
THE COMANCHEROS
Titel: A DECADE IN THE MIRROR
Label: Rottweiler Records
Spieldauer: 60:37 Minuten
VÖ: 22. März 2025
Was macht eine Band zum Zehnjährigen? Wir schmeißen einen Tonträger auf den Markt. Ideen gibt es viele. Eine Best Of wäre eine Idee. Oder man macht eine Livescheibe. Oder, das ist Version drei, man versammelt eine Reihe Non-Album-Tracks auf einer CD. Für diese Variante das Jubiläum zu begehen hat sich das amerikanische Trio THE COMANCHEROS entschieden. So versammeln sie auf diesem Silberling 16 Songs, die bisher nicht auf einem Longplayer zu finden waren. Die Songs sind komplett unveröffentlicht, entstammen von mittlerweile ausverkauften EPs oder einem Split-Tape. Dazu kommen zwei Livetracks von einer Tour durch Spanien. Das ist schon reichlich Stoff.
Stoff ist das vor allem für Leute, die einem ordentlichen Mix aus Heavy & Western, aus Country und Rock, Hard und Southern Rock nicht widerstehen können und wollen. Für Leute, die Lynyrd Skynyrd genauso abfeiern wie ZZ Top, Johnny Cash lieben und bei Bon Jovis ´Wanted Dead Or Alive´ immer noch Gänsehaut bekommen. Dabei dachte ich bis letztes Jahr, solche Musik ist eigentlich (fast) tot. Bis ich die einheimischen Helden Dezperadoz entdeckte.
Man kann auf „A Decade In The Mirror“ alle Facetten dieser Band entdecken. Da geht es los mit einem klassischen County Rocker namens ´The Day George Jones Died´. So wenig kitschig kann Country sein. So ganz ohne Liebesgesäusel. Dafür singt die Slide. Und die Pferde beginnen, mit den Hufen zu scharren. Noch etwas ruppiger klingt ´We Own The Night´, hier hört man förmlich den Staub der Straße. Eine Überraschung bringt ´Too Old To Die Young´. A Capella gesungen, nicht sauber. Dafür meint man, bis zu den Knien in Alkohol zu stehen. Der Duft von Whisky dringt in die Nase. Und wenn Euch die Melodie bekannt vorkommt, hier musste ein altes schottisches Volkslied herhalten.
´Lonesome Old Singer´ leidet leider unter einem schwachbrüstigen Sound. Dafür kommen die Songs der EPs fetter. Die Rocker, aber auch die tolle Ballade ´I Stare At Trains´. ´Jesse James´ bekommt eine zünftige Fiedel geschenkt, die sogar noch etwas mehr hätte benutzt werden können.
Die folgenden sechs Stücke, die ursprünglich der EP „the Four Horsemen“ entstammen, sind klassisches Lagerfeuerfutter. Am Feuer haben sich die Cowboys versammelt. Dort wurden, am Ende des Tages, Geschichten erzählt, Lieder gesungen. Die Wärme der Gemeinschaft genossen. Es riecht nach Rauch. Und nach Schweiß. Irgendwann werden die ach so harten Männer weich und sentimental. Die Flammen flackern. Wunderschön etwa finde ich das traurige ´Cold And Hungry´. Irgendwie trifft diese Nummer gefühlt viel besser das Leben der Cowboys, als es der klassische Wild West Film je konnte. Deren Leben war wohl eher durch Hunger und Kälte bestimmt, denn durch spannende Abenteuer. Und wenn Abenteuer, endeten diese sicher meist ziemlich blutig.
So kam dann immer wieder Alkohol ins Leben jener Menschen. Alkohol, der einen Song wie der abschließende Livesong ´If I Could Pick A Way To Go´ bestens charakterisiert. Selbst, wenn man wie ich keinen trinkt, manchmal versteht man, warum andere darin einen Fluchtweg suchen. Finden. Sich damit auch selbst zerstören. Und, im schlimmeren Falle auch andere.
Ja, die Dezperadoz mögen härter sein. ZZ Top waren und sind sicher viel größer. Aber THE COMANCHEROS sind eine Band, die man auf dem Zettel haben sollte, wenn man nur ein wenig auch Country und Western liebt.
Mario Wolski vergibt 9 von 10 Punkten