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FOLTERKAMMER – Durch “Weibermacht” in den Dialog kommen – dafür wäre ich sehr dankbar

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Am 19. April 2024 veröffentlichte die Band FOLTERKAMMER ihr zweites Album “Weibermacht” bei Century Media Records. Die Review zum Album findet ihr natürlich auch bei uns, heute möchte ich euch mein Interview mit der schweizer Dramatic Growloratura Soprano Sängerin und Musiklehrerin Andromeda Anarchia präsentieren, die mit mir ausführlich über “Weibermacht” gesprochen hat. Doch war nicht nur das Album ein Thema unseres sehr kurzweiligen und humorvollen Gespräches, aber lest selbst. Viel Spaß.

Hallo Andromeda Anarchia. Zum Start unseres Gespräches muss ich dir gestehen, dass ich tatsächlich lange hin und her überlegt habe, ob und wie ich ein Interview machen möchte. Das lag daran, dass ich ein Album mit solch expliziten Texten noch nie zuvor auf dem Tisch hatte. Bisher waren das oft Themen wie Drachen, Wikinger oder andere gesellschaftskritische Themen. Am Ende hat aber die Neugierde gesiegt, denn ich wollte einfach wissen, wer der Mensch, die Frau hinter FOLTERKAMMER ist, und deswegen bin ich froh, dass wir heute miteinander reden können. 

Ich freue mich auch sehr. 

Bevor wir über das Album sprechen, würde ich gerne wissen, wie es dir so kurz vor der Veröffentlichung von “Weibermacht” geht. Bist du angespannt? 

Angespannt, wenn dann nur in freudiger Erwartung. Ich meine, ich kenne ja meine Texte und ich kenne unsere Musik und ich bin auch eine sehr realitätsbezogene Person. Ich kann abwägen und weiß, dass wenn man was provokatives macht, auch verschiedenen Reaktionen darauf folgen. Ich mache aber die Musik so wie ich sie mache, weil ich Spass dran habe und ich denke, da kann ich stellvertretend für alle bei uns in der Band reden. In erster Linie machen wir Musik, weil wir Freude am Musikmachen haben und jede Band, in der wir spielen, ist anders. Ob das nun Zachs (Zachary Ezrin) Imperial Triumphant oder mein Darkmatters ist – die klingen alle nicht wie FOLTERKAMMER. Auch Laurent’s Oper La Suspendida klingt nicht nach FOLTERKAMMER. Wir spielen gerne rum was die Musik anbelangt und ich natürlich auch mit den Texten und Themen über die schreibe. Ich habe Spaß an dem, was ich mache und ich glaube, die anderen haben auch Spaß an dem, was sie tun. Insofern freue ich mich natürlich immer über alles, was wir auch mit anderen Leuten teilen können und hoffe dann in meinem vielleicht naiven Optimismus, den ich habe und Pflege, dass die Leute, die einen Zugang dazu haben, sich auch über unsere Musik freuen. Für die anderen, die mit unserer Musik nichts anfangen können, gibt es viele andere wunderbare Bands, die sie hören können und das ist auch okay so. Insofern kommt meine Anspannung mehr so aus Freude heraus, die “Weibermacht” mit denjenigen Leuten teilen zu können, die offen sind dafür und auch zu sehen, was dann die Reaktionen darauf sind. Vielleicht bin ich auch eher neugierig, würde ich jetzt sagen. Neugier trifft es besser als Angespanntheit. 

Die Neugier war ja auch mein Beweggrund, warum ich mir letzten Endes dann das Album ausgesucht habe, um es zu unter die Lupe nehmen. Ich habe euren Bandnamen FOLTERKAMMER gesehen und den Albumtitel “Weibermacht” gelesen und fragte mich, was für Musik das denn sein könnte. Noch dazu mit der Beschreibung des Stils der Musik, also sinfonischer Black Metal mit Jazz -und Oper Elementen –  das musste ich erstmal bei YouTube recherchieren und habe mir die Videos angeschaut, die bis dahin schon veröffentlicht waren. Mein Interesse an FOLTERKAMMER und “Weibermacht” stieg an und wurde größer, also trug ich mich für die Review ein und jetzt sind wir hier. 

