TILL LINDEMANN – ZUNGE 2025

TILL LINDEMANN

Titel: ZUNGE 2025

Label: OUT OF LINE MUSIC

Spieldauer: 84:00 Minuten

VÖ: 26. September 2025

Eigentlich kann man TILL LINDEMANNs Musik, insbesondere seine vielsagenden, oft provokanten Texte, seit 2023 nicht mehr konsumieren, ohne die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in Sachen organisierter „After-Show-Partys“ und „Row Zero“ Vergehen im Hinterkopf zu haben. Und doch soll es hier in allererster Linie um die Kunst gehen.

Als da wäre die aktuelle Soloscheibe „Zunge“ des Rammstein Sängers, die nun ihre erheblich gepimpte Neuauflage erfährt. Der Re-Release enthält neben den zwölf Songs des Originalalbums neun zusätzliche Bonustracks, darunter drei unveröffentlichte Stücke.

TILL LINDEMANN solo ist von jeher deutlich häher an Rammstein, düstere NDH Nummern, durch die deutschen Lyrics und die vielseitgen Vocals des Fronters charakterisiert, als es das im Team mit Peter Tägtgren war, was eher einer anderen Pain Version mit neuem Sänger entsprach.

So divers fallen dann auch die Songs der Scheibe aus, neben typischer NDH Kost, hart, kompromisslos, rifflastig, elektronisch, wie dem eröffnenden Titeltrack `Zunge´, `Altes Fleisch´ oder `Schweiß´ stehen abwechslungsreiche Kompositionen wie das melancholisch-nachdenkliche, beinahe verletzliche `Übers Meer´, der spielerische Ohrwurm `Tanzlehrerin´ oder das introspektive `Selbst verliebt´ in dem sich der schlagereske Hidden Track übers `Rödeln´ verbirgt. Oder das für den ehemaligen Schwimmer ungewohnt kritische `Sport Frei´.

Aber hier soll es ja vor allem um die Wiederauferstehung der Platte gehen. Hier gibt es zunächst einmal die beiden bereits bekannten Singles `Und die Engel singen´ und `Meine Welt´, dazu das überraschende und überraschend gelungene, schwere `Entre dos tierras´ Cover von den spanischen Rockern Heroes Del Silencio (1990). Es folgen zwei weitere vollständig neue Stücke: das gesellschaftskritische und vom gewohnt ekligen Video begleitete `Prostitution´ sowie das schräge Horror-kinderliedartige ’Lollipop‘.

Hinzu kommen weiterhin drei Remixe sowie eine großartige, reduzierte `Meine Welt´ Piano-Version. Ebenso wie nicht alle Albumtracks durchweg Volltreffer sind, gibt es auch bessere und vielleicht eher verzichtbare Bonusstoff. Der gnadenlose Swarm Remix von `Und die Engel singen´ bläst den Hörer weg, während der Alas Caidas Remix des mexikanischen Industrial Duos Hocico eher unspektakulär daherkommt, weiß für meine Begriff der `Meine Welt – Weltuntergang Remix der US-amerikanischen Elektroniker Aesthetic Perfection deutlich besser zu gefallen.

Wie gesagt: nicht alles hier ist ein Meisterstück. aber insgesamt bekommt man hier eine vielseitige Neuveröffentlichung, die sowohl quantitativ als auch qualitativ weit über eine gewöhnliche Wiederveröffentlichung hinausgeht, die als Doppel-CD, Doppel-Vinyl und sogar Doppel-MC erscheint. Für Fans und Sammler also beinahe ein Pflichtkauf, brachial, sperrig, poetisch, dunkel und faszinierend zugleich.

Michael Gaspar vergibt 8 von 10 Punkten