Bereits im September 2023 veröffentlichten NIGHT IN GALES mit “The Black Stream” ihr drittes Album bei Apostasy Records, zählt man die Split-EP mit NYKTOPHOBIA dazu, sind es vier Veröffentlichungen beim beliebten Underground Label. Am 06. Dezember sind Christian Müller, die Gitarristen Jens und Frank Basten sowie Bassist Tobias Bruchmann und Schlagzeuger Adriano Ricci zurück und haben ihre insgesamt neunte Langrille “Shadowreaper” am Start. Ich durfte mit Jens Basten über “Shadowreaper”, die Hauptfigur dieses Albums, sprechen und wünsche euch viel Spaß beim Lesen!
Hallo an die NIGHT IN GALES Klangschmiede, hallo Jens. Gratulation zu “Shadowreaper”, das mal richtig Bock macht und auf das sich eure Fans, unsere Leser, sehr freuen dürfen.
Nach etwas mehr als 14 Monaten seit dem Release von “The Black Stream” seid ihr mit einer neuen Platte am Start – das ging fix. Hattet ihr einen kreativen Schub oder warum kam Album #9 so fix nach der letzten Veröffentlichung?
Jens: Hallo Tobias, freut mich, dass dir das Album gefällt! Einen kreativen Schub haben wir definitiv, jedoch schon seit 2018, denn die Veröffentlichung von unserem Comeback-Album “The Last Sunsets” gab uns einfach enormen Rückenwind, also durch das ganze gute Feedback und dann natürlich die Möglichkeit über Apostasy Records weitere Alben veröffentlichen zu können und auch zu spüren dass die da richtig Bock drauf haben. Es gab dann nach “Dawnlight Garden” allerdings diese längere Corona-bedingte Zwangspause. Denn die Presswerke konnten lange Zeit keine Liefertermine für Vinyl aussprechen und Veröffentlichungen konnten durch das Ausbleiben von Konzerten natürlich auch nur suboptimal beworben werden. Wir hatten also das Master für “The Black Stream” pünktlich nach “Dawnlight Garden” beim Label abgeliefert, mussten dann aber einige Zeit auf das Release warten, aus den bereits genannten Gründen. Das war schon komisch irgendwie. Für “Shadowreaper” hatten wir dann also schon etwas mehr Zeit als nur ein halbes Jahr, allerdings war der Produktionsprozess schon der kürzeste seit der Jahrtausendwende, da hatten wir schon Wert darauf gelegt dass alles Schlag auf Schlag geht, einfach damit während der Aufnahmen nicht zu sehr der Perfektionismus über die Spontanität siegt und am Ende alles zu glatt, totproduziert und damit langweilig klingt.
Achtung, Standardfrage! Woher kam die Inspiration für die neue Platte? Wo liegen die thematischen Schwerpunkte?
Jens: Musikalisch sollte es nach dem relativ zahm ausgefallenen “The Black Stream” auf jeden Fall eine Ecke härter und auch gerne wieder etwas unzugänglicher werden. Es gibt da textlich keinen wirklichen neuen inhaltlichen Schwerpunkt, es dreht sich schon wie bei “Dawnlight Garden” und “The Black Stream” quasi um “all things Death”, also grob mit dem Thema Tod verbundene Ängste, Zweifel, Alpträume und Vorstellungen, vielleicht auch philosophische Fragestellungen.
Ihr habt im Bereich der Produktion etwas verändert und seid weg von Dan Swanö und hin zu Frederik Nordström – warum dieser Wechsel?
Jens: Wir waren mit Dan immer sehr zufrieden, er ist einfach ein Top-Mann und es machte immer super Spaß mit Ihm zu arbeiten. “The Black Stream” war aber nun schon das 3. Album mit dem exakt gleichen Produktionsteam in Folge und das auch noch innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne. Mix & Master by Dan Swanö, Artwork by Costin Chioreanu. Mit Dan war es sogar das 4. Album in Folge wenn man “Five Scars” aus 2011 mit einbezieht. Und da mit “Shadowreaper” ziemlich schnell das nächste Album in den Startlöchern stand, war es also einfach mal an der Zeit an ein paar Schrauben zu drehen, um es für uns und die Fans interessant zu halten. Soundtechnisch wollten wir authentischer und heftiger klingen, es sollte wieder mehr unser Live-Feeling rüberbringen und nicht so gefällig und poliert klingen. Nachdem ich dann auf Tobbe´s Party im Frühjahr mit Luke von Crypts über mögliche Producer-Kandidaten sprach, sendete er mir eine lange Liste mit Namen, an deren Spitze eben Fredrik Nordström stand. Mein erster Gedanke war: “Japp – das ist es!”. Also habe ich ihn kurzerhand angeschrieben und er hatte sofort Bock. Wir hatten ihn schon gar nicht mehr auf dem Tacho, denn er produzierte nach dem Göteborg Boom bekanntlich eher größere Sachen wie Arch Enemy, Dimmu Borgir, Soilwork oder sogar BMTH, dass er so schnell zusagte hat uns da natürlich gefreut.