Das hat mit unseren musikalischen Bildungswegen zu tun. Ich habe angefangen mit klassischer Musik und habe eine klassische Gesangsausbildung. Danach bin ich in den Jazz gewechselt, weil ich alle Musikarten gerne  mag. So ist das auch bei allen Bandmitgliedern. Unser Laurent (Bass) hat eine klassische Musikausbildung auf Gitarre, hat dann aber Jazz Bass studiert und hat mit Jazzgrößen auf der ganzen Welt gespielt, er ist ein Heavy-Jazzcat. Zach hat Komposition studiert und hat dort viel für Orchester geschrieben, was auch sein Schwerpunkt war. Er liebt auch klassische Musik und Künstler wie Nina Hagen und Klaus Nomi. Wir alle stehen irgendwie auf alle Arten von Musik und toben uns aus. Wir alle haben auch einen Bezug zum Metal. 

Ich war schon seit Kindestagen an Progressive Rock oder Fusion interessiert – warum auch immer ein kleines Mädchen auf diese Musik steht, es war halt einfach so. Ich mag musikalische Grenzgänger, die mich faszinieren und ich kann auch nicht anders, glaube ich. Denn egal ob ich im klassischen Kontext agiere oder im Jazz Kontext oder Metal oder was auch immer gerade das Thema ist, ich agiere nie genretypisch und kann auch niemand sein, der ich nicht bin.

Laurent war und ist auch immer vielseitig interessiert. der Brendan auch, Darren ist ein großer Fan von klassischer Barockmusik, von ihm kommt immer dieser Einfluss mit rein und ich glaube, wenn man das dann alles in einen Schüttelbecher gibt und kräftig schüttelt, kommt dann halt irgendwie FOLTERKAMMER dabei raus. So würde ich uns beschreiben. Jede Musik hat ja auch ihre Spielregeln. Die klassische Art wie man Musik spielt ist ganz anders als die Jazzmusik und nochmal ganz anders als Metal. Man arbeitet mit anderen Prinzipien und Spielweisen und mit einer anderen Ästhetik. Für uns gibt es nicht nur das eine richtige und das andere ist falsch, wir finden alles spannend und wollen sehen wie das kombiniert werden kann. Der Jazz ist beispielsweise gar nicht mal musikalisch hörbar, es ist eher die Art und Weise, wie wir manchmal mit gewissen Dingen wie Spontanität und Kreativität umgehen. Grundsätzlich ist es bei uns diese brachiale Black Metal Ästhetik, die man aus Ende 80er Anfang 90er kennt, die wir mit verschiedenen klassischen Elementen  kontrastieren und die auf “Weibermacht” zu hören sind. 

Zudem stehen wir alle auf Nina Hagen, Klaus Nomi und so weiter und daher kommt dann natürlich dieses theatralische und überkandidelte in unserer Musik. Musiker machen nicht Musik, um in erster Linie den Leuten zu gefallen – zumindest denke ich nicht so. Ich folge einem Impuls, einem Bedürfnis, mich auf irgendeine Art auszudrücken und erst dann schaue ich, wo das hinangelt. Doch in erster Linie geht’s ja darum, etwas zu machen, was authentisch ist, also etwas, das zu dir als Musiker passt. Dann stellt man sich die Frage, in welche Nische man schlüpfen kann. denn es gibt so viele extrem gute Metal Bands, extrem coole Black Metal Outfits und dann geht es darum, wie man sich da drin platziert. Wie kann man etwas auf die Beine stellen, das noch keiner gemacht hat, denn ich bin nicht daran interessiert etwas zu kopieren, was es schon mal gab oder gerade gibt. Ich gehe auch gerne das Risiko ein, Dinge zu tun, die mir gefallen, aber andere schockieren, weil sie gerne in ihrem Boxen denken. Dafür gibt es die anderen, die laut „JUHU“, endlich gibts mal was Neues”, rufen. Ich persönlich mag es, schockiert zu werden. Ich liebe es auch, provoziert zu werden und wenn mir jemand – sozusagen – meinen Horizont erweitert.Das ist auch das, was ich in meine Musik reingeben möchte. Aber ja, ich weiss natürlich, dass das für Kontroversen sorgen kann und dass man dann nicht jedem gefällt. Ich denke, der Mix, den wir haben, ist wirklich das Ergebnis unserer unterschiedlichen Zugänge zur Musik und den unterschiedlichen Spielarten, die wir gelernt haben. Vielleicht ist das die beste Erklärung. Gleichzeitig werden wir auch oft dem Symphonic Metal zugeordnet, irgendwie ja logisch, wenn klassischer Gesang und klassische Instrumente zu hören sind, dabei haben wir eigentlich keine orchestralen Sounds, die setzen wir gar nicht ein. Ich würde eher Kammermusik dazu sagen. Kammermusik oder auch FOLTERKAMMERMUSIK *lacht*, die Rezitale spielt, also wie kleinere Formationen innerhalb der klassischen Musik.

