ROB HALFORD – CONFESS: THE AUTOBIOGRAPHY

ROB HALFORD

Titel: CONFESS: THE AUTOBIOGRAPHY

Label: HEADLINE PUBLISHING GROUP

Spieldauer: 374 Seiten / 20,99 EUR Minuten

Mit fortschreitendem Alter der Protagonisten der ersten großen Rock- und Heavy Metal-Welle in den 1970ern wird der Markt an Biographien und Autobiographien über deren mehr oder minder bewegte Leben immer größer. ROB HALFORD reiht sich nunmehr in eine Liste ein, die mit Tony Iommi, Lemmy Kilmister, Dave Mustaine, Bruce Dickinson, Ken Downing oder Biff Byford bereits einige illustre Namen umfasst. In letzter Zeit haben bekanntlich selbst Jon Zazula oder Brian Slagel ihren Blick auf die Entwicklung der Subkultur Heavy Metal veröffentlicht.

Nunmehr bedient also eine der schillerndsten und prägendsten Figuren der Szene den Wissensdurst der Fans. “Confess” ist im Original trotz seines Umfangs zumindest für solche, die die englische Sprache gut beherrschen recht leicht lesbar. Natürlich finden sich in HALFORDS in und von den englischen Midlands geprägtem Duktus jedoch einige Idiome, Kollokationen oder Phrasen, die für ungeübtere Leser zum Stolperstein werden können. Seine zusammen mit Ian Gittins formulierten Sätze sind jedoch in der Regel kurz und prägnant und sollten keine übermäßige Herausforderung darstellen. Ab März nächsten Jahres soll es eine deutsche Übersetzung geben.

Der Plot des Buches ist strikt chronologisch und widmet sich nach den ersten, interessanten Kapiteln zu HALFORDs Jugend in Walsall (hier finden sich zahlreiche Anknüpfungspunkte an Downings Memoiren) dem Aufstieg Judas Priests aus dem britischen Rockunderground in die großen Hallen und Stadien der Welt. Neben einigen dezenten psychologischen Betrachtungen über die Einflüsse seiner Kindheit auf die generelle Entwicklung seines Charakters (etwa der Umstand, dass HALFORD seine Konfliktscheue, die schließlich auch in seinem dubiosen Ausstieg bei Priest mündete, auf teils gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen seinen ansonsten als äußerst liebevoll beschriebenen Eltern zurückführt) findet sich auch in diesen Kapiteln bereits das allumspannende Grundthema dieser Lebensbeichte: das der sexuellen Erweckung und insbesondere Frustration.

Schnell widmet sich HALFORD seiner Homosexualität, derer er sich recht früh bewußt wurde. Jedoch trieb die unterdrückte Sexualität in den prüden und homophoben 60er Jahren immer wieder groteske Blüten. Wenn HALFORD etwa die Pädophilie und sexuellen Übergriffe, denen er in seiner Jugend sporadisch ausgesetzt war, beschreibt, taucht das Buch tief in die dunkelsten Seiten der menschlichen Seele hinab. Der Ton HALFORDs bleibt jedoch selbst in solchen Momenten recht beschwingt, wohl auch, um die immer wieder beschworene Stehaufmännchen-Attitüde der die Midlands bevölkernden Menschen zu illustrieren.

Wer tiefgreifende Einblicke in die Bandchemie Priests erwartet, wird von “Confess” enttäuscht. Halford fokussiert sich zu 99% auf seine eigene Rolle in der Priest-Maschinerie, die ihn zu “Turbo”-Zeiten schließlich an den Rande der Selbstzerstörung trieb: jene des sexuell frustrierten “Metal Gods”, der seine Wünsche und Sehnsüchte der Weltkarriere der Band opferte. Nach geschätzt 2/3 des Buches läuft HALFORD dabei ernsthaft Gefahr, dass der Leser der immer wieder kehrenden Geschichten über verstohlene Sexabenteuer in abgelegenen US-amerikanischen Highway-Toiletten etwas überdrüssig wird. Der Mehrwert der Schilderung eines weiteren “horny adventure” erschließt sich ab einem bestimmten, über die Bigotterie der Musikszene hinausgehenden Punkt nicht mehr wirklich. Glücklicherweise kriegt HALFORD diesbezüglich gegen Ende des Buches die Kurve…

Die in Downings Buch ausgebreiteten Konflikte innerhalb Priests werden von einem genervt wirkenden HALFORD hier als “issues”in Nebensätzen abgetan, wobei zwischen den Zeilen zu lesen ist, dass seine Sympathien bei Tipton liegen: seine Beschreibung des Beginns der Ära Faulkner als einer Frischzellenkur für die Band sagt diesbezüglich alles. Worüber man in “Confess” leider ebenfalls nichts erfährt (ähnlich wie in Dickinsons Autobiographie), ist, wie HALFORDs zu einer prägenden Stimmen des Heavy Metal wurde. Außer einer kurzen Episode über ein Erweckungserlebnis im schulischen Musikunterricht erfährt der Leser Nullkomanix darüber, wie aus ROB HALFORD der Metalgott (eine Rolle, die er hier lustvoll und mit allerlei Pathos aufüllt) und eine der prägenden Stimmen des Heavy Metal wurde. Vielmehr muss man sich wundern, dass er seine Stimme angesichts seines extensiven Kokain- und Alkoholkonsums bis zu seinem Entzug 1986 nicht bereits vollständig zerstört hatte.

Insgesamt ist “Confess” eine lesenswerte, meist aber auch recht reflektierte Abrechnung mit den gesellschaftlichen und dem Musikbiz geschuldeten Zwängen, die HALFORD an den Rand der Selbstaufgabe drängten. Natürlich muss man zwischendurch über einige pathetische oder selbstverliebte Passagen schmunzeln, etwa wenn HALFORD zugibt, es mit seinem Comeback-Album “Resurrection” darauf abgesehen zu haben, wieder bei Priest einsteigen zu können, sich dann aber darüber echauffiert, dass das Album als “bestes Album, das Priest nie gemacht haben” klassifiziert wurde. Die Geister, die ich rief… Natürlich darf man sich auch daran ergötzen, wenn HALFORD darüber aufklärt, in welche Songs er u.a. seine sublimierten Sexfantasien einfließen ließ. Insbesondere “Defenders Of The Faith” hört sich danach ggf. etwas anders…

Ansonsten gibt es einige interessante abseitige Einblicke in die Karriere Priests und Halfords, so etwa das Geständnis, dass HALFORD einst ein ernsthaftes Auge auf den jungen Paul Di`Anno geworfen hatte, eine amüsante Episode über eine Konversation mit der Queen im Buckingham Palace (Elizabeth II. “Warum muss Heavy Metal eigentlich so laut sein?” Halford: “Damit wir dazu headbangen können, Euer Durchlaucht”…) oder aber Schilderungen zahlreicher Spinal Tap-Momente auf Tour (etwa als HALFORD in Kanada einst im Trockeneisnebel mit seinem Motorrad in die Bühnenfassade bretterte und sich beinahe das Genick brach). Wer also nicht mit der Erwartungshaltung an “Confess” herangeht, die schmutzige Wäsche der Priester noch einmal in die Waschmaschine gesteckt zu sehen, kann diese Autobiografie getrost lesen und mit dem Metalgott das eine oder andere mal Schmunzeln oder aber eine verstohlene Träne verdrücken.

Sven Bernhardt vergibt keine Bewertung