startet ´Tears Of Blood´, der finale Song auf “Cycles Of Pain”, bei dem die großartige Amanda Somerville mit Fabio Lione im Duett singt und das absolut episch anzuhören ist.
Musik aus Brasilien ist im Bereich des Heavy Metal und seiner vielen Subgenres oft geprägt durch Dynamik, Hingabe, Herzblut, Energie, starke Melodien und den Hauch Dramatik, den sie auch im Fussball rüberbringen. “Cycles Of Pain” bringt genau das und noch so viel mehr. Gesanglich phantastisch, mal knackige Songs, dann wieder gefühlvoll. Mal sägende Gitarren, dann zarte Klänge von Klavier und Flöte oder auch erdige südamerikanische Vibes – ANGRA müsste im Duden auch für Vielseitigkeit stehen. Progressiver Power Metal der mir bei all seiner Komplexität sehr viel Spaß macht und eine Platte, die man gerne oft hintereinander hört und sich in den Detailreichtum der Band verliebt.
Tobi Stahl vergibt 9 von 10 Punkten