SWARTZHEIM sind im Hardcore- und Crossover-Underground schon recht bekannt, was Veröffentlichungen angeht sind die Dänen jedoch echte Newcomer. Die fünf Mucker aus Randers spielen roh, ehrlich, physisch, mit der ungeschliffenen Energie einer Band, die nichts beweisen muss. Seit 2018 stehen sie auf den Bühnen von u.a. Wacken, Copenhell und Co., ohne vorher ein Album draußen gehabt zu haben – das allein sagt schon einiges über ihre Live-Wucht. Jetzt kommt mit “Wounds” das Debüt heraus und verspricht kompromisslosen und authentischen Extreme Metal. Ich habe mit Gitarrist Joe Thinggaard Timmins gesprochen – über Entstehung, Haltung, Frust, Freundschaft und warum man manchmal einfach schreiben muss, was man selbst geil findet.
Tobias: Hey Joe, danke dir, dass du dir Zeit nimmst! Wo erreiche ich dich gerade – zu Hause, im Proberaum, bei der Arbeit oder schon wieder unterwegs? Und wie geht’s dir heute – eher entspannt oder schon wieder mit brennendem Kopf?
Joe: Gerade bin ich zu Hause und mir geht’s super! Irgendwie entspannt, aber auch richtig aufgeregt – wir stehen kurz davor, unsere Release-Partys zu spielen und endlich unser Debütalbum rauszuhauen.
Tobias: Ihr kommt aus Randers (DK)! Der Name sagt mir tatsächlich was – ich bin mir ziemlich sicher, dass irgendwann mal ein deutscher Erst- oder Zweitligist gegen Randers FC gespielt hat. Den Club gibt’s noch, oder? Und mal ehrlich: Interessieren sich die Leute da überhaupt für Fußball, oder gilt bei euch eher „Metal > alles andere“?
Joe: Ja, den Club gibt’s noch. Leider mögen in Randers mehr Leute Fußball als Metal. Aber die Szene wächst! Keiner von uns interessiert sich groß für Fußball – außer unser Bassist Ebbe, der steht auf Brøndby.
Tobias: Ihr seid SWARTZHEIM, aktiv seit 2018, mit etlichen Liveshows – sogar auf dem Wacken Open Air und Copenhell – und das alles, bevor überhaupt ein Album draußen war. Jetzt kommt euer Debüt „Wounds“. Für alle, die euch noch nicht kennen: Wer seid ihr, wer spielt was, und was hat euch ursprünglich in Richtung Metal, Hardcore und Crossover gezogen?
Joe: Im Grunde sind wir einfach ein paar Typen, die harte Musik lieben und zusammen spielen, um zu sehen, wie weit wir’s bringen können! Ich spiele Gitarre, dann gibt’s Niels an der zweiten Gitarre, Ebbe am Bass, Vester am Schlagzeug und Jeppe am Mikro. Wir haben alle mit Thrash Metal angefangen, und vieles im Hardcore oder Crossover liegt da gar nicht so weit weg – Bands wie Hatebreed, Biohazard oder Madball zum Beispiel. Lange war’s in Dänemark nicht leicht, eine Thrash-Band zu sein, weil das Genre hier oft belächelt wurde – so nach dem Motto: “Das ist doch nur Musik für Betrunkene, die Pizza lieben.” Death Metal war immer das Ding in DK. Wir wollten aber einfach unser eigenes Ding machen, verschiedene Einflüsse mischen, was Neues schaffen. Und am Ende schreiben wir das, was wir selbst geil finden – wenn’s uns nicht kickt, wird’s andere auch nicht tun.
Tobias: Bevor wir weitermachen: Erstmal Glückwunsch zum Album! Viele Bands hauen nach einem Jahr direkt ihr Debüt raus – ihr habt euch Zeit gelassen. Warum? War das Absicht, um euch erst live zu formen, oder hat das Leben einfach dazwischengefunkt?
Joe: Ich glaube, es dauert einfach, bis eine Band wirklich ihren Sound findet. Wir haben bestimmt zehn, zwölf Songs, die älter sind, aber die sind nicht auf dem Album, weil sie uns irgendwann zu unausgereift vorkamen. Wir wollten etwas, das originell klingt, auf das wir stolz sind. Und ehrlich gesagt: Ein Album kostet Geld. Wir waren Anfang zwanzig und Studenten – da mussten wir sparen, um die Produktion so hinzubekommen, dass sie nach dem klingt, was wir live abliefern. Also ja, das Warten hat sich gelohnt.
Tobias: “Wounds” klingt kompromisslos – wütend, direkt, körperlich. Was war der Antrieb, das Thema, der Kern des Albums? Persönliche Wunden? Gesellschaftlicher Druck? Das Gefühl, dass alles zu viel wird, aber man trotzdem weitermachen muss?
Joe: Alles davon, ehrlich gesagt. Aber auch Frust über die Welt an sich. Leute helfen sich einfach zu selten – ob im Alltag oder global. Jeder denkt nur an sich, und deswegen fühlt sich die Welt an, als würde sie auseinanderfallen. Es gibt natürlich auch Gutes, aber wir wünschen uns, dass die Menschen ein bisschen weniger egoistisch wären.
Tobias: Wenn’s um die Texte geht: Schreibst du mehr aus dem Bauch heraus, aus persönlicher Erfahrung, oder beobachtest du eher, was um dich herum passiert? Manche Zeilen auf dem Album wirken sehr konkret, fast wie Momentaufnahmen.
