TANITH
Titel: VOYAGE
Label: Metal Blade Records
Spieldauer: 43:26 Minuten
VÖ: 21. April 2023
TANITH präsentieren mit “Voyage“ ein wunderbares Album. So ungewöhnlich die abschließende Bewertung einer neuen Scheibe im ersten Satz sein mag, so ungewöhnlich sind TANITH.
Mit dem zweiten Album nach ihrem Debut “In Another Time” aus dem Jahr 2019 zeigt die Band, dass sie groovigen Rock präsentieren können, der vieles kombiniert, was Erfolg begründet. Voyage ist so vielschichtig, da hier ein Line-Up am Werke ist, das den typischen treibenden Beat eines Trios mit starkem Bass, klarer Heavy-Gitarre und Drums, die den wechselnden Speed vorgeben hat, der in der Kombination mit dem häufig eingesetzten Duett-Gesang und der verwendeten analogen Aufnahmetechnik an Vielschichtigkeit kaum zu überbieten ist. Dazu kommen noch die Lyrics, die an die alten Scheiben erinnern, als Uriah Heep, Hawkwind, Rainbow und anderen klassischen Bands in ihren Songs Phantasiewelten erschafften.
Russ Tippins an der E-Gitarre und Cindy Maynard erzählen mit ihrem sich gegenseitig ergänzenden Gesang und ihren beiden Gitarren Geschichten, die durch Tempiwechsel und den vielen eingesetzten Instrumenten eine unglaubliche Tiefe verleihen. Russ Tippins, der 1979 Satan gründete und mit der authentischen Satan-Band heute große Erfolge feiert, lässt in die Band TANITH seine ganze Erfahrung und musikalische Vielfalt einfließen. Nacheinander werden Satan-typische Sounds ausgepackt und aneinandergehängt, um dann wieder an das Trio zu übergeben. Wer Heavy-Gitarren Sounds mag und sich gesanglich, wie musikalisch überraschen lassen will, der muss TANITH Fan werden.
Auf dem guten Debüt “In Another Time” zeigten TANITH schon beim ersten Song `Citadell´, dass die Stimme von Cindy Maynard und Tippins sich wunderbar ergänzen. Die Band wollte nach dem Erstling schnell nachlegen, dann kam der Covid-19-Lockdown und Tippins konnte als Brite seine drei andern Bandpartner in New York nicht mehr treffen. Als das dann wieder möglich war, verabschiedete sich der zweite Gitarrist Charlie Newton am Tag vor Beginn der Aufnahmen. Das Quartett wurde unfreiwillig zum Trio und stand vor der Aufgabe, die Songs neu zu arrangieren und sich zu überlegen, wie man die Tracks einspielen kann oder ob man einen anderen Musiker findet, der einspringen kann. Tippins sagte über den Schock nach dem Ausstieg von Newton: „Als Teil einer Zwei-Gitarren-Band fühlte es sich nach seinem Weggang an, als würde man versuchen, mit einem Flügel zu fliegen. Es passierte so plötzlich, dass wir sprachlos waren. Ich schätze, wir saßen ein paar Tage herum und dachten, er würde jeden Moment durch die Tür gehen. Aber schon bald wurde uns klar, dass wir versuchen mussten, einen neuen Weg zu finden.“ TANITH fanden ihn, indem sie die Songs sorgfältig obduzierten und sie detailgetreu wie kleinen Sounddiamanten aneinandergereiht Stück für Stück auf Band aufnahmen. Vintage-Verstärker und eine analoge 24-Spur-Anlage wurden für die Aufnahmen verwendeten. Einen guten Einblick in die Aufnahmezeit liefern TANITH mit dem Video zu ‚Snow Tiger‚. Tippins sagt zum Retrosound: “Wenn alles, was du je gekannt hast, digital produzierte Musik ist, mußt Du “Voyage“ unbedingt auf Vinyl hören und den Unterschied zur digitalen Musik erleben. Zu keinem Zeitpunkt vom Tracking bis zur Pressung wurde die Musik auf “Voyage“ digitalisiert!“ Zur Unterstützung an den Gitarrenparts sprang bei den Aufnahmen Andee Blacksugar (KMFDM, Blondie) ein, der von sich sagt, dass seine größten Einflüsse die UK Bands Maiden, Priest und Motörhead wären und sich somit gut auf Tippins Spiel einstellen konnte. Manchmal benötigt es einfach zwei 6-Seiter. So haben TANITH für ihre „Voyage“ Release Party am 20. April in New York auch Dino von der Band NATUR verpflichtet.
Exemplarisch für TANITHS Vielfalt steht der achte Song `Flame´, der komprimiert alles aufzeigt, was die Band ausmacht:
Gesangparts, die sich abwechseln, überlagen, ergänzen, die Hauptrolle spielen und dann wieder der Einsatz von Instrumenten, die treibend nach vorn gehen. Die beiden Sänger erzählen mit `Flame´ eine Geschichte, die mit wunderbaren Worten einen gesellschaftspolitischen Konflikt lyrisch umschreiben: Der Song handelt von den Abgründen, die sich während der Pandemie aufgetan haben. Tippis sagt dazu: „Es gibt ein Sprichwort, dass es kurz vor Sonnenaufgang am dunkelsten ist. Aber was ist, wenn es immer dunkler wird und die Morgendämmerung nie kommt? Die globalen Ereignisse des Jahres 2020 fühlten sich sehr ähnlich an, und `Flame´ ist ein Rückblick auf diese Zeit. In dieser Erzählung ist die Dunkelheit nicht das Virus selbst, sondern die Art und Weise, wie sich die Menschen gegeneinander wandten. Es war herzzerreißend zu sehen, wie schnell wir in einer solchen Zeit unsere Menschlichkeit verlieren konnten. Die täglichen Nachrichten schienen die Düsternis zu verstärken. Doch es gab vereinzelte Hoffnungsschimmer, an denen man sich festhalten konnte. Winzige Lichtpunkte am Ende des Tunnels. In diesem Song geht es darum, diese Momente mit beiden Händen festzuhalten.“
Wer klassischen Heavy-Prog-Rock mag oder einfach aufgeschlossen für neue harte spacige Musik ist, der wird “Voyage“ lieben. Es ist zu hoffen, dass Tippins sich trotz des Satan-Stresses Zeit nehmen wird, um die Clubs in Deutschland zusammen mit der Sympathischen Cindy Maynard und Keith Robinson in höhere Ebenen zu heben und den Spirit von TANITH hier zu verbreiten. Dann können wir alle zusammen für zwei Stunden auf eine coole Voyage in eine bessere Welt gehen, von der wir noch unseren Enkeln erzählen werden.
obliveon vergibt 10 von 10 Punkten