Wie hat sich euer Sound denn verändert, jetzt da ihr bei einem Produzenten seid, bei dem auch schon IN FLAMES und DARK TRANQUILLITY in ihren ersten Jahren waren.
Jens: “Shadowreaper” ist ganz klar unser härtestes Album bisher, es klingt insgesamt echter, mehr live, authentischer und damit lebhafter, was heutzutage ein ganz wichtiges Gut ist da viele der heutigen Produktionen durch immer kleiner werdende Budgets meist komplett digitale Produktionen bleiben müssen. Und daher hebt sich “Shadowreaper” einfach ab und ich finde auch, dass man es daher öfter hören kann, also auch auf Repeat. Es kracht einfach voll rein und säuselt nicht unbemerkt vorbei, wenn du verstehst, was ich meine – definitiv – (Anmerkung von Tobias). Für NIGHT IN GALES Verhältnisse ist das klanglich echt brutal. Fredrik hat die Leads auch nicht so stark in den Vordergrund gepackt, was die Songs zusätzlich brachialer wirken lässt. Die Drums sind besser in den Gesamtsound integriert und interagieren damit viel mehr mit dem Rest der Band. Und auch oder gerade weil es so ausgelutscht ist, muss ich es an dieser Stelle sagen: der Sound ist “In your face”!
Was glaubt ihr, wie die Platte bei euren Fans ankommen wird – sowohl die aus euren ersten Tagen als auch die, die während eurer langen musikalischen Laufbahn dazu kamen?
Jens: Nachdem wir inzwischen die ersten Reviews gelesen haben und im Rahmen der ersten Interviews auch mit Redakteuren sprechen konnten und da die Platte sogar “Platte des Monats” im Rock Hard geworden ist, sind wir da guter Dinge. Wahrscheinlich ist diese Platte genau das, was in unserer Discographie noch gefehlt hat. Musikalisch sind übrigens durchaus auch Parts dabei, die so auch auf “Towards The Twilight”, “Thunderbeast” oder “The Last Sunsets” hätten stehen können, nur eben durch die rauere Produktion wirkt es alles nochmal breiter und hat mehr Durchschlagskraft diesmal.
Was könnt ihr über die Hauptfigur “Shadowreaper” sagen?
Jens: Der “Shadowreaper” ist die letzte Station auf der Reise der Seelen. Er erlöst die im Black Stream gefangenen unruhigen Geister aus Ihrem sinnlosen Übergangszustand. Wir wollten für dieses Album ein klassisches 95er Style Artwork, mit einer zentralen Figur und viel Atmosphäre, was Paolo Girardi natürlich perfekt umsetzen konnte.
Hängen “The Black Stream” und “Shadowreaper” thematisch zusammen, ist es gar ein Album mit rotem Faden?
Jens: Bezüglich Lyrics, Titel und Artwork nehme ich seit “The Last Sunsets” immer zur ersten Ideengenerierung das letzte Artwork zur Hand und finde dann relativ schnell eine Verbindung für das nächste heraus. So entspringt z.B. “The Black Stream”, dem Tümpel am Boden des “Dawnlight Garden”s, und er fließt jetzt auch auf der linken Seite des “Shadowreaper” Artworks weiter. Es gibt aber keinen eindeutigen Verlauf im Sinne einer Geschichte, die in logisch aufeinander aufbauenden Kapiteln abläuft. Es ist vielmehr ein roter Faden, der sich durch die letzten drei Veröffentlichungen schleichend zu einer Art “Night In Gales Universum” etabliert hat und der gut zur Musik passt.
Die zweite Single war ‘Into The Evergrey’ und wurde mit Video rausgehauen. Ich habe mir die Kommentare angeschaut und darf sagen, dass ich mich der jubilierenden Mehrheit anschließe und sehr begeistert bin von dem Song, der gleichzeitig auch der Opener von “Shadowreaper” ist. Was machen die vielen Lobeshymnen mit euch?
Jens: Schön, dass dir der Track auch gefällt. Ja klar war uns auch das Potenzial des Songs aufgefallen und daher ist er auch der Opener, Single und Videotrack geworden. Der Song repräsentiert, denke ich, ganz gut die Bandbreite des Melodeath wie er 1993 – 1995 gefeiert wurde und vermittelt auch diese spezielle Stimmung dieser Zeit. Die ganze positive Resonanz dazu überrascht uns dennoch, irgendwas ist diesmal anders.
Zuvor wurde ‘Spirals’ ausgekoppelt – mich interessiert oftmals, wie die Entscheidung getroffen wird, welche Songs der Öffentlichkeit präsentiert werden. Wie läuft diese Entscheidungsfindung bei euch?
