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MASSACRE – Misanthrop für immer!

Kam Lee ist einer der wichtigsten Urväter des Death Metals und für viele bis heute ein unerreichtes Vorbild. Mit seiner Art zu singen hat er mit MANTAS bzw. DEATH und MASSACRE die Vorlage für unzählige Growler gegeben. Nach schier endlos langer Pause, in denen Kam sich verschiedensten Projekten gewidmet hat, ist die Originalstimme seit letztem Jahr wieder zurück mit MASSACRE.

Wie geht man mit diesem Erbe um? Ihr wart ja quasi die Erfinder des ganzen Death Metal Genres. Wie geht’s dir damit, wenn Leute dich heute als Legende sehen?

Es ist schon seltsam wenn dich jemand als ”lebende Legende” bezeichnet und es war anfangs irgendwie schwierig aber irgendwann haben Interviewer und Leute die Rezensionen schreiben, mich immer öfter so genannt. Also habe ich diesen Ausdruck zu meiner eigenen Bezeichnung gemacht. So wie in „Legendary Death Metal Vokills“. Aber kaum habe ich das übernommen, kamen auch schon negative Reaktionen: Ich wäre ein überheblicher Egomane. Es scheint ok für Presse und Fans zu sein aber nicht mich selbst. Also überlasse ich das jetzt den anderen. Wenn jemand meint, ich hätte etwas „legendäres“ getan, dann ist es hoffentlich die Musik. Sie scheint ja den „Test of Time“ überstanden zu haben und auch 30 Jahre später noch bei manchen anzukommen. Auf jeden Fall soll mich keiner als irgend ein Idol oder so etwas sehen, das wollen andere Musiker, nicht ich. Ganz so narzisstisch bin ich nicht. Ich erzähle den Menschen lieber Fakten über die Anfänge der Death Metal Szene. Wer, wann und wo dabei war oder auch nicht. Das reicht schon, denn leider reagieren viele Leute heute so empfindlich, wenn sie hören, dass ihre so geliebte Wahrheit leider eben nur Halbwahrheiten oder einfach  Lügen sind. Es gibt Menschen, die verteidigen ihre eigenen Vorstellungen völlig erbittert und sind voller Hass gegen denjenigen, der es wagt ihre Meinung mit Fakten zu zerstören. Sie verteidigen ihre Meinung, weil sie irgend etwas im Internet gelesen haben oder sie haben irgend eine voreingenommene Doku gesehen, in der genau solche Lügen oder meinetwegen Halbwahrheiten “belegt“ werden. Meistens haben diejenigen, die hinter solchen Veröffentlichungen stecken nur ein Ziel: sich wichtig zu machen und Geld damit zu verdienen.

Absurd, also habe ich es aufgegeben den “brain-washed” Fans die Wahrheit beweisen zu wollen. Ich bin einfach glücklich und geehrt, dass einige Fans mich nach all den Jahren immer noch für eine “Living legend” halten. Ehrlich, ich bin meinen Fans wirklich dankbar, dass sie mir all die Jahre die Treue halten.

Trotz dieses Status hast du mit deiner musikalischen Karriere nicht gerade Glück gehabt. Was hältst du für die Hauptgründe?

Bestimmung! Ich glaube kompromisslos an meine Arbeit und versuche nicht mich anzupassen. Mit den richtigen Menschen zusammenzuarbeiten ist wichtig. Leute, die an das gleiche glauben und das gleiche fühlen, wenn es um die Musik geht. Ich akzeptiere aber keine Ego-Typen mit ihren Rockstar Vorstellungen. Glaub mir, ich habe in der Vergangenheit mit Typen gearbeitet, die nichts anderes waren als „giftiges Ungeziefer“. Die versucht haben mich zu erniedrigen und fertig zu machen. Das beste was mit solchen Idioten machen kann, ist sie los zu werden.

Viel zu viele Leute wollen andere versagen sehen und zu viele fallen auf sie rein. Ich hab mit denen gearbeitet und sogar versucht mich wieder zu versöhnen. Fakt ist aber: es funktioniert nicht. Ich hab eine wichtige Lektion gelernt. Keine zweite Chance! Wenn jemand die Brücke zu dir niederreißt, dann schau nicht zurück, Gib ihnen nicht nach – egal was passiert. Wenn sie es einmal gemacht haben, werden sie es wieder tun und nur Idioten lassen sich zweimal von der gleichen Schlange beißen. Also sei kein Idiot!

 

MASSACRE sind vor der Pandemie wieder mit einem stabilen Line-Up und weltweiten Auftritten auf der Bildfläche aufgetaucht. Wie schätzt du die Lage nach all deinen Erfahrungen ein?

