RAGE – AFTERLIFELINES

RAGE

Titel: AFTERLIFELINES

Label: Steamhammer/SPV

Spieldauer: 88:58 Minuten

VÖ: 29. März 2024

Vierzig Jahre RAGE. Und lange Strecken dieser Zeit waren sie auch meine Begleiter. Erste Stücke aus dem noch eher thrashigen Frühwerk konnte ich schon vor der Wende in der Heavystunde von DT64 hören. Die „Secrets In A Weird World“  war eines meiner selbst gekauften Alben. Die „Black In Mind“ war ein Highlight. Kurz darauf überraschten sie mit „Lingua Mortis“, die zusammen mit „XIII“  zu den heute noch meistgehörten Alben auf meiner Playlist gehören. Nie gelang es genialer Metal mit Klassik zu verknüpfen. Das war auch live ein Erlebnis, damals in der Ruhr-Rock-Halle Dortmund. Da ich aber kein Alleskäufer bin, habe ich später nicht wirklich alles verfolgt. Aber ich habe nie ein unterdurchschnittliches Release von ihnen erlebt. Auch das oft wohl ungeliebte Lingua Mortis Orchestra-Album von 2013 wird von mir innig geliebt.

Zu diesem Geburtstag schenkt uns das Trio, aktuell neben Peavy besetzt mit Vassilios “Lucky” Maniatopoulos am Schlagzeug und Gitarrist Jean Borman, diesen Doppeldecker als Doppel-LP oder Doppel-CD. Andere würden das Ganze wohl auf vier Platten pressen, ich will aber jetzt nicht noch wen auf dumme Ideen bringen. Mein kleines Fanherz tanzt aber auch, weil Teil zwei mit Orchestrierung kommt.

Davor steht mit „Afterlife“ der Teil eins. Der konzentriert sich auf die Triobesetzung. Ohne Schnick und ohne Schnack ist es genau eines: RAGE! Speed und Thrash schauen vorbei, eine Prise Moderne, viel Power und noch mehr Melodie. Dazu kommt Inhalt mit Hand und Fuß. Peavy hat sich Gedanken gemacht. Um die Zukunft von uns und unseres Planeten. „Während ‚Resurrection Day‘ die Menschheitsgeschichte vom Nomadendasein bis zum Sesshaft-werden skizziert und kommentiert, ist ‚Afterlifelines‘ eine Art Dystopie, eine Fiktion über den
Zusammenbruch aller Systeme, wenn wir Menschen uns nicht grundlegend ändern“, so der Meister. „Schon heute gibt es auf unserem Planeten ein dramatisches Artensterben, und ein Ende ist noch nicht abzusehen.

Bis hier also alles wie zu erwarten und wie gewünscht. In dieser wirklich überzeugenden Qualität wäre die erste Hälfte schon ein Soon to be- Klassiker.

Zweiter Teil. „Lifelines“ hat ein kleines Manko, das sich durch einige der Lieder zieht. Nicht, das was schlechtes bei wäre, im Gegenteil, songwriterisch gesehen ist alles erste Sahne. Nur das Orchester, über weite Strecken wirkt es wie später hinzugefügt. Manchmal habe ich das laue Gefühl, das Orchester ist nur da, um sagen zu können, wir haben mal wieder klassische Instrumente integriert. Das zeigt auch der direkte Vergleich mit „XIII“. Dort ist das Orchester ein zusätzliches aber eigenständiges Instrument, übernimmt Führung und ist nicht nur Beiwerk. Hier ist es streckenweise nur Untermalung. Ich vermisse das zuweilen die Dominanz, den Dampf und die Eigenständigkeit.

Ich will, weiß Gott, nicht sagen, diese Sachen sind schlecht oder schlecht gemacht. Ich finde nur den Weg nicht konsequent zu Ende gegangen, wie es zu Zeiten von „Lingua Mortis“ war. Aber, die meisten anderen Bands würden schon diesen Weg hier nicht finden. Da sind schon andere große Namen gescheitert, solche etwa, die mit M beginnen und A enden.

Und Achtung. Gibt man zu früh auf, versäumt man doch noch echte Juwelen. Der Titelsong ´Afterlifelines´ ist für mich das stärkste Stück der ganzen über 80 Minuten. Das instrumentale ´Interlude´ hat was von einem kleinen Versteckspiel. Lasst Euch da einfach mal überraschen. Und die abschließende Ballade(?) ´In The End´ ist eine der traurigsten Nummern der letzten Jahre überhaupt.

So bleibt festzuhalten, da haben Peavy und RAGE sich und uns ein wirklich gelungenes Geschenk zu machen zur halben Achtzig.

Mario Wolski vergibt 8 von 10 Punkten