Vielleicht hat man ja den Begriff Symphonic Metal gewählt, um das Genre greifbarer zu machen. Vielleicht steht deswegen Symphonic Metal statt Kammermusik in der Beschreibung. 

Ja, man gibt dem ganzen eine Direktion, eine Richtung. Ins Detail geht man, wenn man mit den Leuten ins Gespräch kommt und die dann fragen: ‘ja was macht ihr da eigentlich’, dann erkläre ich das. Wenn der Dialog aufgrund der provozierten Nachfrage zustande kommt und man sich über Musik oder auch allgemeine gesellschaftliche Themen austauscht, ist man sich manchmal einig oder auch nicht. Es gibt aber ein Mittelfeld, in dem man sich treffen kann und übereinkommt. Das ist immer Bewegung drin und man provoziert was, man löst etwas aus bei den Leuten und dann gibt’s eine Reaktion. Das ist dann der Schnittpunkt, an dem man anfangen kann, zu diskutieren und zu schauen, wohin man sich bewegt. Wir wissen auch noch nicht, wo sich das alles hinbewegen wird, wo wir dann schlussendlich landen. Gehen wir mehr in eine Art “Metal in Opposition” oder doch in den symphonischen Bereich. In diesem Sinne ist es auch für uns spannend zu sehen, wo die Musik sich hin bewegt und wie die Leute sie dann aufnehmen. Das alles kann man nicht immer so genau vorhersehen.

Außerdem kommt es auch immer noch aufs Land drauf an. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und die Schweiz oder auch der deutschsprachige Raum hat ja doch ein bisschen was Konservatives oftmals. FOLTERKAMMER hingegen wurde in New York geboren und ich weiß nicht, was es braucht, um die Leute da zu schockieren, die kennen schon alles. *lacht*.

Da habe ich mir schon Gedanken gemacht, als wir kurz geschrieben hatten und du sagtest, ihr hättet einen Gig in Chicago. Man schätzt die Menschen in den USA auch als konservativ ein, zumindest dachte ich das.

Je nach Region stimmt das auch.

Der Gedanke war, dass ich mir anderssprachige Texte auch übersetze und das werden die mit euren Songs ja auch getan haben. Wie hat denn das Publikum auf die Lieder reagiert? Sind sie mitgegangen? Okay, viele werden die Musik kennen, aber war vielleicht doch der eine oder andere ein bisschen, sagen wir mal, erstaunt, wie intensiv dann auch alles rüberkommt?

Wir wollten auf der Tour vor allem die Erfahrung machen, wie die Songs live wirken und wie sich die Musik auf die Bühne bringen lässt. Wir wollten sehen was funktioniert und was funktioniert nicht, was können wir verbessern, was ist schon richtig geil und was kann man daraus weiterentwickeln. Die Leute haben extrem positiv drauf reagiert, es hatte jetzt niemand irgendwie schlechte Gefühle und ich hatte keine einzige Reaktion die negativ war – oder man hat es mir nicht gesagt. Ich denke mal die Leute die sich schon von Anfang an wahnsinnig abschrecken lassen, die kommen gar nicht erst. Interessant ist, dass ein Interviewer in einem Podcast zu mir sagte, dass der Süden Amerikas sehr konservativ christlich ist und Satanismus weniger blasphemisch ist, als wenn man offen über sexuelle Themen spricht. Da ist man tatsächlich viel provokanter unterwegs. 

