RAMMSTEIN – HERZELEID XXV ANNIVERSARY EDITION

RAMMSTEIN

Titel: HERZELEID XXV

Label: VERTIGO / UNIVERSAL

Spieldauer: 49:39 Minuten

Wie die Zeit vergeht… Heutzutage sind RAMMSTEIN eine feste Konstante in der deutschen Musiklandschaft und vermögen vermittels mehr oder minder sanfter Provokationen in selbiger noch immer Wellen zu schlagen. Wer hätte dies vor 25 Jahren gedacht? Ich absolvierte gerade meinen Zivildienst, als das so irreführend zart betitelte „Herzeleid“ wie ein Meteorit einschlug. Trotz der offenbaren Anleihen an Ministry und der Pionierarbeit der Krupps bot das Album nicht zuletzt aufgrund Till Lindemanns gerollterrrr Lyrics in deutscher Sprache (die er m.E. heutzutage nicht selten in hochpeinlicher Manier bemüht) genügend aufregend Neues und fuhr gerade aufgrund der derben Gitarrenriffs von Paul Landers und Richard Kruspe, die ihm Verbund mit den maschinell präzisen Grooves und Lindemanns eingängigen Refrains (die es damals auch tatsächlich noch gab) ihre ganze Kraft entfalteten, durch Mark und Bein. Und zu den Lyrics von „Weisses Fleisch“ musste man schon mal durchatmen…

Live sah ich die Band damals unter anderem auf dem Bizarre-Festival und etwas später im Rahmen der VÖ zu „Sehnsucht“ auf dem Dynamo Open Air, wo endgültig klar wurde, dass auch Flake (dessen Arbeit hier durch den neuen HD-Sound erstmals richtig zur Geltung kommt) mit seiner Performance zum Hype um RAMMSTEIN beitrug und die Band wohl in Bälde durch die Decke nicht nur gehen, sondern geradezu fliegen würde. Quod erat demonstrandum. Qualitativ liegt „Herzeleid“ zusammen mit „Mutter“ und „Reise, Reise“ ohne Frage in der Top 3 der Diskographie. Zu Beginn meines Studiums spielte der DJ des Triptychon in Münster am Wochenende abendlich beinahe alle Songs des Albums, was eine Popularität nahelegt, die im vergleichbaren Zeitraum gerade mal noch den Debuts Pearl Jams und Rage Against The Machines zuteil wurde. Als ich in 1999 zum Studium nach Edinburgh zog, musste ich in den dortigen Diskos allabendlich den Schotten die Lyrics der diversen gespielten Songs ins Englische übersetzen, woraufhin ich meist ungläubiges Achselzucken erntete („Heirate Mich“ wurde fortan zu „Marry Mitch“). Bloody Germans, aber auch ein Zeichen für Völkerverständigung…

Nach 25 Jahren hallen insbesondere der später von Nina Hagen noch einmal zu den Cello-Klängen von Apocalyptica eingeträllerte „Seemann“, das fantastische Riffgewitter „Asche zu Asche“, natürlich der erste große Hit „Du riechst so gut“, der brachiale Opener „Wollt ihr das Bett in Flammen sehen“ sowie eben die Stakkatoriffs von „Heirate Mich“ und der aufgrund der damals noch sehr präsenten Katatstrophe in Ramstein höchst provokanten Bandhymne nach. Eigentlich fällt nur „Das alte Leid“ im Vergleich zu den anderen Stücken ab, ansonsten ist „Herzeleid“ extrem gut gealtert und blüht durch den transparent-druckvollen Mix gar noch einmal neu auf.

Was also bleibt nach all der Zeit? Sicher eines der aufregendsten und prägendsten Alben der deutschen Rockgeschichte. Die Gewissheit, nach der Wende die aufregendste und innovativste deutsche Musik in Ostdeutschland gehört zu haben. Und dass heutzutage fast alle Deutschen den Ortsnamen Ramsteins falsch schreiben…

Patrick Müller vergibt 10 von 10 Punkten