SIVERT HØYEM – ON AN ISLAND

SIVERT HØYEM

Titel: ON AN ISLAND

Label: WARNER MUSIC INTERNATIONAL

Spieldauer: 42:37 Minuten

VÖ: 26. Januar 2024

Wir schreiben das Jahr 2021 und erinnern uns daran, dass man in der Reisefreiheit sowie im Umgang mit Mitmenschen sehr eingeschränkt war. SIVERT HØYEM macht jedoch das Beste daraus und schließt sich nachdem er zusammen mit Bjarne Stenslie auf der Suche nach einem Raum mit Soundcharakter war, zusammen mit Christer Knutsen (Gitarre, Keyboard, Gesang) und Børge Fjordheim (Percussion, Gesang) in einem alten Kirchenhaus namens Zoar in Nyksund ein. (Benannt nach der Stadt, die im Buch Genesis erwähnt wird; ein Ort, der von Gott verschont wurde, als Sodom und Gomorrah vom Feuer vernichtet wurden.) Der Ort hat stolze neun ganzjährig lebende Einwohner. Einst war dies eine bedeutende Fischergemeinde, die aber in den 60er Jahren entvölkert wurde. Im Sommer herrscht dort inzwischen wieder mehr Leben, im September, als die Musiker ihre Klausur im urigen Kirchenraum mit Holzboden antreten, herrscht vor allem eines: melancholische Atmosphäre bedingt durch Umgebung, Regen, Wind und Nordlichter.  Für SIVERT HØYEM und seine Mitmusiker sicher ein Glücksgriff, der maßgeblich zur gewollten einfachen, abgeklärten Stimmung beigetragen hat, dessen Sound einem Live Album nahe kommen sollte. Mit Hilfe von Lise Voldsdal (Geige), Cato Salsa (Gitarre/Keyboard) und Øystein Frantzvåg (Bass, Keyboard) wurde das 9 Titel starke Album von Tchad Blade in seinem Studio in Wales dann schlussendlich gemischt.

Mit dem Opener `On An Island` versucht man die geneigten Hörer auf das einzustimmen was sie in den nächsten vierzig Minuten erwartet und bereits da fällt mir auf , dass der eigentliche Plan von SIVERT HØYEM nur aufgeht, wenn man sich darauf einlassen kann. Es ist also Zeit gefragt.  Wo es dem einen zu träge erscheinen mag findet der andere seinen Zauber. Wer hier Tempo erwartet ist definitiv an der falschen Stelle. Außerdem können ein paar Kerzen und vielleicht auch ein Glas Rotwein nicht schaden. SIVERT HØYEM hat nun mal seinen eigenen Rhytmus. Ob mit Madrugada oder Solo unterwegs: man erkennt ihn daran. Trotzdem ist der bekannte rockige Einschlag ein wenig in den Hintergrund getreten.  Ist es jetzt Pop Musik? Für mich nicht. Ist es Blues? Nein, irgendwie auch nicht. Begrifflichkeiten zu finden ist für mich schwierig, denn nicht nur auf „ON AN ISLAND“ wird sich aus jedem Genre eine Prise heraus gesucht um dann zu einem Gesamtkunstwerk zusammen zu wachsen. Das ist sein Stil.

Der zweite Titel `Two Greeen Feathers` ist inspiriert vom Buch „Pan“ von Knut Hamsun, welches Sivert Hoyem als Jugendlichen nachhaltig beeindruckt hat. Den wesentlichen Teil des Romans machen pantheistische Naturbetrachtungen, Stimmungen und Träumereien aus, verbunden mit einer Abneigung gegen die Zivilisation. Die Erinnerungen der Hauptfigur sind geprägt durch eine schwärmerische Beziehung zur Natur sowie durch eine auf Grund seines zerrissenen Charakters wechselhafte bis unglückliche Beziehung zu seinen Mitmenschen, vor allem dargestellt durch seine Liebesbeziehungen zu drei jungen Frauen. Folgerichtig ist also hiernach der dritte Titel `When your true love is gone` auf dem Album platziert. Ich bin ehrlich: ab dem vierten Titel `In The Beginning`  verschwimmen bei mir die Grenzen. Dieses Lied hat es durch das gedämpfte Schlagwerk sowie seinen Wechsel an Intensität geschafft mich vollends in den so gern gemochten Sog zu ziehen und ein konzentriertes zuhören ist fast nicht mehr für mich möglich. Meine Synapsen haben sich da vor Entzückung irgendwo verknotet und genießen nurnoch. Auch der etwas poppigere Song `Aim For The Heart` ist geprägt von Sehnsucht und in `The Rust` finden wir eine düstere Geschichte über die Liebe und Autowracks die gemeinsam rosten.  Ich denke es ist inzwischen klar, wo die thematische Reise des Albums hingeht.

Wichtige Dinge sagt man immer leise. Um die Musik und die Texte von SIVERT HØYEM vollends genießen zu können benötigt man sicher einen gewissen, leisen Hang zur Melancholie in Moll. Er hat sich selbst als Melancholiker bezeichnet. „Zu Edvard Munchs Zeiten war das eine diagnostizierbare Krankheit“, sagt er. Wenn das so ist bin ich wohl auch betroffen, denn mit `On An Island` hat er mal wieder geschafft mich vollends in seinen Bann zu ziehen. Am Anfang der Promo steht der schöne Satz : „Gesanglich beweist SIVERT HØYEM, dass er wie ein Engel singen kann, wenn er will, und wie ein Teufel, wenn er muss.“  (Ähnlichkeiten zu einer bekannten Fernsehserie in der es um den gefallenen Engel geht kommen mir in den Sinn, ist aber vielleicht auch rein zufällig.) Und ja: Wer ihn schonmal live gesehen hat fühlt das Charisma förmlich auf der Haut, das der Mann im Anzug mit seiner Stimme, seiner Präsenz und seiner Musik auf der Bühne versprüht. Auf „On An Island“ ist ihm sein Vorhaben eine spezielle Atmosphäre einzufangen mehr als gelungen und die steht ihm mal wieder verdammt gut.

Herzlichen Glückwunsch zu diesem Meisterwerk SIVERT HØYEM!

Judith Kroll vergibt 10 von 10 Punkten