SORTILÈGE
Titel: APOCALYPSO
Label: SEASON OF MIST
Spieldauer: 47:01 Minuten
VÖ: 03. März 2023
Apocalypso Wow! Nicht allzu oft wird einem die Ehre zuteil, ein neues Album zu rezensieren, das sage und schreibe 38 (!) Jahre nach dem letzten regulären Vorgänger veröffentlicht wird. Beim dritten offiziellen Studioalbum „Apocalypso“ der französischen Heavy Metal Heroen SORTILÈGE ist genau diese jetzt nämlich der Fall. Noch mehr freue ich mich, dass ich das Wort „Ehre“ hier ganz ohne ironische Anführungszeichen verwenden kann – denn „Apocalypso“ ist alles andere als irgendein halbgares „Alibi-Spätwerk“, sondern größtenteils ein echter Knaller geworden.
Wer SORTILÈGE bisher nicht kennen sollte: Vor allem die selbstbetitelte Debüt-EP von 1983 als auch die beiden kurz danach – sowohl in französischen als auch englischen Versionen veröffentlichten – Alben „Métamorphose“ und „Larmes de Héros“ sind absolute 80er Heavy Metal Klassiker. Erst durch Internet und sozialen Medien wurde (auch der Band selbst) wohl erst richtig klar, welchen (verdient) hohen Stellenwert ihre Alben und Songs bei Metal-Fans überhaupt haben.
2017/2018 wurde die Band von Sänger Christian „Zouille“ Augustin mit komplett neuer instrumentaler Besetzung quasi wiederbelebt und seitdem bei Live-Auftritten in Frankreich als auch auf vielen internationalen Festivals (Keep It True, Muskelrock, Hellfest, 70.000 Tons etc.) teilweise frenetisch abgefeiert. Randnotiz: Offenbar existiert auch noch eine alternative Variante von SORTILÈGE, bestehend aus den restlichen Urmitgliedern – allerdings sieht und hört man von diesen nicht wirklich was.
Das personelle Neuaufstellung und das positive Live-Feedback führten 2021 dann wohl auch zur Quasi-Compilation „Phoenix“ (nomen est omen), das weitestgehend aus gefälligen bis starken Neueinspielungen der alten Klassiker bestand (und für mich dementsprechend nicht als „reguläres“ Album gilt). Die einzigen beiden neuen Songs auf der Scheibe fand ich zwar ganz gut, aber nicht wirklich weltbewegend.
Ganz anders jetzt „Apocalypso“. Natürlich sind Sound und Songwriting gegenüber den alten Klassikern moderner geworden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die neuen Songs imho größtenteils einfach saustark sind und im zukünftigen Live-Programm sicher auch neben den zahlreichen alten Krachern der Band bestehen können. Alle Lyrics sind übrigens wieder/weiterhin erfreulicherweise in Französisch gehalten – das macht halt einfach einen Teil des Spirits von SORTILÈGE aus.
Hier die Songs von „Apocalypso“ in kurzer Einzelkritik:
- Poseidon: Furioser Einstand, treibende Uptempo-Metal-Hymne und Fistraiser pur. Wenn der nicht ins Live-Programm kommt, weiss ich auch nicht… (10 Punkte)
- Attila (feat. Stéphane Buriez von Loudblast): Eingängiger grooviger Stampfer, dürfte auch Powerwolf-Fans ansprechen. (7,5 Punkte)
- Derrière les Portes de Babylone (feat. Myrath): Savatage-Dramatik meets Orientalistik, nicht ganz originell, aber einfach nur bombastisch. (10 Punkte)
- Le Sacre du Sorcier: Teils saucoole treibende Passagen, teils sehr klischeehafte Ohohoo-Chöre (die live aber funktionieren könnten). (8 Punkte)
- La Parade des Centaures (feat. Stéphane Buriez von Loudblast): Stampfender, hymnischer 3-Minuten-Groover, der einfach Spaß macht. (8,5 Punkte)
- Walkyre: Uptempo-Headbanger und Fistraiser, der eher durch Speed und Bissigkeit als einen zwingenden Refrain überzeugt. (9 Punkte)
- Encore un Jour: Tolle epische Halbballade, die aber nur im Album-Kontext so richtig geil rüberkommt. (8 Punkte)
- Trahison: Geiler hymnischer Uptempo-Rocker mit leichten Maiden-Vibes, nächster potenzieller Live-Kracher. (9 Punkte)
- Vampyre: Noch etwas geilerer und dramatischerer Uptempo-Rocker mit leichten Maiden- und Ozzy-Vibes, bitte demnächst auch live. (9,5 Punkte)
- Apocalypso (feat. Kevin Codfert): Getragener, fast schon ausufernd epischer Abschlusstrack, bleibt nicht „nachhaltig“ hängen, passt als Album-Closer aber wie die Faust aufs Auge (7,5)
Fazit: „Apocalypso“ ist ein wirklich grandioses Comeback-Album, das ich nach so langer Zeit nie SO stark erwartet hätte. Im Summe finde ich das Album sogar noch etwas größer als ihre Einzelteile. Mit anderen, aktuell zurecht abgefeierten französischen „Jungspunden“ wie Hürlement, Herzel, Tentation oder Animalize können SORTILÈGE auch nach 40 Jahren qualitativ mühelos mithalten. Umso trauriger, dass die Band ihre kürzlich geplanten Gigs in Deutschland mangels Ticketverkäufen canceln musste… 🙁
Joe Nollek vergibt 9 von 10 Punkten