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THE VIRUS PROJECT – Der Underground lebt

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Das Corona-Jahr 2020 wird mit Sicherheit als eines der schwärzesten in die (Musik-) Geschichte eingehen, aber wie so oft fördern schlechte Zeiten bei vielen Menschen erfreulicherweise nicht nur Trübsal und Selbstmitleid, sondern vielmehr Gemeinschaftssinn und Solidarität. So haben sich ein paar namhafte deutsche Musiker zusammengetan und unter dem Namen THE VIRUS PROJECT eine EP produziert, deren Erlös aus Spenden komplett der gebeutelten Essener Clubszene zugutekommt. Wir unterhielten uns mit Gregor Vogt, dem Initiator dieser großartigen Aktion, um mehr über die interessante Geschichte von THE VIRUS PROJECT zu erfahren.

Hi Gregor, nachdem du erst im Mai das überragende dritte Album deiner Band GREYDON FIELDS auf deinem Label ROLL THE BONES-Records rausgebracht hast, ist dir wohl langweilig geworden…oder warum hast du nun mit THE VIRUS PROJECT, wo du für das komplette Songwriting verantwortlich zeichnest, noch ein Eisen ins Feuer geworfen?

Haha, so ungefähr. Durch die aufgrund von Corona abgesagten Gigs bot sich das so an. Songs zu schreiben macht mir Spaß und ich fand es sehr verlockend, das Jahr 2020 sinnvoll zu nutzen und selber aktiv zu werden, anstatt zu hoffen, dass es „irgendwie“ weitergeht.

Mit THE VIRUS PROJECT unterstützt ihr die Essener Club Szene. Wie ist es denn gerade um die Kulturszene im Ruhrgebiet bestellt? Wird der Viehofer Platz nächsten Sommer noch so aussehen, wie wir ihn kennen?

Das weiß ich leider auch nicht. Wie lange kann man sich ohne Einnahmen über Wasser halten, wenn Kosten wie Miete ungebremst weiterlaufen? Im Sommer konnten die Clubs noch etwas Geld mit Biergartenbetrieb etc. verdienen. Viele haben auch Merch, wie spezielle Shirts oder Vinyl, verkauft. Im Winter sieht das aber alles schon viel schlechter aus und der Lockdown im November macht es noch schwieriger. Unser Ziel ist es, mit unseren bescheidenen Mitteln zu helfen. Die CD wird 10 EUR kosten, damit decken wir unsere Produktionskosten, also Studio und Presswerk. Der Käufer hat aber die Möglichkeit, den Betrag von 10 EUR selbst zu erhöhen. Dieser zusätzliche Betrag wird dann 1:1 den Clubs überwiesen. Wer also freiwillig 15 EUR für die EP zahlt, hat 5 EUR an die Clubs gespendet. Wir hoffen, dass die EP gut ankommt und viele Leute mitmachen und spenden. Über den Spendenstand werden wir regelmäßig informieren. Die CD kann man auf Bandcamp kaufen, sie wird aber NICHT als Stream verfügbar sein. Da verdienen nur Plattformen wie Spotify und alle anderen gehen leer aus. So hat man aber auch wirklich etwas Besonderes im heimischen Regal. Die Auflage ist auf 300 Stck. begrenzt.

Du hast ja als Musiker und Labelchef gleich zwei Ohren an der Basis. Wie ist die Stimmung insgesamt im Metal-Underground?

Ich würde mich jetzt nicht als DER Undergroundkenner hinstellen. Ich weiß aber, dass viele Bands das Jahr nutzen und an neuen Alben arbeiten. Insofern hat Corona hoffentlich auch eine kreative, positive Seite. Unlängst war zu lesen, dass THE VIRUS PROJECT der letzte Release deines Labels RTB sein soll, was ich sehr bedauern würde. Stimmt das? Und falls ja, hat das auch mit Corona zu tun oder hat es andere Gründe?

Ja, ich spiele mit dem Gedanken schon eine ganze Weile. Mit Corona hat das nichts zu tun. Ich möchte mich auf der einen Seite wieder mehr der Musik und dem Songwriting widmen, auf der anderen Seite sind es noch ein paar private Dinge, die wichtiger geworden sind. Ausserdem werden alle Bands weiterhin tolle Alben schreiben, ob mit oder ohne Roll The Bones Records. Da sollte man so ein kleines Label nicht überbewerten, zumal man als Band auch alle Möglichkeiten hat, Musik selbst zu veröffentlichen.

 

Euer Bassist Frank Stellmacher ist ja auch Mitbegründer der Facebook-Gruppe „Heavy Metal Fans“, mit über 5000 Mitgliedern. Welche Rolle spielt diese Gruppe für dich und deine Projekte?

