PYRACANDA – LOSING FAITH

PYRACANDA

Titel: LOSING FAITH

Label: FHM-Records

Spieldauer: 44:16 Minuten

VÖ: 10. Oktober 2024

Über drei Jahrzehnte nach ihrer zwischenzeitlichen Auflösung und vier Jahre nach der Reunion hauen die Koblenzer Speedster PYRACANDA ihr drittes Album raus und das hat es wahrlich in sich. Scheinbar unbeleckt von all den Trends und Strömungen der 2000er ziehen die Jungs unbeirrbar ihren Stiefel durch und klingen trotzdem kein Stück antiquiert. Letzteres mag an dem zeitgemäßen und trotzdem völlig organischen Sound liegen, den Rene Anlauff „Losing Faith“ verpasst hat. Rene war zu Ilex-Zeiten selbst Teil der PYRACANDA-Familie und eignete sich daher sowohl menschlich als auch musikalisch perfekt für dieses Projekt.

Noch wichtiger ist allerdings eine andere Personalie für die Entstehung dieses großartigen Comebacks: Da Schlagzeuger Patrick Grün mit seiner Hauptband Caliban so stark eingespannt war, hat Bandgründer und Ur-Drummer Elmar Gehenzig das Album nicht nur eingetrommelt, sondern sich wie früher massiv ins Songwriting eingebracht. Zusammen mit Gitarrist Dennis Vaupel, Bassist Dieter Wittbecker und Sänger Hansi Muhs (ehemals Nefen) war das Dreamteam der ersten beiden Bandklassiker demnach fast komplett. Lediglich die zweite Gitarre wurde mit Frank ‚Pelle‘ Pelkowski ganz neu besetzt.

Wer „Two Sides Of A Coin“ und „Thorns“ schon Anfang der Neunziger abfeierte, weiß was ihn erwartet und wird „Losing Faith“ lieben. Das Album bietet bei einer Spielzeit von fast einer dreiviertel Stunde zehn Songs auf, von denen jeder einzelne einfach total Bock macht. Typische Trademarks von PYRACANDA sind Hansis völlig eigenständiger Gesang (bis auf den Anfang von ‚Mouth Warrior‘, da klingt er wie Dave Mustaine, passend zum Megadeth-Riff) sowie seine persönlichen und gesellschaftskritischen Texte.

Im Instrumentalbereich stechen Elmars unkonventionelles Drumming und Dennis‘ kreatives Riffing heraus. Einfach unglaublich, wie diese beiden – natürlich im Zusammenspiel mit dem Rest der Band – es geschafft haben, den alten Zauber wiederzubeleben. Was PYRACANDA vom Gros der Konkurrenz abhebt, sind die einprägsamen Refrains und Gangshouts, die jedem Stück einen ganz eigenen Charakter geben. Und dass man auch auf die alten Tag noch richtig Gas geben kann, zeigt u.a. der Nackenbrecher ‚Spoke In The Wheel‘ sehr eindrucksvoll.

Angefangen beim schmissigen Opener ‚Don`t Wait For‘, über die Midtempowalze ‚Hellfire‘ (in dem Hansi mit seiner Vergangenheit abrechnet und zu dem es ein richtig geiles Video gibt), dem ergreifenden Titelstück, ‚Misanthrope‘ (sollte eigentlich mal Albumtitel werden, kann aber niemand richtig aussprechen), ‚We Are More‘ (ursprünglich als ‚The Godfather‘ auf dem Ilex-Album „Liebe ist…“), bis hin zum finalen Doppel ‚Build My Pride‘ (Wahnsinnsgitarrenarbeit!)/‘Hold On‘ (krönender Abschluss).

Natürlich schwingt bei diesen Zeilen ein gewisses Maß an Nostalgie und persönlicher Affinität mit, aber wenn sich eine Truppe wie diese in ihren Fünfzigern nochmal selbst neu erfindet, ohne dabei die eigenen Wurzeln zu verleugnen, und – ein wenig wie auf dem Cover, an dem sich sicher mal wieder die Geister scheiden werden – wie Phoenix aus der Asche der letzten 30 Jahre emporsteigt, ist mir das nun einmal die Höchstnote wert. Und falls jemand anderer Meinung ist: WE ARE MORE!

Alex Fähnrich vergibt 10 von 10 Punkten