THE OFFSPRING – LET THE BAD TIMES ROLL

THE OFFSPRING

Titel: LET THE BAD TIMES ROLL

Label: Concord Records

Spieldauer: 33:27 Minuten

Wenn eine Punkband in ihrer Karriere über 40 Millionen Alben verkauft, ist klar, dass man hier nicht Hardcore, Anarchie und Springerstiefel erwarten sollte, sondern eher Pop-Punk, Mainstream und Turnschuhe angesagt sind. Über 30 Jahre nach ihrem Debüt und fast zehn Jahre nach ihrer letzten Platte “Days Go By“ nun also wieder mal ein Longplay-Lebenszeichen aus dem Hause THE OFFSPRING. Und wie um das Gesagte zu bestätigen, bietet der gute Opener ‘This Is Not Utopia’ dann auch direkt eingängigen Punkrock zum Mithüpfen und -singen für die ganz großen Bühnen. ‘Let The Bad Times Roll’, Single und Titelsong in Personalunion, überzeugt anschließend mit spannender Struktur, überraschendem Rhythmus und grandiosem Chorus. Zudem findet die laut Gründungsmitglied und Gitarrist Noodles mit dem Titel verbundene Aussage „wenn schon alles den Bach runtergeht, dann sollten wir wenigstens das Beste daraus machen“ in diesen Tagen vermutlich breite Zustimmung. Warum man allerdings einen Albumtrack ausfaden lässt, wird mir auf ewig ein unerklärliches Mysterium bleiben. Auch die folgenden drei Tracks ‘Behind The Walls’, ‘Army Of One’ und ‘Breaking These Bones’ sind weder besonders originell noch unbedingt grandios hitverdächtig, aber dennoch grundsolide Punk-Rock-Kost für Strand und/oder Festival. Dabei schaffen es die vier Kalifornier durchaus kathartische und aktuelle Themen in ihren nachdenklichen Lyrics in einigermaßen fröhlichen, massen- oder sogar radio-tauglichen Songs zu verpacken. Am ungewöhnlich „beswingten“ ‘We Never Have Sex Anymore’ werden sich mit Sicherheit die Geister scheiden. Mit seinem coolen Sound inklusive außergewöhnlichem Rhythmus, Mitschnipp-Passagen und Posaunen-Solo macht es aber Spaß und dürfte zumindest live sehr gut funktionieren.

Leider drängt sich in der zweiten Hälfte des Silberlings der Eindruck auf, als seien den „Orange County Four“ ein die wenig Luft oder die Ideen oder beides ausgegangen. Bereits beim schon 2015 auf der gleichnamigen Scheibe veröffentlichten ‘Coming For You’ covern sie sich, zudem allzu nah am Original, selbst und auch das ruhige ‘Gone Away’ stellt eine seltsam uninspirierte Pianoversion des Stückes vom 97er Album “Ixnay On The Hombre“ dar. Das schnelle und recht kurze ‘The Opioid Diaries’ und das noch rabiatere ‘Hasan Chop’ machen es auch nicht wirklich besser und wirken irgendwie unmotiviert „hingerotzt“. Mit ‘In The Hall Of The Mountain King’ gibt es dann noch eine überflüssige Fingerübung getarnt als Versuch, dass bekannte Peer-Gynt-Motiv möglichst schnell den Saiten zu entlocken und mit ‘Lullaby’ eine kurze, als Outro getarnte Reprise des Titelsongs. Die sechs bis acht wirklich neuen Songs können also durchaus überzeugen. Die erwähnten Füller und Eigenverwertungen in Verbindung mit der ohnehin kurzen Spielzeit von knapp über 30 Minuten hinterlassen jedoch einen faden Beigeschmack und verhindern eine deutlich höhere Punktzahl.

Michael Gaspar vergibt 6 von 10 Punkten