Eine sehr große. Die Gruppe ist etwas Einzigartiges, mit ganz vielen netten Leuten. Was in der Gruppe schon alles auf die Beine gestellt wurde… Man denke an die „Curry“ Aktion, bei der die indische Band AGAINST EVIL nach Deutschland eingeflogen, und eine Tour organisiert wurde. Nirgendwo sonst kommen soviele Metalbegeisterte zusammen, die sich aus der Gruppe heraus auch privat treffen, obwohl man sich vorher gar nicht kannte. Du bist ja selbst auch in der Gruppe. Die Admins leisten da wirklich hervorragende Arbeit und Frank ist einer davon. Was mir vor allem gut gefällt, ist die gegenseitige Unterstützung. Das ist schon fast wie eine Familie. Oder besser. Je nachdem.

Lass uns zu THE VIRUS PROJECT kommen: Wie bist du zu deinen Mitstreitern gekommen und was macht diese Konstellation aus deiner Sicht so besonders?

Ich glaube, ich habe ziemlich zeitgleich Markus Siegemund (Drums) und Frank Stellmacher (Bass) angeschrieben und gefragt, ob sie Interesse an einem gemeinsamen Corona-Metal- Projekt hätten. Markus kenne ich über seine Ex-Band TOMBSTONE, mit denen er auch ein Album über mein Label herausgebracht hat. Zudem hat er auch schon einmal bei meiner eigenen Band GREYDON FIELDS an den Drums ausgeholfen. Frank kenne ich über die von Dir genannte Facebook-Gruppe und durch seine Band GHOSTHER, deren Album ich erstklassig finde. Beide fanden die Idee sofort klasse und haben direkt zugesagt. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon zwei Songs für das Projekt geschrieben und sie ihnen geschickt. Zu dem Zeitpunkt hatte ich den Björn Gooßes von THE VERY END / HARKON schon geistig als Sänger im Hinterkopf, nur er wusste noch nichts davon, haha. Da Björn sowohl mit seinen zwei Bands, als auch als Grafikkünstler bei Killustrations, zeitlich immer stark eingebunden ist, hat es mich dann tatsächlich auch etwas Überzeugungskraft gekostet ihn an Bord zu holen. Lange wusste ich nicht ob es überhaupt klappen würde. Einen Plan B hatte ich aber auch nicht. Dann kam irgendwann die Idee, vier statt zwei Songs aufzunehmen und diese als EP zu veröffentlichen. Mit nur zwei Stücken ist man ja irgendwie limitiert. Also habe ich noch 2 weitere Songs geschrieben. Das waren dann die beiden Songs, die zu „My Personal Demon“ und „We Are The Virus“ wurden. Zu dem Zeitpunkt war dann klar, dass mindestens ein zweiter Sänger dabei sein muss, weil Björn nicht die Zeit haben würde vier Songs mit Texten und Gesangslinien auszuarbeiten und zu singen. Es waren dann auch mehrere Sänger im Gespräch. Mit Olaf Reimann von RA’S DAWN war die „Band“ dann vollständig.

War es vorgesehen gleich zwei Sänger zu involvieren oder waren vielleicht noch mehr geplant?

Ursprünglich war tatsächlich nur Björn als Sänger geplant, dann sind es mit Olaf zwei geworden. Das war so nicht geplant, aber ich bin sehr froh, dass es sich so entwickelt hat. Das macht die EP zu etwas Besonderem. Aber Du meinst, ob NOCH mehr Sänger geplant waren? So wie bei Arjen Lucassen/Ayreon oder Tobias Sammet/Avantasia? Nein. Das hätte den sicher den Rahmen gesprengt.

Nun finden sich in TVP Elemente aus GREYDON FIELDS, GHOSTER und THE VERY END, gleichwohl klingt TVP trotzdem sehr eigenständig und fast schon thrashy. War das eure Absicht oder ein natürlicher Prozess?

Die vier Songs stammen ja instrumental alle aus meiner Feder, da komponiere ich einfach „frei Schnauze“ und mache mir nicht allzuviele Gedanken. Das „thrashige“ ist bei mir quasi immer irgendwie unterbewusst vorhanden, das ist die Musik mit der ich in den 80ern aufgewachsen bin. Aber jeder der anderen Jungs hat sich natürlich kreativ eingebracht und den Songs den eigenen Stempel aufgedrückt. Wir haben meine Demos auch umarrangiert, wenn es dadurch besser zum Gesang gepasst hat. Björn hatte da wirklich tolle Ideen. Beim Song „We are the virus“ haben wir den ursprünglich angedachten Refrain zur Strophe umfunktioniert und einen instrumentalen Part zum Refrain. Da waren wir sehr kreativ. Spannend war vor allem, was Björn und Olaf gesangstechnisch aus den Songs machen würden, die es instrumental ja schon gab. Das hat uns dann wirklich umgehauen und die beiden haben die Songs um mindestens 200% aufgewertet.