Und hier möchte ich auf die Ursprünge von Black Metal verweisen. Für was steht Black Metal? Black Metal ist ja schon kein kommerzielles Genre innerhalb des Metal, sondern eher eine Randgruppe, würde ich jetzt mal sagen. Natürlich gibt es auch hier Bands, die bekannter geworden sind als andere, aber halt nicht so, als würden wir uns über Power Metal oder Melodic Death Metal unterhalten – die Reichweite ist nicht die gleiche. Black Metal gibt Musikern mehr Toleranz für experimentelle Sachen und hat etwas Ungeschöntes; ist rebellisch, ja fast punkig und die frühesten Produktion fand noch oft sozusagen in der Garage statt und wurde auch dort gemischt *lächelt*. Es waren also keine ästhetisch klingenden Sachen, an denen getüftelt wurde. Auch technisch die Spielart war ja nicht so wie im Death Metal z.B also sind andere andere Parameter, was man als Black Metal empfindet, was man darstellen oder ausdrücken möchte. Wir wollen bei FOLTERKAMMER mit starken Kontrasten arbeiten und das ist die klassische Musik, die extrem geschönigt und hochtechnisch ist, auch oft mit etwas elitären verbunden wird, denke ich. Dieser Kultur der Klassik steht die Gegenkultur des Black Metal gegenüber, die dagegen ankämpfen möchte. Früher war das vor allem die Religion, also das konservativ Religiöse. Heute ist es nicht mehr die Provokation, wenn überhaupt, dann vielleicht in konservativ christlichen Regionen, wo Satan doch noch irgendwie sauer aufstoßen kann. Aber mit was kann man denn heutzutage provozieren als Black Metal Band? Dazu habe ich mir Gedanken gemacht und bin dann auf dieses Thema der “Weibermacht” gestoßen – was eine Terminologie aus dem Kunst und kulturhistorischen Bereich ist und eine Kunstdarstellung ist, die zurückreicht bis ins Mittelalter wo Frauen als stark oder den Männern überlegen porträtiert wurden. Es gibt da ganz verschiedene Bilder,  Skulpturen, aber auch Alltagsgegenstände aus der damaligen Zeit, wo es immer darum ging, was als Provokation angesehen wurde. Beispielsweise eine Frau, die dem Mann übersteht und ihn herumkommandiert oder ihn entmännlicht. Gerade die Kirche nutzte dieses Thema, um die Menschen vor diesen Frauen zu warnen. Dazu wurden auch Geschichten von Mönchen aufgezeichnet und übersetzt und ich fand das als  spannendes Thema, also diese Art von Provokation einer starken Frau. Ich fragte mich, mit was wir heute eine starke Frau und da kam mir die Dominatrix in den Sinn. Die Dominatrix oder auch das Thema Feminismus wird immer noch als Provokation betrachtet, also etwas, worüber man eigentlich nicht so gerne redet; – man sieht zwar, es gibt da Probleme mit Ungerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, aber wirklich reden will niemand darüber.

Außerdem habe ich, wenn es um Provokation geht, nichts mit Religion am Hut und auch nicht mit Satanismus, zudem wurde das auch schon des Öfteren abgedeckt und noch dazu brillant abgedeckt, da muss ich das nicht auch noch wiederkäuen. 

Aber ich bin eine Frau, die ganz oft in sehr Männer dominierten Musikgenres spielt. Ob das jetzt Metal Jazz ist, Extreme Metal oder avantgardistischer Metal ist, es gibt nicht so viele Frauen, die in diesem Bereich tätig sind. Da kann man auch zum Progressive Rock und Metal schauen – überall ist Metal eine Art Man Forced Music und hat viel mehr männliche Player als weibliche und ich wusste dann, dass das hier mein Thema ist und ich mit meinen Texten provozieren werde. 

Ich habe mit meiner Band über diese Ideen gesprochen, da ich auch die bin, die die Texte schreibt und sie auch auf deutsch schreiben soll, da meine Bandmitglieder sagen das ihnen die Sprache so gut gefällt und sie deutschen Gesang für Metal Screams bestens geeignet finden, weil das extra böse klingt. *lacht*. Die Themen auf “Weibermacht” schleuse ich auch nicht an ihnen vorbei, ganz im  Gegenteil. Es sind Themen, die sie auch bewegen und wir tauschen uns darüber aus. Auch und gerade was die Videos anbelangt. Die Darstellung, die Kleider und so, das kommt alles von den Jungs. Wir tauschen uns seit dem ersten Tag darüber aus, was wir machen wollen, über wen ich singen möchte, was möchte ich porträtieren mag. Ich möchte meine Frauensprache in den Metal bringen und nicht einfach nur die Prinzessin darstellen oder versuchen so wie ein Mann zu agieren, sondern ich möchte ich sein und wer mich kennt weiß, dass ich ein sehr fröhlicher Mensch bin. Ich habe gerne Humor, ich habe gerne Satire und das Theatralische wird auch immer eine Rolle spielen, genauso wie das kabarettistische und komödiantische Ding. Und innerhalb des Metal-Genres, wo oft alles sehr ernst ist, kann ich mir auch vorstellen, dass das auch als eine Provokation verstanden wird – zwar gibt es auch theatralische Sachen, aber die haben einen anderen Ursprung und eine andere Intensität. Sowas Freches wie Panzerballett aus dem Metal Jazz gibt’s nicht beim Metal, oder ich kenne es noch nicht – ich lasse mich da ganz gerne eines besseren belehren. *lächelt*. 

