MOTOROWL
Titel: THIS HOUSE HAS NO CENTER
Label: SUPREME CHAOS RECORDS
Spieldauer: 44:24 Minuten
VÖ: 16.Februar 2024
Ich gebe zu: Ich war etwas voreingenommen gegenüber der „Generation Schnorres“, wie ich die Schnurrbarträger auf Konzerten oder Festivals (eher wenig liebevoll) genannt habe. Dem ist wohl auch geschuldet, dass MOTOROWL, trotz Tour mit Long Distance Calling, mit ihrem zweiten Album „Atlas“ aus 2018 unter meinem Radar liefen obwohl sie sich bereits mit Ihrem Debüt „Om Generator“ aus 2016 die Bühnen mit Solstafir oder auch All Them Witches teilten. Erst geraume Zeit später kam ich ich den Genuss von „Atlas“ und muss zugeben: Meinungen können sich durchaus ändern. „Atlas“ hatte mich überzeugt. (Nur nicht vom Schnorres – da bleib ich eigen.) Etwas unsicher ob es nun einzig und allein an Herrn Swanös Künsten gelegen haben könnte war ich relativ gespannt auf die neue Veröffentlichung „THIS HOUSE HAS NO CENTER“. Bereits seit 2014 sind MOTOROWL unterwegs und mit ihrem dritten Album nun auf dem Weg in die Eigenständigkeit: Max Hemmann (Gitarre/Gesang), Vinzenz Steiniger (Gitarre), Tim Camin (Bass), Daniel Dettlev (Synth, Orgel) und Martin Scheibe (Schlagzeug, Percussion) haben beschlossen sich nach Vertragsauflösung mit Century Media nun selbst adäquate Fähigkeiten im Produzieren von Rockmusik anzueignen und ich meine das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.
Recht künstlerisch ambitioniert gingen die fünf Herren ans Werk und schafften so erst das Konzept bevor es an die eigentliche Musik ging. Das neue Album „THIS HOUSE HAS NO CENTER“ befasst sich inhaltlich mit dem Gedankenspiel einer Person, die auf der Suche nach der ultimativen Wahrheit feststellt, dass die Wahrheit nie ohne Perspektive zu begreifen ist. Lyrisch ist das ein Haus ohne Mitte, ein Raum ohne Ende. Visuell wird das ganze gefestigt durch ein Haus, das aus mehreren architektonischen Epochen zusammengewürfelt wird und sich in einem leeren Raum befindet. Dabei haben MOTOROWL ein visuelles Konzept gemeinsam mit dem Artworker Michael Weinlein („Weeem“), sowie den Regisseur*innen Lena Kömmling, Paul Schlesier und Marie Ronniger entwickelt.
MOTOROWL zeichnen sich aus durch teils starke progressive 70er Jahre Ansätze, erinnert aber auch an manchen Stellen wie dem Track `Fences`, von dem ich mir etwas mehr an Länge erhofft hatte, an z.B. Pendragon. Also durchaus Neo-proggige oder auch psychedelische Art-Rock Einschläge. Und die Kunst wird hier ja groß geschrieben wie man merkt. Die Anordnung der Albumtitel sowie deren Klang wirkt stellenweise etwas verschoben, eben wie das Haus ohne Mitte auf dem Artwork, und fügt sich trotzdem als Ganzes irgendwie zusammen. Langweilig wird es einem beim Hören nicht: Gesang und Musik sind sehr schön aufeinander abgestimmt, ebenso wie die Tempowechsel oder Soundeffekt der einzelnen Tracks. Dafür mitverantwortlich ist Pieter Kloss, der dem Album im Void Studio in Eindhoven den letzten Schliff verpasst hat. Ganz großartige Songs sind zu finden wie zum Beispiel `Clean Passage`, das mit einer Spieluhr und Gewitter beginnend sich langsam aber stetig immer mehr dazu entwickelt dir die Gehirnwindungen aufzuweichen und an Intensität ständig zunimmt bis man selbst mitschreien möchte. Harmlos rutscht man vom Traum in den Albtraum; wo man gerade noch friedlich über einen Weg spazierte stellt man nun fest, dass irgendwas nicht stimmt. Ein mulmiges Gefühl kommt auf und man versucht weg zu laufen ohne wirklich von der Stelle zu kommen und hat das Gefühl sich irgendwo zu verlieren. Ein wirklich großartiges Stück, ebenso wie der Titeltrack `No Center` der neben einnehmendem Chorus auch einen ähnlichen massiv wirkenden (Rhythmus) Charakter hat und das Album sehr schön zusammenfasst. Da nickt der Kopf doch gerne. Genau diese beiden Lieder sind mir beim ersten Hören auch in Erinnerung geblieben, während der Rest ein wenig verschwamm (wo war das nochmal?) und wenn ich müsste wäre nur das ein Kritikpunkt, der aber so eigentlich auch nicht stehen gelassen werden kann. Denn thematisch hat das Album ja mit der Orientierungssuche sein Ziel des Hauses ohne Mitte, dem verschwimmen von Perspektiven, voll erreicht. Ich kann es nur weiterempfehlen und man darf sich ruhig die Zeit nehmen die Scheibe mehrmals zu hören um ihren Klang und die Kunst dahinter voll zu verinnerlichen.
Judith Kroll vergibt 9 von 10 Punkten