Der Opener ‚The Root Of Evil‘ hat mich schon ohne Vocals richtig vom Hocker gehauen, aber mit dem Gesangsduell zwischen Björn Gooßes und Olaf Reimann war ich dann richtig geplättet als ich den fertigen Song hörte. Der Track ist immer noch mein Favorit, auch wegen deiner coolen Gitarrenlicks. Hast du einen Favoriten auf der EP?

Ich muss mich zum Glück nicht entscheiden, denn ich finde alle Songs haben etwas Besonderes und sind nicht direkt miteinander vergleichbar. „My Personal Demon“ ist vielleicht etwas eingängiger als die anderen drei Songs. Das finde ich auch mal ganz interessant und die Hookline geht sofort ins Ohr. Die anderen drei Songs sind wahrscheinlich etwas sperriger, werden aber durch den melodiösen Gesang von Olaf und Björn wieder zugänglicher. Vielleicht so ein bisschen wie bei Nevermore? Ich bin echt auf die Reaktionen gespannt. „My Personal Demon“ haben wir ja auch schon als Youtube Video veröffentlicht.

Ist das Homer Simpson, der ‚My Personal Demon‘ einleitet? Der Text stammt von Drummer Markus Siegemund. Welche Dämonen haben ihn denn da getrieben?

Haha, ja das ist Homer Simpson am Anfang. Die Idee und auch das Intro mit dem Bass im Hintergrund stammen von Frank. Wir fanden das total cool. Der komplette Text stammt dann von Markus. Es geht um den oder die inneren Dämonen, die man mehr oder weniger mit sich herumträgt. „I have learned to love what he creates“ heißt es in der ersten Strophe selbstkritisch. Das kann für jeden etwas anderes sein. Einfach mal das Lyricvideo ansehen. Ein großartiger, durchdachter Text mit Köpfchen.

Bei der dritten Nummer kommen Lyrics und Gesang von Olaf Reimann (RA`S DAWN). Eine sehr heftige Nummer für einen Prog Metaller mit dem zur Zeit fast schon sarkastischen Titel ‚And That`s Why I Laugh (Lateral Thinker)‘. Ist das Olaf berühmt berüchtigter (Galgen-)Humor?

Definitiv. Galgenhumor ist wohl das richtige Wort. Du kennst Olaf ja sogar besser als ich, da er aus Koblenz kommt. Hier geht es inhaltlich um die sogenannten „Querdenker“, von denen man leider immer wieder hört. Olaf bezieht hier sehr eindeutig Stellung. Für Corona Leugner und Querdenker ist unsere EP übrigens nicht geeignet. Von RA’S DAWN gibt es aber doch auch einge heftige Songs. Zum Beispiel „Revenant Soul“ vom letzten Album. Tolles Album übrigens.

Zum Abschluss kommt dann noch die Bandhymne ‚We Are The Virus‘ aus der Feder von Björn Gooßens, unter Beteiligung von Martin ‚Maddin Schachtvier‘ Rosemann. Ein großartiges Leadduell, das du dir da mit ihm lieferst. Könntest du dir vorstellen dauerhaft mit einem zweiten Gitarristen zu arbeiten?

Grundsätzlich ja. Bislang hat sich das aber immer irgendwie als schwierig erwiesen. Oft waren es zeitliche Probleme, was z.B Proben anging. Also blieb es dann z.B. bei Greydon Fields bei mir als einzigem Gitarristen. Das klappt ja auch. Martin hörst Du hier allerdings nicht im Soloduell, sondern im Refrain „…we are the virus…“, auf einer der beiden Lead-Gitarren. Und auch in dem Instrumentalpart vor dem letzten Refrain. Wir spielen beide die gleiche Melodie, in unterschiedlichen Oktaven. Martin hat hier die tiefere Gitarre. Wir hatten uns zufällig bei YEAH! Records, einem Plattenladen hier in Essen getroffen. Dort meinte er, dass er gerne mal wieder ein Album einspielen würde. Ich fragte ihn also direkt, ob er nicht einen Gastbeitrag auf unserer EP einbringen wolle. Er war sofort begeistert. Anschließend habe ich ihm die Spuren zugeschickt und bin dann irgendwann mit meinem Aufnahmezeugs bei ihm vorbei gefahren und er hat es eingespielt.

Letzte Frage: Ist TVP eine einmalige Sache oder können wir auf eine Fortsetzung hoffen?

Geplant ist THE VIRUS PROJECT tatsächlich als einmalige Sache. Aber irgendwie macht es auch Spaß mit verschiedenen Leuten zusammenzuarbeiten. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, hin und wieder an so einem Projekt zu arbeiten. Jetzt sind wir aber erst einmal gespannt, wie unsere EP ankommt. Freut mich, dass Dir die Songs gut gefallen.

Danke für das Interview, Alex! Bleib gesund.

 

Die EP kann hier bestellt werden:

https://thevirusproject.bandcamp.com/