UFO – STRANGERS IN THE NIGHT DELUXE EDITION 8CD

UFO

Titel: STRANGERS IN THE NIGHT DELUXE EDITION

Label: CHRYSALIS

Spieldauer: 500+ Minuten

Es ist schon gespenstisch: ähnlich wie im Falle von Ken Hensley im Zusammenhang mit der „50 Years In Rock“-Box, so verstarb UFO Basser Pate Way nicht lange vor dem Erscheinen dieser Deluxe Ausgabe. „Strangers In The Night“ ist fraglos eines der ikonischen Hardrock-Livealben der 70er Jahre, und dies will angesichts der großen Konkurrenz in diesem Jahrzehnt etwas heißen (s. auch unser Livealben-Special). Die legendären Drogenexzesse der Briten und ihre Streitereien mit dem fragilen Gitarrengenius Michael Schenker hört man diesem Monument zum Glück nicht an. Vielmehr zeigt es Schenker, Way, Andy Parker, Paul Raymond und Phil Mogg „getting their act together“, ein angesichts der instrumentalen und songschreiberischen Potenz UFOs beinahe Angst machender Umstand.

Das bekanntlich im Oktober 1978 in den USA aufgenommene Monument glänzt mit einem fantastisch authentischen Sound und einer Setlist, die eine Band am Zenit ihres Schaffens zeigt. Die Sterne standen schlicht günstig, als man sich mit Hilfe des Record Plant Mobilstudios daran machte, Rockgeschichte zu schreiben. Mit dem eröffnenden „Natural Thing“ bricht ein musikalischer Sturm über den Hörer hinweg, der einen so, wie es nur die allerbesten Livealben vermögen, in den Sog des Liveerlebnisses zieht. Hier erstrahlen nicht nur die offensichtlichen Hits, sondern auch Songs aus der zweiten Reihe wie „Mother Mary“ oder „This Kid’s“. Aber es ist auch immer wieder wundervoll, den manischen Led Zep-Grooves von „Lights Out“, dem unsterblichen Steve Harris-Fave „Doctor Doctor“, der unwiderstehlichen Energie des ebenfalls als Single ausgekoppelten „Shoot Shoot“ oder dem auf immer in der Rock ’n‘ Roll Hall of Fame widerhallenden, vollkommen enthemmten Riff von „Rock Bottom“ zu lauschen und dazu vor den heimischen Boxen niederkniend abzufeiern (auch wenn man die, sagen wir, recht lendenlastigen Lyrics mitunter ein wenig ausblenden muss). Spannend auch das Gedankenspiel, was wohl die Scorpions aus diesen Ideen gemacht hätten…

Die sechs anderen hier zur Gänze festgehaltenen Gigs aus jener Zeit zeigen nicht nur den stressigen Rhythmus einer Tour zu jener Zeit (die Gigs stammen aus dem Zeitraum 13. bis 18.10., ohne day off), sondern auch die traumwandlerische Performance zu jener Zeit. Zudem werden sich Gitarrennerds an den sanften Variationen Schenkers delektieren (diese Feeling-Explosionen im Mittelteil von „Rock Bottom“ – ein Genuss!). Einige Stücke aus jener Zeit wurden bereits auf anderen Veröffentlichungen wie den Chrysalis Boxen zugänglich gemacht, sechs vollständige Livegigs sind jedoch die absolute Vollbedienung. Dabei wird auch deutlich, wie sehr UFO aus dem Vollen schöpfen konnten: der reguläre Show Opener „Hot ’n‘ Ready“ schaffte es ebenso wenig auf „Strangers In The Night“ wie „Pack It Up (And Go)“ oder das bluesige „Ain’t No Baby“. Das wie erwähnt als Opener fungierende „Natural Thing“ wurde ironischer Weise nicht wie vom MoC angekündigt in Chicago, sondern nur in Louisville zum Besten gegeben, und dort auch erst an sechster Position. Somit lässt sich auch exemplarisch nachvollziehen, wie Band und Produzent nachträglich an der Dramaturgie der Show schraubten.

Die Soundqualität aller Aufnahmen ist natürlich nicht ganz so exquisit wie jene des produzierten Endprodukts, aber dank der Güte des Record Plant Studios dennoch absolut erlesen und fernab jeglicher Bootleg-Extravaganz, wie man sie heutzutage bei solchen Nachlesen leider nicht selten erleben muss. Für einen Preis von 43 Euro darf man das in einer stabilen Pappbox erschienene gute Stück fraglos erwerben, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass das reguläre Album in einer hochwertigen Digipak-Version beigelegt worden wäre anstatt als schnödes, pappig-labbriges Digisleeve. Die 7 Euro Aufpreis hätte ich gerne hingeblättert. Die sechs weiteren Gigs erscheinen in Cardsleeves in jeweils einer eigenen Papphülle mit Setlist. Das informative Booklet mit Linernotes von Michael Hann (ehemals Musikredakteur des angesehenen britischen Guardian) geht vollkommen in Ordnung. Ein wirklich lohnendes Package also, die Musik ist eh unbezahlbar.

Patrick Müller vergibt 10 von 10 Punkten