Wie porträtierst du denn starke Frauen, wie äussert sich das auf “Weibermacht”?

Das fängt bei der Stimme an. Wir Menschen haben unterschiedliche Stimmfächer, ich bin ein sehr hoher Sopran und ich bin auch laut, also nennt man das dann dramatisches Stimmfach. Ich habe eine dramatische coloratur Sopran Stimme und da ist es logisch, dass ich starke Frauen porträtieren muss. Ich muss auch überzeugt sein von dem was ich da mache und es macht einfach Spaß solche Figuren auf die Bühne zu bringen – auf dem ersten Album war es eine bösartige Göttin – jetzt haben wir das Thema “Weibermacht” und da ist eben die Domina das beste Beispiel. Wir haben aber auch Zitate aus der Oper, es gibt Zitate von verschiedenen Frauenfiguren, die man aus der Oper kennt, aber auch Storys aus der Folklore, der populären Kultur und aus der Mythologie. Das Album ist gespickt mit kleinen Portraits, wo es um Weibermacht als Ganzes geht. Es geht eben nicht nur um BDSM oder Femdom und Dominatrix. Wo andere sich als Satanisten zeigen und sich mit Baphomet und so inszenieren, haben wir das jetzt über die Dominatrix gemacht und über diese BDSM Ästhetik. Doch es ist eben nicht nur das, sondern es geht um die Weibermacht insgesamt. 

Ich habe meine Review schon vor zwei Wochen geschrieben, wollte aber mit der Veröffentlichung noch warten, bis wir miteinander gesprochen haben. Ich habe den Kern des Albums verstanden und glaube, dass es nicht für jeden zugänglich ist, weil der Eindruck entstehen könnte, dass du Männer hasst, sag ich jetzt mal überspitzt.

An dieser Stelle lacht Andromeda sehr sympathisch und laut und sagt: ‘Ich liebe Männer’. 

Um das zu erklären: Ich habe mir die Videos angesehen und finde sie richtig stark. Ich finde auch die schauspielerische Leistung geil und könnte mir das auf einer Bühne gut vorstellen. Mir ging es durch die Videos ja fast auch so und ich habe mir überlegt: `Mache ich jetzt ein Interview mit dieser Frau, die da im Video zu ´Leck Mich!´ in dem Kostüm steht,, eine Peitsche in der Hand hält und richtig raushaut – fauchenden Black Metal, klasse Operngesang und so, oder eher nicht?’. Wohlwissend, dass du als Künstlerin jetzt im Interview nicht die Person bist, die ich im Video sehe, sind wir jetzt hier und ich bin froh darüber.

Weißt du, ich denke ich muss ja ein bisschen überspitzt sein. Das ist man ja auch, wenn man über Satan redet. Ich denke jetzt nicht, dass die meisten, die über Satanismus Songtexte schreiben, auch wirklich Satanisten sind. Wenn ich über eine Dominatrix rede oder über BDSM, das ja eigentlich ein Spiel ist – aus meiner Sicht ein sehr progressives, weil es ja immer um Konsens geht – stelle ich mir vor, wie inspirativ dieses Thema für uns als Gesellschaft sein könnte. Gerade in den ganzen MeToo Diskussionen oder auch bei anderen tragischen Ereignissen – ich als Frau weiß wovon was ich rede wenn ich sage: ‘man muss sich immer zweimal überlegen wie man sich anzieht, wo man abends um welche Zeit hingeht, nehme ich jetzt den Schlüsselbund in die Hand ja oder nein’. Ich glaube, die meisten Frauen haben schon in irgendeiner Form Übergriffigkeit erfahren und das sind ernst zu nehmende Themen und über die gilt es zu reden und zwar richtig.  

Wenn ich über dieses Thema Rede, aus dem BDSM Kontext heraus, also Texte verwende die in diese Richtung gehen, dann ist das einerseits eine Ästhetik, die andere Seite ist eine Art Türsprenger um eben auch – was ich hoffe – eine Diskussion zu starten in der man hinterfragt um was es im BDSM eigentlich geht. Dann kommt heraus, dass es eben nicht um Gewaltverherrlichung oder sonstiges geht. Es geht um einen ständigen Konsens, um Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen und respektiert werden müssen, und einen Ehrenkodex, der nicht gebrochen werden darf. Und jetzt stell dir mal vor, wie die Gesellschaft sich verbessern könnte, wenn wir dieses Bewusstsein hätten: ‚Hey, man soll doch bitte irgendwie dann Konsens einholen’, also im BDSM funktioniert das scheinbar. Ich finde es sehr spannend, dass man auch mal über so etwas reden kann und vielleicht versucht man dann auch mal, ernste Themen über sowas anzupacken.