Joe: Meistens kommen die Texte direkt aus Emotionen. Wir versuchen, Gefühle einzufangen – Frust, Wut, Überforderung. Wenn jemand unsere Songs hört und Ähnliches fühlt, dann soll er sich darin wiederfinden können. Die Texte sind allgemein gehalten, damit viele sich damit identifizieren können.
Tobias: Ich hätte gern ein paar kurze Liner Notes zu den Texten auf „Wounds“. Was war der Auslöser, das Gefühl oder das Thema hinter den Songs? Einfach frei raus – ein paar Sätze pro Titel reichen völlig.
Joe:
‘Wounds‘ handelt von all dem Schmerz und der Trauer, die man sich im Laufe seines Lebens selbst zufügt. Die Texte spiegeln das Gefühl der Hilflosigkeit wider – dieses Nicht-weiterzukommen, das einen dazu bringt, immer weiter dieselbe Abwärtsspirale herunterzurutschen.
‘No One to Blame‘ greift die Dunkelheit und Qual auf, die Menschen anderen Menschen zufügen – vor allem denen, die sich überlegen fühlen und glauben, sie hätten dadurch irgendein Recht dazu.
‘Sympathy‘ erzählt davon, wie unser Konsumverhalten uns langsam auslaugt – und von den Konzernen, die daran verdienen, während sie unseren Planeten zerstören.
‘Discarded‘ beschreibt die Erkenntnis, dass das Leben beschissen ist und die Welt ebenso – und dass es vermutlich auch nicht besser wird.
‘Spitting Nails‘ handelt davon, die Nase voll zu haben von all dem Bullshit.
‘Artillery‘ spiegelt das Gefühl eines ständigen Kriegs wider – sowohl im eigenen Kopf als auch in der Welt um einen herum.
‘Execute‘ beschreibt das Gefühl, gefangen zu sein und den Drang zu spüren, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen.
‘Thrown Away‘ schließlich handelt davon, diesen Schritt tatsächlich zu tun – sich selbst das Leben zu nehmen.“
Tobias: Dankeschön! Beim Hören hatte ich das Gefühl: Das Album ist unglaublich heavy, aber nie stumpf. Diese kleinen melodischen Schattierungen sitzen genau da, wo sie müssen. War das geplant, oder passiert sowas einfach im Flow beim Jammen?
Joe: Das passiert ganz natürlich. Auch wenn wir Hardcore und Crossover lieben, haben wir eben auch andere Einflüsse. Ich und Niels stehen total auf Heavy Metal wie Crimson Glory oder Grim Reaper, aber auch auf Hair-Metal-Bands wie Firehouse oder Lion. Das fließt automatisch ein – bei Solos oder Übergängen. Jeppe und Ebbe wiederum mögen Metalcore-Kram wie Pierce the Veil oder Bring Me the Horizon. Aber das passiert unbewusst, nicht kalkuliert.
Tobias: Welcher Song war für dich persönlich der härteste auf “Wounds”? Und mit “hart” meine ich nicht nur Tempo oder Aggression – manchmal ist der schwierigste Song ja auch der emotionalste.
Joe: Puh, schwer zu sagen – wir haben in alle Songs gleich viel Energie gesteckt. Aber wahrscheinlich war ‘Spitting Nails’ der härteste. Den haben wir geschrieben, nachdem unser dritter Gitarrist Jonas ausgestiegen ist. Das war erstmal ein Schockmoment – “Was machen wir jetzt?” Aber der Song hat uns gezeigt, dass wir’s trotzdem schaffen. Jonas ist übrigens immer noch ein guter Freund, er war beim Recording dabei, hat Soli eingespielt und hilft uns heute noch ein bisschen wie ein Produzent. Das bedeutet uns echt viel.
Tobias: Gibt es einen Song, der euch emotional besonders trifft?
Joe: Nicht wirklich, ehrlich gesagt. Wir geben bei allen alles – nichts darf halbgar sein. Jeder Song muss auf allen Ebenen funktionieren.
Tobias: Wie geht’s nach dem Release weiter? Sofort wieder auf die Bühne, Festivals, Tour? Oder erstmal durchatmen?
Joe: Wir schreiben tatsächlich schon am nächsten Album. Aber der Fokus liegt jetzt erstmal auf Promotion – nächstes Jahr wollen wir so viel wie möglich spielen, bevor’s irgendwann wieder ins Studio geht.
Tobias: Und jetzt die wichtigste Frage für uns in Deutschland: Kommt ihr wieder zu uns? Ihr wart ja schon mal hier – hat sich gut angefühlt, oder? Wir sind bereit, und das Bier ist billiger!
Joe: Oh ja, wir wollen unbedingt zurück nach Deutschland! Wir arbeiten dran. Wir lieben es da – und ja, das Bier ist billig und richtig gut. Das letzte Mal beim Wilwarin Festival war völlig irre – die Leute sind durchs Publikum geflogen, haben Two-Steps gemacht und Saltos von der Bühne!
Tobias: Das war’s von meiner Seite – danke für deine Zeit und Offenheit, das hat Spaß gemacht. Die letzten Worte gehören dir: Was möchtest du den Leuten da draußen sagen – egal ob sie euch schon live gesehen haben oder gerade erst kennenlernen?
Joe: Thanks for having us! Go spin our shit and we’ll hopefully see you at some point in the crowd!
Interview: Tobias Stahl
Photocredit: Cecilie Frost

