SHEPHERD`S REIGN – ALA MAI

SHEPHERD`S REIGN

Titel: ALA MAI

Label: GOLDEN ROBOT RECORDS

Spieldauer: 58:00 Minuten

VÖ: 25.08.2023

„Let the flame burn until we die“  betiteln SHEPHERD`S REIGN aus Neuseeland ihr Motto.

Über den Bandnamen bin ich bereits öfter gestolptert, aber irgendwie war mir nach THE HU eine zeitlang nicht unbedingt nach folkloristisch angehauchtem Metal. Irgendwann habe ich dann in den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Dokumentation über den Haka gesehen, den rituellen Tanz der Māori, der übrigens nicht generell ein mit Waffen aufgeführter Kriegstanz ist, sondern viel mehr ein Tanz der das Innere nach außen bringen soll und so alle Gefühle, eben nicht nur Wut oder Kampfeslust , unter zu Hilfenahme des gesamten Körpers ausdrückt.  Dieser ganzheitliche Ansatz passt hervorragend zu dem spirituellen Weg der Māori, dem Leben im Einklang mit der Natur. In den Augen der Māori sind alle Menschen, Tiere und Pflanzen gleichberechtigt; alles steht mit allem in Verbindung.

Mit diesem angeeigneten Wissen habe ich mir also die am 25. August 2023 erschienene „ALA MAI“ von SHEPHERD`S REIGN angehört und war sehr gespannt, denn der Haka ist ja schon Kraft, Stärke und Zusammenhalt an sich. Die fünfköpfige Band bestehend aus Filiva`a James (Gesang&Gitarre), Gideon Voon (Gitarre), Oliver Leuplo (Gitarre & Produktion), Joseph Oti-George (Bass) und Shaymen Rameka (Schlagzeug) sehen ihre Berufung seit 2018 darin jeden Aspekt des Lebens und der Kulturen zu teilen.  So wundert es nicht, dass auf „ALA MAI“ nicht nur in Stammessprache sondern ebenfalls auf Englisch gesungen wird.  Was manch einen vielleicht aufatmen lässt, finde ich tatsächlich etwas schade, denn ich hätte mir es einheitlicher gewünscht. Aber es soll ja um die Verbindung der Kulturen gehen und ist somit wahrscheinlich der richtige Weg.  Inhaltlich setzt sich dieses Thema der Verbindung fort. Bereits mit der Eröffnung des Albums mit dem traditionellen Lied `Samoa O La`u Fesili` und dem nachfolgenden `Aiga`, das auf einem traditionellen samoanischen Lied aufgebaut ist, wird deutlich wie sehr die Familie im Fokus stehen sollte und wie stark die Kraft der Wurzeln sein können. Es eröffnet das Album mit allerhand Groove und Kraft.  In `Le Manu` geht es um den größten Kämpfer Manu Samoa und mit seiner Hilfe werden im Verlauf die Ahnen und die Familie um Unterstützung auf dieser Reise gebeten. (Und wer sich nun noch einen Berg von Menschen und Haaren mit Haifischkette um den Hals hinter seinem Rücken vorstellt, der geht alle Probleme seiner Welt mutig an. Steuererklärung eingeschlossen!) Darauf folgt in dem nicht weniger starken „Nafanua“ ein Lied über selbige, von allen gefürchtete, Kriegsgöttin. In `Ua Masaa` wird es dann das erste mal sehr persönlich: Der Leadsänger versucht in dem Lied wütend und traurig zugleich zu beschreiben wie sich seine an häuslicher Gewalt verstorbene Schwester im Todeskampf gefühlt haben muss. An sechster Stelle folgt der Titeltrack `Ala Mai` indem es um das Erwachen der Welt geht und um mit Hilfe der Vorfahren Frieden zu bringen. Nun setzt sich dieser Aufruf zur Weltverbessrung mit  dem ersten englischen Titel `The World Bleeds` fort. Es geht weiter mit dem gemäßigten `Cold Summers Night` welches, auf  Englisch vorgetragen, das Thema Depression behandelt. Im ebenfalls englischen `Finally` geht es um das manchmal schwierige finden der Liebe. Das auf samoanisch, englisch und tonganisch vorgetragene `Never Forgotten` gilt als Hommage an den verstorbenen Sohn des Gitarristen Oliver Leuplo und spiegelt durch die verschiedenen Sprachen dessen Kultur wieder. `Atala`i` ist dann ein Lied für alle Kinder der Bandmitglieder um ihnen die Gewissheit zu geben geliebt und geschätzt zu werden-egal wo man sich befindet. Das Album schließt nun mit einem Lied über Krieg und Zusammenhalt: `Samoa Mo Samoa` ist eine Geschichte über Tragödie und Triumph. Tod und Sieg. Angst und Tapferkeit.

Soviel zum Inhalt. Muss man ja wissen, wenn man dieser Sprache (also wie ich) nicht mächtig ist. Musikalisch erinnert mich das Ganze an groovige Sepultura mit ein paar sehr schönen Gitarrensoli und einigen Prog Elementen. Die Doppelgitarre ist notwendig um entsprechende Spannung zwischen den eingängigen doch teils monotonen Refrains zu erzeugen. Bass und Schlagzeug schaffen es den nötigen Druck zu liefern. Der Gesang ist erstaunlich vielfältig und gehaltvoll. Trotzdem fehlt mir im „modernen Metal mit polynesischen Einflüssen“ sowas wie eine Stilrichtung oder auch „dieser eine“ Hit. Wie schon oben erwähnt empfinde ich den Mix der Sprachen als leicht störend. Das die in englischer Sprache vorgetragenen Lieder zusammenhängend auf dem Album zu hören sind erschwert mir persönlich den Wiedereinstieg. Der Aufbau der Lieder scheint leicht vorhersehbar, was aber nichts schlimmes ist: Es gibt z.B. Bands der neuen deutschen Härte oder des Doom die mit viel weniger auskommen. Insgesamt gefällt mir was ich höre und stelle mir SHEPHERD´S REIGN live, nicht nur auf Grund ihrer äußeren Erscheinung, mehr als beachtlich vor. Tatsächlich würde ich mir die Band gerne mal live ansehen um meine Meinung abzurunden und wünsche mir somit offiziell, dass die Flamme noch möglichst lange brennt!

Judith Kroll vergibt 8,5 von 10 Punkten