Es fühlt sich momentan erstmal richtig an. Ich bin endlich in der Position, in der ich MASACRE führen kann, was viele Jahre nicht so war. Ich war nur Beiwerk für die Band. Sie hatten die Kontrolle und haben die Dinge anders gemacht und gesehen. Denen ging es NICHT um die Integrität der Band oder um das Vermächtnis als Old School Death Metal Band  (Wie damals schon bei der Veröffentlichung des von Kam so verhassten “Promise“ Albums). Nein, da ging es nur darum den Namen zu benutzen. Als Stufe auf dem Weg zum “Rockstar“. Jetzt endlich, zum ersten mal in der Geschichte der Band habe ich die Sache in der Hand. Ich hoffe, dass die Fans erkennen, dass ich mein bestes gebe, um MASSACRE zu dem zu machen, was die Band eigentliche immer sein sollte. Und es geht bestimmt mir bestimmt nicht um schnelles Geld, sondern darum echt zu sein.

Beim letzten Treffen auf der Mini-Tour hast du erzählt, ihr hättet jetzt ein professionelles Management und neue Songs.

War ja klar. Natürlich hat sich das mit dem Managament wieder zerschlagen! Immer wieder das gleiche. Wir hatten wieder mal das Gefühl, dass sie nicht das Interesse der Band vertreten sondern ihr eigenes. MASSACRE war sozusagen nur eine weitere Trophäe für sie.

Die Unterhaltungsindustrie ist ein schwieriges und verlogenes Business, sogar auf dem Untergrund Level. Mann muss ständig darauf achten, nicht nur ausgenutzt zu werden. Also machen Mike (gemeint ist Michael Borders, Bassmann und frühes MASSACRE Mitglied) und ich das jetzt zusammen. COVID-19 hat uns einen Strich durch all unsere Tour-Pläne gemacht. Jetzt warten wir bis das Virus entweder ausgerottet ist oder ein Impfstoff existiert. Bis dahin arbeiten wir weiter an neuen Songs. 

 

Nicht nur die Band ist von der Corona Krise betroffen, sondern auch dein Privatleben. Gibt es irgendwas, was du den Menschen oder eurem Präsidenten sagen möchtest?

Vorab, ich bin überhaupt kein politischer Mensch … und eigentlich rede ich auch niemals darüber aber ich hab schon meine Meinung. Eigentlich sind alle Regierungen Scheiße! Ich bin intellektueller Anarchist! Wir werden alle irgendwelchen Regeln unterworfen, die nicht der menschlichen Natur dienen, sondern sie eigentlich behindern. Diese Regeln basieren auf bestimmten Überzeugungen, die uns untereinander Konflikte bescheren.

In der Welt von heute haben wir es nicht nur mit einer weltweiten Pandemie zu tun, wir schlagen uns auch mit Rassismus und Separatismus herum. Aber gerade jetzt sollte die Menschheit doch zusammenstehen. Stattdessen driften wir immer weiter auseinander und streiten uns.

Dabei ist es nicht die “Rasse“, die uns voneinander trennt. Es geht auch nicht um Geschlechterfragen, wer was sein möchte oder wen jemand heiraten möchte. Es geht auch nicht um verschiedene Parteien oder irgendwelche „Ismen“, die die Welt im Ungleichgewicht halten. Das sind alles nur Nebelkerzen.
Die wahren Probleme sind unsere Grundüberzeugungen oder „Bekenntnisse“. Sie gehen weit über religiöse Dogmen und bestimmte Formen von Ethik hinaus. Es ist eine Art zu leben. Diese Überzeugungen können sich in religiösen Regeln zeigen oder auch in der Autorität von Regierungssystemen sichtbar werden. Die Autorität der Polizei oder des Militärs. All das basiert auf bestimmten Vorstellungen, die die Unterschiede in der Welt ausmachen. 

Als ausgesprochener Atheist verabscheue ich alle Formen von Religion. Sie basieren alle auf diesen Vorstellungen und bauen ein System auf, mit dem sie Menschen trennen und unter Kontrolle halten. Völkermorde, Rassismus, „Ethnische Säuberungen“. Das sind die Ergebnisse. Nicht wegen irgend einer kollektiven Verachtung einer bestimmten Rasse, sondern wegen der Angst, die durch das gemeinsame System von Vorstellungen, den gemeinsamen Glauben an etwas, durch den kollektiven „Code“ entsteht.

Aber ich schweife ab. Ich bin ja kein „weises Orakel“. Ich bin nur ein alter Death Metal Growler. Die Pandemie hat die Welt verändert und wir alle schlagen uns damit auch noch in der Zukunft herum. Sie hat nur wieder einmal die hässliche Seite der Menschheit zum Vorschein gebracht. Ich bin einfach ein Misanthrop, für immer. Ich hasse die Menschheit. Nicht, weil sie an sich furchtbar ist, sondern weil ich weiß dass, sie wirklich bewundernswert sein könnte aber sie es schafft immer alles Gute an die Wand zu fahren.