Ich habe in vielen Gesprächen die Frage gestellt bekommen, wie mein Umfeld reagiert auf das, was ich tue. Mein näheres Umfeld wäre überrascht, wenn ich nicht das tun würde was ich tue. Diejenigen, die mich nicht so kennen, fragen ob BDSM nicht ein bisschen provokativ ist und dies und das und dann fängt man an zu reden. Beispielsweise über Statistiken zum Thema femizid in der Schweiz in Deutschland, über Lohnungleichheit, über so viele Themen die eigentlich wahnsinnig wichtig sind – mit Männern wie auch mit Frauen. Dazu ist die Kunst doch auch Kunst, um Diskussionen zu triggern, Türen zu öffnen und sich auszutauschen. Wir sollten auch nicht alle die gleiche Meinung haben, aber man sollte miteinander reden und wenn “Weibermacht” das schafft, dass ab und zu solche Gespräche ins Rollen kommen dann bin ich mehr als erfreut und dankbar darüber.

Wenn wir jetzt aber tatsächlich all diese Ernsthaftigkeit beiseite schieben und einfach mal nur den Fun-Aspekt in den Vordergrund stellen, ist es schon toll, als Sängerin sowas zu singen. Das kann im deutschsprachigen Raum schon so als ‘oho, die redet ja wie Pornofilm’ rüberkommen, zumindest phasenweise *lacht*, wer singt da schon mit? *lacht* Aber es hat für mich auch etwas Befreiendes, etwas Humorvolles und tatsächlich gibt es viele Männer die es lieben mal loszulassen und  – sozusagen – geführt zu werden und eben nicht immer den starken Mann markieren zu müssen und genau die zelebrieren wir auf diesem Album. Gleichermaßen zelebrieren wir starke Frauen und das nicht negativ, sondern, aus meiner Sicht, mit Freude. Klar, auch überspitzt und frech und ein bisschen over the Top, ein bisschen theatralisch und auch mit Kraftausdrücken. Aber das gehört für mich irgendwie auch in den Black Metal und dann ist es aber einfach und wirklich Spaß, also es macht Spaß sowas zu singen und zu porträtieren und damit zu kokettieren und zu provozieren. Wenn dann das opernhafte dazukommt: Eine große Stimme, viele Melodien und dann dann kann man so eine starke Frauenfigur spielen mit der Stimme wie z.B auf ´Anno Domina´, die erste Phrase die ich da singe ich über zwei Oktaven, das hört man auch nicht so oft und das ist technisch sehr schwierig zu singen – aber das macht so enorm viel Spaß und ich habe das Gefühl die Rolle einer Dominatrix darf das und das macht so viel Spaß. 

“Weibermacht” ist so vielfältig und es ist richtig stark, wie du auf der einen Seite den Operngesang machst, die Clearvocals singst und dann – meine Fresse – richtig brachiale Black Metal Vocals raushaust. Bei dir klingt das alles rund und man hört, dass du singen kannst. Diese Vielseitigkeit war es – auch in musikalischer Hinsicht – die mich gepackt hat Klar, mein 15jähriges ich hätte sich einen Spaß gemacht und die Texte laut in der Bahn gesungen *wir beide lachen*, aber heute habe ich eben einen anderen Blick auf das Gesungene. Natürlich muss ich immer noch an einigen Stellen schmunzeln, auch als mein Bruder und ich die Videos geschaut haben – das ist halt so.  Aber die Gesellschaftskritik, die in “Weibermacht” steckt, ist notwendig und ich bin froh, dass du deinen Mund aufmachst und ich darüber schreiben darf.

Weißt du, die Themen auf “Weibermacht” sind keine kommerziellen Themen, ich weiß, dass man damit nicht die breite Masse erreicht. Es sind auch keine leichten Lieder und keine easy peasy Musik, aber das ist ja auch das Ziel gewesen. Ich kann für alle in der Band reden: uns geht es darum, dass man als Musiker weiter wächst. Ich liebe Literatur, ich liebe Poesie, ich lese wahnsinnig viel und ich liebe es mit Sprache zu spielen, das merkst du auch in den Texten – sowohl auf “Weibermacht” als auch auf unserem ersten Album. Ich zitiere ständig Dinge aus der populären Kulturliteratur z.B in ´Die Unterwerfung ́, den du vorhin erwähntest, da fange ich an mit ‘Hoppe Reiter, wenn er fällt dann schreit er…’, dann kommen zwei verschiedene Zitate auch auf Mittelalterdeutsch, aus zwei unterschiedlichen Epochen. Das sind Texte über die Geschichte von Aristoteles und Phyllis, die ich zitiert habe, von denen es eine Straßburger und eine Benediktbeuern Fassung gibt. Dann folgt das Zitat ‘Schon der Professor Socrates hatte es mit den Frauen schwer’, dass von der deutschen Schauspielerin und Sängerin Margot Hielscher stammt und zwar aus dem Lied ´Frauen sind keine Engel`.

