
POOR GENETIC MATERIAL
Titel: PASTORAL
Label: Independent
Spieldauer: 45:33 Minuten
VÖ: 03. Oktober 2025
POOR GENETIC MATERIAL, die Prog Rocker aus der Kurpfalz, verbringen scheinbar viel Zeit kreativ. Und so dauerte es gerade ein Jahr, bis zu neuem Hörstoff. Nachdem der Vorgänger „Possibilities“ in der vollen Besetzung entstanden ist, allerdings dieses mal wieder in einer kleinen Besetzung als Quartett.
Erstmals habe ich ihre Musik kennen, und vor allem lieben, gelernt, mit ihrer Shakespeare-Vertonung „Island Noises“ von 2011. Das war wahrlich ein Dauerbrenner in meinem Player. Darauf gekommen bin ich eher durch Zufall, weil ihr Hauptsänger Philip Griffiths ja auch die Mannheimer Alias Eye stimmlich veredelt. Und dessen Vater Martin, dessen ´Time Machine´ mit Beggar’s Opera jedes Jahr wieder in den „Tausend Größten Hits“ diverser Radiosender wie SWR1 auftaucht, war da auch mit dabei. Seit diesem Album würde ich mich als Fan bezeichnen.
Und jedes Album, das seitdem bei mir gelandet ist, ist mir grandios reingegangen. Mit einer Ausnahme. Mit „A Day In June“ tu ich mich noch heute schwer. Warum, kann ich gar nicht sagen. Die will mir einfach nicht so ins Ohr gehen. Dafür alles danach. Egal, ob das Septett mit dem kompletten Besteck angetreten ist, oder eben in verkleinerter Besetzung. Da hat wirklich alles an der magischen Zehn gekratzt.
Wer ein wenig auch alte Musik hört, kennt vielleicht Beethovens 6. Sinfonie. Das ist die mit dem Beinamen „Pastorale“. Eben diese Stimmung verbreiten auch viele Maler des Rokoko wie Watteau oder Lancret mit ihren Bildern pastoraler Themen. Das Wort kommt aus dem Latein und bezeichnet den Hirten. Darum auch das Wort Pastor für den christlichen Priester, soll dieser seinen Gläubigen ein guter Hirte sein. Das einsame Schaf auf einer Weide, das das Cover dieses Albums ziert, passt also schon wunderbar als Klammer zwischen den vermeintlichen Bedeutungen des Titels und der Musik. Vermeintlich schon deswegen, weil jeder Hörer wohl etwas anderes versteht. Weil es vielleicht auch gewollt ist, dass jeder etwas anders versteht.
Genauso pastoral wie Titel und Cover kommt die Musik daher. Weite Klanglandschaften wollen erforscht werden. Da reicht ein Blick nicht. Oder, genauer gesagt, einmal reinhören. Denn, im Vergleich zu den letzten Alben, „Pastoral“ geht eben mal nicht so gleich ins Ohr. Die sechs Stücke wollen ganz langsam überzeugen. POOR GENETIC MATERIAL starten keinen abrupten Überfall. Sie versuchen mit Schmeicheln und Flirten zu überzeugen.
Ihre neue Musik ist wie ein Gewässer. Man steht auf einer Alm oder in einem Tann. Irgendwo rauscht ein kleiner Bach. Er plätschert. Er säuselt. Er rauscht. Folgt man ihm, wir er weiter und breiter. Am Ende mäandert ein Strom durch eine sehr idyllische Landschaft. Und, ehrlich gesagt, es gibt Momente, da finde ich es schon fast zu idyllisch. Genau in diesem Augenblick kracht etwa in ´Fur And Skin´ ein harsches Solo aus Gitarre und Keys ins Ohr. Ich freue mich im Metal immer mal, wenn ein paar stille Momente eingebaut werden. Hier geht es mir genau anders herum. Hier finde ich es wirklich erholsam, wenn es mal etwas lauter wird.
AAAABER, bitte, nicht falsch verstehen. Das ist kein Meckern. Denn „Pastoral“ ist tatsächlich wunderschön. Vielleicht nicht beim ersten Mal. Aber, es wächst. Wie ein Körnchen. Ist der Samen erst im Boden (oder eben hier im Ohr) und er beginnt zu keimen und zu wachsen, dann spürt man die Wärme, die Leichtigkeit und das Glück.
So wie das Glück auf den Gemälden mit den rastenden, tanzenden und flirtenden Hirten zu Zeiten von Watteau.
Mario Wolski vergibt 9 von 10 Punkten