Schaut man sich Cover und Albumtitel an, möchte man fast glauben, dass PROTEST THE HERO im Jahr 2020 nah am Agit Prop segeln. Natürlich könnte man „Palimpsest“ auch dahingehend interpretieren, dass die Kanadier ihre eigenen Klangfarben neu malen wollen. Es bedarf jedoch keiner eingehenden Studien, um die altbekannten Skalengewitter, den sich immer leicht überschlagenden Gesang sowie die hektischen Arrangements zu erkennen, die den Bandsound in den letzten Jahren beherrschten. Weiterhin irgendwo zwischen Alternative, Djent, Emo- und Metalcore pendelnd feuert die Band hier aus allen Rohren, nervt dabei weiter jeden traditionellen Metalhead („The Fireside“) und entzückt die Folgegeneration nicht zuletzt mit eingängigen Refrains („From The Sky“). Für Menschen, die ausgewogene und langsam sich entwickelnde Arrangements lieben, bietet „Palimpsest“ wenig bis gar nichts; bei genauem Hinhören kristallisieren sich dennoch beinahe schon konventionelle Metalsongs wie „All Hands“ heraus, die durch die atemlose Hysterie der einzelnen Musiker jedoch zu einem progressiven Feuerwerk geraten, welches in seiner farbenfrohen Opulenz jedoch nie ZU sehr in die Beliebigkeit abdriftet. Zwar schleudern PROTEST THE HERO ihre Farben auf die Leinwand, aber dies äußerst gezielt und mit grob-sicherem Finish. Nichtsdestotrotz fehlen mir hier die Ausschläge nach oben, die Songs, die ein sehr gutes oder gar großartiges von einem bloß guten Werk unterscheiden. Ihr textliches Engagement halte ich den Kanadiern zugute („Reverie“), aber in Sachen Kompositionskunst bitte auch in Zukunft um Rücksicht auf old men: relax and readjust the balance.

Patrick Müller vergibt 7,5 von 10 Punkten

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