MOTÖRHEAD – THE LÖST TAPES: THE COLLECTION (VOL 1-5)

MOTÖRHEAD

Titel: The Löst Tapes: The Collection (Vol 1-5)

Label: BMG/WARNER

Spieldauer: 388:27 Minuten

VÖ: 23. Februar 2024

Knüppel aus dem Sack! Kurz nach dem Release des fünften und letzten Kapitels der „The Löst Tapes“-Serie („Download Festival 2008“) werden alle Liveaufnahmen der Serie als Boxset auf CD wiederveröffentlicht. 8 CDs, 6 ½ Stunden MOTÖRHEAD live und in vollster Pracht. Als ich die Ehre bekam, mich diesem Vermächtnis anzunehmen, war mir klar, dass das Ganze nicht einmal in drei Zeilen abzuarbeiten ist. Denn bei diesem Namen erstarre ich als leidenschaftlicher Jünger seit spätem Kindesalter in tiefster Ehrfurcht.
Zugegeben: Die ersten vier Veröffentlichungen – begonnen im Mai 2021 – hatte ich bei Release nicht wirklich genau verfolgt, mir die gesammelten Werke vor diesen Worten jedoch gleich drei Male in voller Pracht gegeben (Nachholbedarf?!). Und was ist schon geiler als 6 ½ Stunden MOTÖRHEAD live aus der Archivkammer am Stück zu hören? Wer mir das verraten kann, bekommt von mir einen fetten Karnevalsorden. Aber nun genug: Butter bei die Fische!

Los geht’s mit einer Liveaufnahme in Madrid aus dem Jahre 1995 („Vol. 1“, Doppel-CD). „Sacrifice“-Tour. Lemmy wie meistens gut drauf. Ansagen gibt‘s auch gerne mal auf Spanisch. Vier Songs des damals aktuellen Albums kamen hier zum Zuge (der Titeltrack und ‚Over Your Shoulder‘ blieben noch lange im Repertoire), als besonderes Schmankerl haben sie sich mit ‚Silver Machine‘ sogar einem Track von Lemmys Vorgängertrupp HAWKWIND angenommen. Das hatte ich zuvor aus dem Stehgreif bei keiner MOTÖRHEAD Show bzw. Aufnahme in Erinnerung… So kann’s gut losgehen!

Auch „Vol. 2“ mit einem Konzert aus Norwich vom Oktober 1998 kommt als Doppel-CD, mit jedoch nur zwei Songs des seinerzeit aktuellen „Snake Bite Love“ Albums. Ob Lemmy von der Scheibe selbst vielleicht gar nicht so schwer begeistert war? Nun, dieses Geheimnis wird wohl mit seiner Asche verweht worden sein, doch auch hier tauchen wieder recht selten gespielte Perlen auf; nennenswert vor allem ‚Nothing Up My Sleeve‘ (!) und der „Another Perfect Day“ Track ‚Shine‘. Apropos: gleich mit ‚Bomber‘ ins Set zu starten, ist natürlich auch alles andere als ein Kapitalfehler.

„Vol. 3“ beinhaltet – als letzte Doppel-CD der Box – ein sehr sympathisches Konzert aus Malmö (oder mit den Worten des Chefs „Mallmooo“) aus dem November 2000. Ganz besonders ulkig in Erinnerung geblieben ist mir hier die klassische Eröffnungsansage, bei der sich Lemmy gleich mal über „feedback on vocals“ beschwert und scheinbar keinen Rock’n’Roll spielen will, sondern zum Hobbystylisten übergehen möchte („…and we’re gonna brush your hair!“). Ansonsten ist die Setlist hier recht ähnlich mit der von „25 & Alive – Boneshaker“ (DVD/CD), zumal zwischen beiden Konzerten auch nur vier Wochen lagen…