Nachdem Andromeda das Lied von Margot Hielscher nannte, sang sie ein kleines Stück aus dem Lied von 1943 und ja, diese Frau kann singen, ich bekomme jetzt noch Gänsepelle. 

Ein ganz amüsantes Lied und da kommt eben diese Phrase ‘schon der Professor Sokrates, hat es mit seinen Frauen schwer’, und ich dachte ‘juhu, was für ein toller Satz, den nehm ich, spinne die Geschichte weiter und mache eine zeitgenössische Story daraus für “Weibermacht”. Ich liebe es Dinge zu zitieren, Texte wie Patchworks zu machen, sie wie in einem Schüttelbecher zu wirbeln und danach erneut mit den Wörtern zu spielen – ich liebe das einfach. Und da FOLTERKAMMER  nicht auf Kommerz ausgerichtet ist, habe ich unbegrenzte Möglichkeiten um zu probieren. Ich nutze auch ganz ungeniert diese alten Platten aus den 1930er Jahren, da gibt’s so viele deutsche Lieder die wahnsinnig toll sind wie die von Friedrich Holländer geschriebenen Songs die Marlene Dietrich gesungen hat. Auch die Texte aus den 1920er sind frech und goldig. Es gibt so viel „goldiges Liedergut” aus dem deutschsprachigen Raum und Sängerinnen wie Nina Hagen mit ihrem ersten Album das sie in Westberlin mit der Nina Hagen Band aufgenommen hat: Großartig, mit total frechen Texten und provokativ auch schon zu der Zeit. Sie singt über Abtreibung und Frauenrechte und anderen Themen die extrem gesellschaftskritisch aber immer sehr humorvoll und theatralisch gesungen – das hat mich als kleines Mädchen schon umgehauen und ich finde es auch heute noch immer toll. Es ist auch noch immer zeitgemäß, also klar, die Themenschwerpunkte haben sich teils verändert, aber um was es im Prinzip geht, scheint ja immer noch da zu sein.

Mein Ziel war es, das in den Metal reinzuziehen, weil ich Metal und seine Intensität liebe. Diese Wucht, die der Metal hat, diese Freude an Größe, das ist Wahnsinn und ich möchte diese Welten miteinander verknüpfen, denn Metal Rebellion und ich glaube das passt zusammen. Selbst wenn es für viele Leute ein sehr krasser Kontrast ist. Ich kann nirgends so frech, so provokativ und so viel aus mir rausholen, als wenn ich Musik mache, die an den Grenzen spielt und über die Grenzen hinausgeht, sie sogar sprengt. Das geht aber eben nur, wenn das, was wir tun, nicht darauf ausgerichtet ist, kommerziell zu sein.

FOLTERKAMMER ist theatralisch, FOLTERKAMMER ist Drama und es ist frech und es ist Provokation, aber auch Spaß. Ich hoffe, dass die meisten Leute dann doch irgendwie auch den Humor darin sehen können und hören, dass wir uns auch mal selber auf den Arm nehmen können, weißt du was ich meine? Wir möchten ja nicht SATAN schreien und rausgehen um eine Ziege aufschlitzen, wir sind nicht so. *lacht*

Ja, das wei ich und das höre ich auch raus, es gibt ja Songs und auch Stellen in den Videos, bei denen man das gut erkennen kann. Ich habe aber schon des Öfteren gehört, dass Labels mit deutschen Texten nicht ganz so glücklich sind. Wie war das denn bei euch und Century Media Records?

Tatsächlich war Century Media von diesen Texten begeistert und es war ein Grund, warum das Label auf uns aufmerksam wurde. Es wurde sogar im Wörterbuch geblättert, um zu verstehen, was wir singen. Unsere Texte gefielen Century Media also richtig gut. Ich habe ja früher immer auf Englisch geschrieben und jetzt war es für mich total komisch, dass alle plötzlich Deutsch hören wollen. Mir liegt die Muttersprache natürlich und ich singe gerne auf Deutsch, denn da habe ich mehr Variationen mich auszudrücken. 