Dann wieder zurück zu etwas Positivem, zu deiner Musik. Neben MASSACRE hast du jede Menge anderen Bands deine Stimme geliehen. BONE GNAWER, GROTESQUERY, NATTRAVNEN, OOZING SCABS, NECROPALYPSE um nur ein paar zu nennen. Warum so viele?

Warum nicht? Es gibt einfach zu viele unterschiedliche Arten von Musik in mir und eine Band kann unmöglich alles abdecken, was ich machen will. Außerdem erlaubt es mir mit vielen verschiedenen Musikern zu arbeiten und Spaß zu haben.

Gibt es irgendwelche Pläne für Shows oder Tourneen mit diesen Bands, wie vor Jahren mit DENIAL FIEND?

Von mir aus immer gern. Aber die anderen Musiker sehen diese Sachen meistens eher als Side Projects, haben andere Verpflichtungen oder wollen einfach nur ihre Songs aufnehmen. Das Internet hat die Musik verändert. Dadurch können wir alle mit anderen Menschen, überall auf der Welt, Musik machen.

Für mich ist es einfach positiv, denn viele meiner Projekte laufen darüber. Ich bin wirklich dankbar, dass ich die Chance habe mit so vielen großartigen Musikern zusammen zu arbeiten. Leute wie Rogga Johansson und andere aus Europa. Nochmal, es geht nicht darum “Rockstar” zu sein, die Tage für diesen „Bullshit“ sind aus und vorbei. So etwas hat im Underground auch einfach keinen Platz. Der wahre Underground war immer ein Netzwerk von Leuten, die zusammen kamen um gemeinsam ihre Ideen auszutauschen und einfach Musik zu machen.  

Kunst scheint ein wichtiger Aspekt in deiner Arbeit zu sein.

Ja, ein großer Teil meines künstlerischen Ichs geht in die Musik. Ich sehe Dinge eher in Bilden als in Worten. Das bedeutet, Texte sind sekundär, ich versuche keine komplexen  Textideen zu verwirklichen, sondern halte sie lieber einfach.

Ich mag es aber mit Künstlern zusammen an Konzepten und Artworks für meine Sachen zu basteln. Ich sehe das als gleichberechtigten Prozess. Sie sollen so viel Freiheit haben, wie soe möchten. Ich gebe alenfalls eine generelle Idee vor, was ich ausdrücken möchte aber ich bin jederzeit bereit Kompromisse zu machen und mir andere Ideen anzuhören. Für mich ist ein Album nicht einfach eine zufällige Anhäufung von Songs. Ich sehe ein Album immer als ein Gesamtkonzept. Eine Horrorgeschichte, etwas das gemeinsam eine kleine, in sich geschlossene Ministory. Selbst wenn es kein klassisches Konzeptalbum ist, sondern eher ein Amalgam aus Tracks. Naja, ich versuche wenigstens ein bestimmtes Thema nicht aus en Augen zu verlieren. Zum Beispiel sind BONE GNAWER eine sehr von Kannibalen, Serienkillern, Slasher Movies beeinflusste Band. Alle Texte drehen sich darum. Bei MASSACRE oder THE GROTESQUERY würde ich ganz andere Ideen  verwenden. Die gehen vielmehr in ein Lovecraft Richtung. Es gibt also für jedes Projekt bestimmte Themen und auch lyrische Grenzen. Ich habe mal ein Projekt namens GRAVE WAX mit den Zwillingen Mark und Mike Riddick gemacht. Dabei ging es um „Body Horror“. Um Mutationen oder Infektionen, die den Körper auf verstörende Arten verändern.

Du warst ja immer schon ein großer Horror-Fan.

Es geht dabei immer um das existenzielle Menschsein. Wie wir als Menschen funktionieren. Wovor wir Angst haben. Tod, die Angst vorm sterben, der Schock und der Thrill beim Erschrecken. Solange ich denken kann, habe es geliebt. Vielleicht hilft es auch an HALLOWEEN Geburtstag zu haben. Ich schätze ich bin einfach davon besessen. Ehrlich, ich könnte meine Musiksammlung aufgeben aber meine Filme und Büchersammlung ? NO WAY!

Noch irgend etwas anderes, was du gerade los werden willst?

Danke dir für das Interview und hoffentlich langweilt euch das nicht.

Keine Sorge Kam, tut es nicht.

 

Interview & Live-Fotografie: Sven Bernhardt

 

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