NYKTOPHOBIA
Titel: TO THE STARS
Label: EIGENPRESSUNG
Spieldauer: 38:46 Minuten
VÖ: 05. Juli 2024
“Fallen Empire” war 2017 das Debütalbum der deutschen Old School Melodic Death Metal Truppe NYKTOPHOBIA aus NRW. “Fate Of Atlantis” kam 2018 und der bis dato letzte Langspieler war “What Lasts Forever” und wurde mitten in der COVID Pandemie (August 2020) veröffentlicht. Im Anschluss an die Scheibe hauten NYKTOPHOBIA eine Split EP mit NIGHT IN GALES raus, die an Atmosphäre so herausragend war, dass die Holzbox mit Vinyl schneller ausverkauft war, als ich hier schreien konnte. Auch die bereits erwähnten Veröffentlichungen begeistern die Feinschmecker in der Szene noch heute.
Am 05. Juli 2024 wird mit “To The Stars” die vierte Langrille des Quintetts um Tomasz Wisniewski (Lead Vocals), Michael Tybussek (Lead Guitars), Phillip Reuter (Rhythm Guitars/Vocals), Ben Bays (Bass) und Michiel van der Plicht (Drums) veröffentlicht. Bereits die Singles ‘Millenium’ und ‘Voyager 1’ hinterließen offene Münder bei den Fans und Freunden der Old School Melo Deather, die “To The Stars” in den Sandlane Recording Facilities (Powerwolf, Epica, Blind Guardian) aufnahmen und es in den Fascination Street Studios (Amorphis, Kreator, Amon Amarth) haben mischen und mastern lassen. Ich darf euch schon jetzt spoilern: Die geballte Erfahrung der Studios schlägt sich absolut auf “To The Stars” nieder. Bevor wir ins Review von “To The Stars” gehen, möchte ich einen Ausblick auf die exklusiven Formate geben, auf denen die neun Songs gepresst wurden.
Zum einen gibts ein CD-Boxset mit “To The Stars” (Jewel Case) das auf 100 Exemplare limitiert ist, einen Logopatch, ein per Hand nummeriertes Certificate of Authenticity und eine Night In Gales / Nyktophobia Split CD (Slipcase) enthält. Außerdem gibts die Jewel Case CD auch solo zu erwerben, genauso wie eine MC (limitiert auf 50 Exemplare). Neben weiteren Sets mit Shirt oder Hoodie haben NYKTOPHOBIA auch zwei Vinyl Varianten am Start, auf die ich im Folgenden näher eingehen möchte.
Öffnet man den Versandkarton, findet man die Platte gut eingepackt und geschützt vor. Als erstes fällt das stimmungsvolle Coverartwork ins Auge, auf dem eine futuristische Landschaft abgebildet ist. Es hat den Anschein, als würden Raumschiffe in Richtung eines Portals fliegen und sich zu den Sternen aufmachen. Das Coverartwork kommt völlig ohne Beschriftung daher, was ich ziemlich spannend finde, denn so kann sich die “Stimmung” des Bildes gut entfalten und gibt Raum für Interpretationen. Schaut man ins Innere des Klappcovers findet man auf der linken Seite einen Planeten der wie unsere Erde aussieht. Auf der rechten Seite ist ein viel größerer Planet abgebildet, dazwischen jede Menge Sterne und kleinere Planeten. Wie schon zuvor ist auch hier kein Hinweis zu finden, wie das Album heißt – diese Infos hält die Rückseite bereit, auf der auch der Bandname in einer Farbe abgebildet ist die den Eindruck erweckt sie würde leuchten – ziemlich stark die Zeichnungen von Simon Bossert (der auch die Cover-Artworks für die Singles ‘Winter Assault’, ‘Flight Of The Phoenix’ und die Split mit NIGHT IN GALES entworfen hat).
Die Platte selbst befindet sich in einer ungepolsterten Innenhülle aus Papier – aber dafür habe ich vorgesorgt und packe die schicke Scheibe in eine extra Hülle. Ein beidseitig bedrucktes Inlay hält auf der einen alle Texte und Credits bereit, auf der anderen Seite findet sich ein Bandfoto des Quintetts, dass sich bestens zum signieren eignet – es gibt ja verschiedene Gelegenheiten wie beispielsweise die Auftritte beim Rock Harz oder dem Summer Breeze Open Air.
Die Vinyls gibt es als Picture Edition (limitiert auf 200 Exemplare), wobei die Hinweise “Seite A” und “Seite B” nicht vorhanden sind. Ich befragte NYKTOPHOBIA Gitarrist Michael dazu:
Wie kann man denn Seite A und B der Picture unterscheiden, wenn man das Mockup nicht kennt?
Micha: Das habe ich mich persönlich auch gefragt, aber vielleicht probiert man es einfach selbst?!
Bevor wir zur “re-Vinyl” kommen verrate ich euch an dieser Stelle, dass Seite A dort ist, wo die helle Galaxie abgebildet ist, Seite B ist dann dementsprechend die andere Seite mit der brennenden Galaxie. Sollte die Picture beim abspielen hier und da Knackgeräusche von sich geben hilft eine Reinigung und die Aufhebung der statischen Aufladung. Die nachhaltige Variante “Marbled re-Vinyl” klingt wie jedes andere farbige Vinyl, die coole Sache ist, dass hier keine Platte aussieht wie die andere und man zu 100% ein Unikat sein Eigen nennen darf – 100 Stück gibt es davon, eine habe ich hier bei mir in überwiegend grüner Farbe und verschiedenen Marbled Tönen, die auch gut zum übrigen Design passt.
