MY REFUGE
Titel: THE ANGER IS NEVER OVER
Label: Pride & Joy Music
Spieldauer: 59:47 Minuten
Ein sehr interessantes und durchaus gelungenes, musikalisches Experiment haben die 2010 in Mailand gegründeten Power Metaller MY REFUGE für ihre neue Platte “The Anger Is Never Over“ in Angriff genommen. Nach einigen Lineup-Wechseln beschloss man im vergangenen Jahr, in neue Dimensionen vorzustoßen und MY REFUGE in ein multinationales Projekt zu verwandeln. Das revolutionäre, am Ende aus achtzehn Beteiligten bestehende Kollektiv umfasst Musiker aus vierzehn Nationen von vier Kontinenten, darunter elf verschiedene, bislang weitgehend unbekannte Vokalist*innen. Die Italiener präsentieren dabei mit ihrer multinationalen Unterstützung im oberen Tempo angesiedelten, traditionellen Power Metal (süd)europäischer Prägung. Dabei drückt jeder Interpret „seinem“ Song den individuellen Stempel auf, was die Scheibe enorm spannend und abwechslungsreich macht. Trotzdem steht die Musik im Vordergrund und die Kompositionen wirken weitestgehend homogen und organisch, da das Songwriting zum weitaus überwiegenden Teil aus der Feder der Italiener stammt. Um allen Beteiligten gerecht zu werden und das Gesamtkunstwerk ausreichend zu würdigen, an dieser Stelle das Review Song für Song und unter Angabe der jeweiligen Protagonisten und ihrer Herkunft:
‘Immortal Fire’/Berzan Onen (Türkei): Sehr guter Opener in Form eines schnellen, melodischen Songs mit eingängigem Refrain, starkem Solo und einer starken Gesangsperformance mit teilweise aggressiven, hohen Schreien.
‘War in Heaven’/Iggy Rod (Argentinien): Hier geht es instrumental einen Tick härter zur Sache, gesanglich ebenfalls teils recht hohe Linien und ein Mitgröl-Refrain.
‘The River And The Rain’/Ronny Castillo (Venezuela): Der Keyboard-Orgelsound zu Beginn lässt an Powerwolf denken, aber die schnellen Leads, der hohe Gesang mitsamt Ohrwurm-Chorus erinnern dann doch eher an Stratovarius.
‚Winterland’/R. A. Voltaire (Kanada): Die Vorabsingle und DER Hit der Platte begeistert mit schicken Riffs, gefühlvollem Solo und der klaren Stimme. Der packende Rhythmus und Chorus laden förmlich zum Mitsingen und Fäusterecken ein.
‘The Last To Die’/Fernando Neri (Brasilien): Getragener, etwas eintöniger Song, in dem nicht viel passiert und der auch nicht so recht zünden will, woran auch die passable Stimme nichts zu ändern vermag.
‘What If Tomorrow Never Came’/Illias Michailicos (Griechenland), Gabriela Kaufmanova (Tschechien): Durchwachsene, etwas konfus wirkende Halbballade mit grandiosem Solo, bei der die Pianobegleitung der Tschechin nicht wirklich gut mit den Vocals harmonieren will.
‘Mistress Of The Dark’/Davide Vella (Italien): Vielseitiges Stück mit düsterem Beginn, einer tollen Hook und einigen fast progressiven Elementen.
‘After Ten Years‘/Rafael Dinnamarque (Brasilien): Mitreißender Track mit eingängiger Melodie, tiefen Leads, fesselndem Solo und groovigen Drums, der an neuere Helloween denken lässt.
‘Until The End’/Kike Valderrama (Kolumbien): Das vermutlich härteste und schnellste Stück der Scheibe, bei dem Stimme und Refrain an Hansi Kürsch (Blind Guardian, Demons & Wizards) erinnern.
‘Memories’/Andra Ariadna Chitu (Rumänien), Katarina Gubanova (Ukraine): Die Sängerin und ihre Kollegin am Piano zeigen den Jungs was eine (weibliche) Harke ist und präsentieren einen der besten Songs der Platte mit eindringlicher Melodie und gefühlvollen Gänsehaut-Vocals.
‘The Anger Is Never Over’/Arthur Pessoa (BRA): Der energiegeladene, intensive Titelsong ist mit treibenden Riffs und Drums und vielseitiger Gesangsleistung zum guten Schluss ein weiteres Highlight des Silberlings.
Insgesamt ein starkes Stück Melodic/Power Metal mit weitestgehend starken Songs und einigen gar progressiven Elemente sowie ein ungemein faszinierendes und zur Nachahmung empfohlenes Projekt, das schon jetzt nach einer Fortsetzung schreit. Aber kein Grund zur Panik! Mastermind Mauro Paietta hat bereits angekündigt, eine weitere Platte mit identischem Ansatz und demselben Lineup folgen zu lassen und sein Projekt auch mit so vielen Beteiligten wie möglich auf der Live-Bühne umzusetzen.
Michael Gaspar vergibt 8 von 10 Punkten