„Vol. 4“ ist mittlerweile irgendwie zu meinem persönlichen Favoriten avanciert. Aufgenommen am 29. Dezember 1984 in Heilbronn gibt es hier einen Konzertmitschnitt der nur recht kurzlebigen Viererbesetzung Kilmister/Burston/Campbell/Gill (Ex-SAXON), die nur zwischen 1984 und 1987 existierte. Verglichen mit Mikkey Dee hatte Pete Gill eine weniger aggressive, aber irgendwie sympathische, leicht rumpelige Spieltechnik; vielleicht ist diese Vermutung aber auch auf das Alter der etwas ungehobelten Aufnahme zurückzuführen. Es ist jedenfalls aus heutiger Sicht sehr charmant zu hören, wie Lemmy ‚Killed By Death‘ als brandneue Single erwähnt, die sich besser verkaufen sollte. Und auch, wenn in dieser Ära nicht die größten Klassiker geschrieben wurden; doch live machten sich MOTÖRHEAD als Quartett hervorragend… Für echte Nostalgiker ist das hier definitiv die Kirsche auf der eh schon prallen Sahnetorte!

Mit „Vol. 5“, welche nun kurz vor der gesamten Box erschien, schließt sich der Kreis. Aufgenommen im Juni 2008 beim „Download Festival“, bietet die Setlist grob einen Querschnitt, wie ich persönlich MOTÖRHEAD erstmalig live in Erinnerung habe. Auf der „Kiss Of Death“ Tour im Dezember 2006 in Trier war es mit der Jungfräulichkeit für den pubertierenden Rotzlöffel endlich ein für alle Mal vorbei. „Motörizer“ kam erst einige Wochen nach der Show auf den Markt, somit gab’s davon auch noch nichts zu hören. Allerdings wirkt die Setlist so, als hatte man bei der Spielzeit etwas abspecken müssen; was auch erklärend wäre, warum ein Gassenhauer wie ‚Iron Fist‘ fehlt. Zu dieser Zeit Hochkaräter in MOTÖRHEAD Setlists: Lemmys Hommage an die legendären THIN LIZZY in Form einer ‚Rosalie‘ Coverversion. Als krönenden Abschluss haben sie hier Ex-Gitarrist Michael Burston alias Würzel für ‚Ace Of Spades‘ und ‚Overkill‘ auf die Bühne geholt; und nur drei Jahre später sollte er der erste MOTÖRHEAD-Musiker sein, der für immer von uns ging. Leider folgten in sehr kurzen Abständen noch einige weitere…

Mal wieder zeigt sich mit „The Löst Tapes“, was uns der schicksalshafte 28.12.2015 genommen hat: den wohl wahrscheinlich Größten aller – ein Unikat, der von keinem ersetzt oder ausgetauscht werden kann. Eine wahre Legende und ein Mensch, der es mit Leichtigkeit schaffte, generationenübergreifend Leute mit gutem Musikgeschmack – egal ob (Outlaw) Biker, Rocker, Punk oder eben Metalhead – in seinen Bann zu ziehen. Wir diesseitigen können nur hoffen, dass der Klang des Rickenbackers niemals in unseren und den Köpfen unserer nachfolgenden Generationen verhallen wird…

Nun, was soll ich noch sagen? Kaufen, liebe Motörheadbängers zwischen 0 und 99; und davon sollte es die nächsten Jahrzehnte hoffentlich noch genug von geben!!!

P.S.: Alle fünf Shows aus einer Zeitspanne von 24 Jahren haben eines gemeinsam: es wurde ‚Killed By Death‘, ‚Ace Of Spades‘ und – natürlich ausnahmslos am Schluss – ‚Overkill‘ gespielt. Nur meine persönlich heiß und innig geliebte ‚Iron Fist‘ fehlt – wie bereits erwähnt – bei der letzten Aufnahme von 2008, wird aber auf allen anderen vier Shows wie immer erbarmungslos herunter gerödelt. Aber das nur am Rande für eingefleischte Listenfetischisten 😉.

 

Marius Gindra vergibt 10 von 10 Punkten