Psychotic Waltz God-shaped

PSYCHOTIC WALTZ

Titel: THE GOD-SHAPED VOID

Label: INSIDE OUT / SONY

Spieldauer: 52:58 Minuten

Ich wurde erst 1996 zum Waltz-Fan, mit jenem Album also, das bei der Band gemischte Erinnerungen weckt und von nicht wenigen Fans als schwächstes in der Karriere der sagenumwobenen Kalifornier angesehen wird. Woran man mal wieder sieht, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sein können, je nachdem, wann man eine Band für sich entdeckt hat oder in welchem emotionalen Zustand man sich zu jener Zeit gerade befand: ich selbst halte das bisher letzte Studioalbum „Bleeding“ für eine absolute Granate mit einigen der knackigsten Hits, die diese Ausnahmemusiker jemals erschaffen haben. Die Erwartungshaltung könnte bei der handverlesenen Schar von Waltzisten nach nunmehr beinahe einem Vierteljahrhundert wohl kaum größer sein. Zunächst fällt der von Jens Bogren gemasterte, voluminöse Sound ins Ohr, ein Umstand, der unbedingt erwähnenswert ist, da mir der Demosound des gottgleich verehrten Debuts „A Social Grace“ bis zum heutigen Tage schwer im Magen liegt. Ansonsten hat Devon Graves seinen bei Deadsoul Tribe kultivierten, auf etwas ausladendere Gesangslinien setzenden Stil eingebracht und auch seine perkussiv ausgerichtete Kompositionskunst spielt (wie schon auf „Bleeding“) eine gewichtigere Rolle auf „The God-Shaped Void“, sodass die von den Fans heißgeliebten, mystischen Edelharmonien der Herren Rock und McAlpine (noch ausgeprägter: Graves´ Jethro Tull-Flötereien) gerade zu Beginn sehr gezielt auftauchen, etwa am Ende von „Stranded“ oder im Hauptriff sowie dem wahnwitzigen Solo des kompakten Superhits „All The Bad Men“, somit aber eine umso größere Wirkung erzielen. Dadurch kommt der Groovemaschine Ward/Leggio auf „God-Shaped Void“ eine ungeheure Bedeutung zu, eine Herausforderung, die die beiden gewohnt lässig schultern und so den Raum für die vordergründigen Stars schaffen. Ein überlebensgroßes Riff wie jenes von „While The Spiders Spin“ sowie die daraus entwickelten Skalen können wohl nur diese Visionäre erschaffen (und das Hook steht dem in keiner Weise nach…), womit wie im ebenfalls elefantösen „Sisters Of The Dawn“ gar die Verfechter der etwas esoterischeren „Into The Everflow“-Phase zu ihrem Recht kommen. Heraus kommt dabei eine Art „Best Of“ Psychotic Waltz, die sämtliche Bandstärken bündelt. Sehr gelungen sind dabei auch die versteckten Reminszenzen an die 80er-Helden des Gitarrenduos in den Breakriffs von „Pull The String“ und „In The Silence“. Manchmal lohnt sich warten eben. Und wenn Ausnahmekünstler eben 24 Jahre brauchen, um sich zu schütteln und dann so ein Manifest raushauen, dann soll mir das recht sein. Rom wurde auch nicht und so weiter und so fort. Das Ding hier werde ich mir auch in 24 Jahren, so mein Kadaver dann weiter unter den Siechenden weilen sollte, noch begeistert anhören!

Patrick Müller vergibt 9,5 von 10 Punkten