POOR GENETIC MATERIAL
Titel: POSSIBILITIES
Label: Independent
Spieldauer: 43:06 Minuten
VÖ: 12. April 2024
Mit „Possibilities“ gibt es ein neues Lebenszeichen der Heidelberger Proggies POOR GENETIC MATERIAL. Die beweisen einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit. Seit dem Jahre 2000 ist das das immerhin auch schon dreizehnte Album. Nachdem der Vorgänger „Elsewhere“ in kleiner Besetzung als Trio entstanden ist, sind jetzt alle sieben Mitglieder wieder vertreten, die seit 2011 in dieser Zusammensetzung spielen.
Die rhythmische Grundlage der sechs Lieder werden von Bassist Dennis Sturm und Dominik Steinbacher am Schlagzeug gelegt. Da geht es, wie man es schon kennt, nicht Eins-zwo-drei-vier und geradeaus. Da werden schon eine Menge Schlenker eingelegt, im Jazz geplündert und sogar nach Südamerika geschielt. Über diesem Grund mäandern Gitarren und Keyboards mit Stefan Glomb und Philipp Jaehne. Saiten und Tasten umarmen sich, umtanzen einander, verweben sich und gehen wieder auseinander. Damit entwickelt die in Heidelberg ansässige Band eine ganz eigene Klangwelt. Natürlich darf man sich entfernt an Genesis oder Yes erinnert fühlen. Natürlich sollte auch Alias Eye erwähnt werden, deren Sänger Philip Griffiths ein wichtiger Teil auch von PGM ist. Zusammen mit Flötistin Pia Darmstaedter sorgt er für die einfühlsamen und fesselnden Melodien. Hier fällt auf, im Vergleich zu früheren Alben wurde noch mehr Augenmerk gelegt auf Satzgesang und Chöre.
Einer fehlt noch. Eine Stimme tauchte erstmals auf „Island Noises“ 2011 auf und seitdem immer wieder. Ein bisschen ist POOR GENETIC MATERIAL auch eine Vater-Sohn-Geschichte. Ohne, dass sie sich gegenseitig die Luft zum Atmen nehmen singt neben Philip auch dessen Vater Martin immer wieder für PGM. Dieses Mal hört man den Ex-Sänger der Schotten Beggar’s Opera auf ´Old Buffoon´. Diese Nummer fällt insofern schon auf, weil die Band, wie ich finde, noch nie so nahe an Popmusik war. Hier schlagen ganz klar psychedelische Einflüsse durch. Und die Beatles. In einer gerechten Welt wäre das, mehr als fünfzig Jahre nach ´Time Machine´ ein Hit für Martin Griffiths.
Doch das absolute Highlight ist der Longtrack ´An Island In Time´. Hier vereinen sich Spannung und Pathos, Verspieltheit und Atmosphäre, Traum und Wachheit, fallen und schweben. Hier haben sich POOR GENETIC MATERIAL tatsächlich noch einmal selbst übertroffen. So bleibt am Ende nur der Wunsch zu äußern, den nicht nur ich seit vielen Jahren hege. Spielt doch endlich mal live.
Ein Dankeschön noch am Ende. Endlich habe ich den Witz eines alten Albumtitels verstanden. Beziehungsweise überhaupt erst verstanden, daß „Nursery Cryme“ eine witzige Wortspielerei ist.
Mario Wolski vergibt 9,5 von 10 Punkten