Jens: Meistens wissen es alle schon, ohne dass gesprochen wird, weil sich die 3 Singles einfach durch gewisse Merkmale als Singles auszeichnen. Oftmals sind es auch Songs, die auf die erste Hälfte des Albums gesetzt wurden, aus den gleichen zuvor genannten Gründen selbstverständlich. Wir stimmen uns also kurz intern und parallel auch mit dem Label ab, das geht meist recht fix. Muss auch fix gehen, denn man muss ja dann direkt VÖ-Termine der Singles für die Releaseplanung setzen und dazu die Videoproduktion planen etc.
Ich habe bereits im Frühling mit euch über das ReRelease von “Thunderbeast” gesprochen und gefragt ob es weitere Neuauflagen geben wird, dürfen wir denn etwas hinsichtlich “Nailwork” berichten?
Jens: Wir hoffen natürlich auch dass auch “Nailwork” eines Tages zu Rerelease- bzw. zu Vinyl-Ehren kommt. Ob das wirklich so kommen wird bzw. wann kann ich jetzt aber noch nichts sagen. Wenn sich “Thunderbeast” einigermaßen verkauft hat, kann man das mit “Nailwork” sicherlich wagen. Aber es war natürlich auch das Album mit dem wir damals so richtig in die Experimentierphase eingestiegen sind, haha. Da braucht man schon eine stabile Fanbase damit sowas finanziell kein schwarzes Loch fürs Label wird. Aber ich bin da zuversichtlich, und Bock haben wir natürlich alle drauf!
Apropos berichten- steht schon fest, ob ihr auf Tour geht, wohin es geht, wann es losgeht und mit wem?
Jens: Ja, das steht schon fest, wir gehen nicht auf Tour, haha. Das ist aber nicht aus Mangel an Möglichkeiten so, sondern unsere Entscheidung. Wir planen wie schon in den letzten Jahren mit ein paar ausgewählten Clubshows und natürlich Festivals auch das neue Album zu promoten. Das wir nicht so oft live spielen, hat gleichzeitig natürlich den Vorteil, dass wir so schneller neue Alben rausbringen können. *grinst
Kommen wir noch auf die verschiedenen Formate zu sprechen, in denen “Shadowreaper” bei Apostasy Records veröffentlicht wird. LP, CD und MC, richtig?
Jens: Wenn du “Digital Download” und “Streaming” noch dazu packst ist das korrekt. Das sind auf das gesamte Musikgeschäft gesehen, ja sogar die mittlerweile am meisten nachgefragten Formate, Tendenz steigend. Das Vinyl gibt´s in schwarz (200), transparent blau (100 bandcamp exklusiv), 200 gold black white opaque split splatter (200) sowie 40 liquid filled vinyl (sold out). Die farbigen Vinyls sowie das Digipack gibt es über Bandcamp auch als Bundle mit T-Shirt, die sind allerdings in Kürze bereits vergriffen. Wer eins braucht, sollte sich beeilen!
Was sind denn die favorisierten Audioträger bei euch in der Band?
Jens: Bei Tobias und mir ist die Vinylsucht seit Beginn an ungebrochen, wobei speziell Tobbe da sehr übertreibt, haha. Irgendwann bricht der mit seiner Sammlung durch die Decke in den Keller, denke ich immer wenn ich das sehe, haha, das müssen mittlerweile mehrere Tonnen sein. Die anderen 3 sind da mehr digital als physisch unterwegs in den letzten Jahren.
Die Vinyl Versionen eurer Alben sind besonders beliebt, so ist beispielsweise die Liquid-Variante (Auflage von 40) schon länger Sold Out. Mir gefällt die Gold/Black/White Opaque Splattered (Auflage von 200) splattered am besten – ist mal was anderes, wie ich finde. Wie ist es bei euch? Habt ihr Favoriten?
Jens: Das Splatter Vinyl ist tatsächlich mega schick geworden und man hat es so auch noch nicht gesehen, ein absoluter Augenschmaus und dazu noch 180g Vinyl. Fiel uns beim Auspacken erst auf, dann wurde direkt mal nachgewogen. Richtig dickes Ding. Aber die Liquid filled wird natürlich der Oberburner, bin schon total gespannt, hoffe die kommen bald hier an. Die werden ja separat hergestellt, in unserem Fall in der berühmten Vinyl Manufaktur.
Das wars von meiner Seite, ich bedanke mich für eure tolle Musik, für deine Zeit mir meine Fragen zu beantworten – die letzten Worte gehören dir! Feuer frei!
Jens: Vielen Dank für die Gelegenheit und deinen Support über die Jahre. Ich hoffe, man sieht sich auf dem ein oder anderen (Night In Gales-)Konzert! An alle anderen: checkt mal unseren Bandcamp Store aus, da gibt es neben den aktuellen Sachen auch so manches Uralt-Merchandise, Reste alter Shirt-Auflagen usw.
Interview: Tobias Stahl
Photocredit: Promo