Wir starten unsere Reise zu den Sternen mit dem 78 Sekunden Intro ‘The Gateway’, dass sehr ruhig zum Titelsong ‘To the Stars’ hinführt, welcher das Tempo Stück für Stück steigert um mit famosen Drums und rasenden Gitarren ein Feuerwerk zu entfachen. Die beiden Sänger Tomasz Wisniewski (Leadvocals) und Phillip Reuter geben vom Start weg Vollgas und halten ihre Qualität und Performance über die gesamte Strecke des Albums hoch. Das ist hinsichtlich der Atmosphäre sehr wichtig, denn Tomasz mit seinem dunklem gutturalen Gesang und Phillip mit den grellen Growls beeinflussen die Stimmung enorm. Apropos Stimmung, die wird während ‘Farewell’ schon beeindruckend bedrückend. Man fühlt sich tatsächlich so, als müsste man Lebewohl sagen, wenn man den Text parallel liest, wird dieses Gefühl noch intensiver. Für Melancholie ist aber keine Zeit, denn wir passieren ‘Charon Gate’ und das mit deftig wuchtigen Klängen, die auch zum Moshen geeignet sind. ‘The Fall of Eden’ könnte man als finstere Prophezeiung deuten und als Warnung für uns Menschen verstehen. Doch die Vermutung liegt nahe, dass die Menschheit sich irgendwann auch auf den Weg “To The Stars” machen muss, da unser Paradies ebenfalls unaufhaltsam ausgebeutet wird – und zwar von uns selbst.
Ich habe im Rahmen unseres Interviews Micha und Phillip gefragt, ob sich die Menschheit irgendwann zu den Sterne aufmachen wird, wenn sie “Gaia” zerstört hat?
Micha: Es wird wohl nichts anderes übrig bleiben, aber ob es wirklich so gut wäre Wenn man sich mal anschaut, wie die Menschheit mit unserem Planeten umgeht?!
Phillip: Ich bin überzeugt davon, dass wir das natürlich theoretisch könnten, es aber wie viele andere kleinere Herausforderungen vergeigen werden.
Drehen wird die Platte auf Seite B hören wir zunächst kein Melodic Death Geballer, sondern eine ruhige Klangkulisse und Vögel, die munter zwitschern. Natürlich bleibt es nicht so ruhig, denn nach der Anfangsphase trumpft auch ‘Progenitor’ mit Bass-Attacken, fetten Riffs und eben jenen dunklen und grellen Growls auf, die schon die ganze Zeit Bock machen. Das man bei NYKTOPHOBIA weiß, wie man den Gashahn aufdrehen muss, zeigen sie bei ‘Behind the Stars Exists No Light’ und den beiden als Singles veröffentlichten Liedern ‘Millenium’ und ‘Voyager 1’. ‘Millenium’ bekam ein Video spendiert, welches das Design des Albums lebhaft zeigt und das mit Zitaten von Musikern gespickt ist, die ihre Meinung zum Song abgeben und voll des Lobes sind. Das Video zum finalen Lied ‘Voyager 1’, welches mit über sieben Minuten das längste ist, ist ein aufwändig gestaltetes Lyric-Video. Im Song selbst spiegelt sich vieles, was ich bisher auf “To The Stars” gehört und während des Hörens gefühlt habe. Eine Stimmung der Melancholie, die auf der einen Seite Gefühle wie Traurigkeit, Wut und Hoffnungslosigkeit hervorbringt. Auf der anderen Seite ziehen NYKTOPHOBIA den Hörer ganz in ihren Bann mit ihrer facettenreichen Klangschaft, die eine Mixtur aus brachialen Trommelschlägen, sägenden Gitarren und zweistimmigen Growls ist und mit Pianoklängen oder auch Vogelgezwitscher gewürzt wird.
NYKTOPHOBIA schaffen es, das Kopfkino des Hörers zu aktivieren und das ist auch wohl die größte Leistung, die eigene Musik für sich selbst und andere “erlebbar” zu machen und beim Zuhörer verschiedene Gefühle, Stimmungen und Schwingungen zu wecken, die Bilder vorm geistigen Auge erzeugen. Mein Kompliment an Musikschreiber Michael Tybussek und Lyrik-Mastermind Phillip Reuter für diese großartige Platte, die in Sound, Text und Gesamtkonzept einfach richtig geil ist! Natürlich gehören da auch noch Sänger Tomasz dazu, genauso wie Schlagzeuger Michiel van der Plicht und Bassist Ben Bays, die ihren Fans eine grandiose (Eigen)Produktion präsentieren, an der sich manch andere Band ein Beispiel nehmen könnte. Danke Männer!
“To The Stars” und die gesamten noch verfügbaren Varianten findet ihr hier: https://nyktophobia.bandcamp.com/album/to-the-stars
Tobi Stahl vergibt 10 von 10 Punkten