Ich war davon überrascht, dass das mit Century Media so zustande gekommen ist und freue mich natürlich darüber. Gleichzeitig ist es doch ein großes Label, das die Passion hat auch extreme und nicht unbedingt kommerzielle Musik zu unterstützen. Da ist sehr viel Diversität und ich liebe Diversität.

Wir hatten ja “Die Lederpredigt” und jetzt “Weibermacht” und wer weiß was als nächstes kommt, da wollen wir uns auch selber überraschen und ich finde es schön, einerseits von der Band dass sie wollen dass wir deutsche Texte machen, als auch das es vom Label begrüßt wird. Denn Deutsch ist so eine tolle Sprache, so eine poetische Sprache und ja, es freut mich natürlich sehr, wenn ich dann darin unterstützt werde. Mir ist natürlich das “Risiko” bewusst, dass man meine Texte verstehen kann. 

Für mich klingen die deutschen Texte, dein Gesang – egal ob Klar, Growl, Oper oder Fauchgesang – und die musikalische Inszenierung rund und ich mag die Art wie ihr Musik macht. Das möchte ich an dieser Stelle sagen und kann Century Media nur beglückwünschen. Da das Thema BDSM doch sehr groß und umfangreich ist, würde mich interessieren, woher du deine Inspiration genommen hast. 

Ich bin von meinem Naturell her ein sehr obsessiver Mensch und wenn mich dann mal was packt, bin ich irgendwie im Hyperfokus Modus. Bevor ich angefangen habe die Texte zu schreiben, habe ich mich monatelang durch Bücher gewälzt, durch Dokumente und folklorische Geschichten und habe ganz viel BDSM Lektur gewälzt – es waren locker 30 Bücher und etliche Textdokumente. Ich habe Femdom-Pornofilme geguckt und habe bei einer professionellen Domina Unterricht genommen. Ich habe also einerseits Recherche gemacht und bin andererseits sozusagen ins Feld gegangen, habe mit Informanten gesprochen und habe ganz viele Interviews mit verschiedenen Leuten geführt, die kinky sind oder die, die sich mit diesem Thema auf irgendeine konkrete oder distanzierte Art befassen. Ich habe auch Serien und Musik aus diesem Gebiet zu rate gezogen und on top kam auch noch meine Persönlichkeit ins Spiel, also meine Art des Schreibens oder mein O-Ton, wie ich mit diesen Texten umgehe.

Wenn ich mich dann so fühle, als wäre ich im 15. Monat schwanger – also mit Ideen und Inspiration – dann fange ich an zu schreiben und dann ist es aber auch ein natürlicher Prozess, weil ich mir die Thematik so verinnerlicht habe, dass sich alles schreibt wie von alleine. Da ich komplett “übersättigt” war, hätten wir noch mehr Songs veröffentlichen können. Schlussendlich ist es immer so, dass ich eine lange Vorbereitungszeit habe, dieses “Gemisch” in mir drin und dann muss es irgendwie raus. Ab da übernahm mein O-Ton  –  aber die Vorarbeit war schon enorm. Ich habe beispielsweise Birgit Nilsson, die dramatische Sopranistin oder auch Angela Gossow gehört, weil sie so etwas rohes in ihren Screams hat oder Cattle Decapitation, Mike Patton und Nils Frykdahl, das ist dann was, dem möchte ich nachgehen. Klar, ich kann nicht klingen wie der oder die. Ich bin ja ich und klinge auf meine Art. Das Schöne an FOLTERKAMMER ist, das es verschiedene O-Töne gibt, da jeder in dieser Band komponiert – Melodie und Text mache ich, weil es sich logischerweise anbietet – aber jeder bringt sein Ding mit ein und FOLTERKAMMER ist dann das, worauf wie uns einigen können.

Ich finde das einen schönen Schlusssatz und möchte mich sehr für deine Zeit, deine ausführlichen Antworten und dieses informative, lustige und sehr entspannte Interview bedanken. Ich hoffe, dass ich diese Energie, die selbst im Interview aus dir heraus sprudelt, auch mal live erleben darf, wenn du mit FOLTERKAMMER in Europa unterwegs bist. Vielen Dank, liebe Andromeda Anarchia und viele Grüße an deine Bandkollegen nach New York.

Interview: Tobi Stahl
Photocredits: Alex Krauss, Bandarchiv, Facebook