IVANHOE – HEALED BY THE SUN

IVANHOE

Titel: HEALED BY THE SUN

Label: Massacre Records

Spieldauer: 52:25 Minuten

VÖ: 10. Mai 2024

Der Mai macht (fast) alles neu, denn die Prog-Rock Truppe IVANHOE melden sich mit ihrem neuen Werk “Healed By The Sun” und den neuen Bandmitgliedern Chris (Gitarre) und Mathias (Schlagzeug) nach vier Jahren ohne Langspieler zurück. Dabei dürfen sich wohl besonders Fans der ersten Stunde auf die von Andy Horn gemixt und gemasterte Scheibe freuen, denn der Songwriting-Prozess soll IVANHOE wohl auf eine Reise zurück zu den Wurzeln geschickt haben und alle früheren Werke in tatkräftiger Mitarbeiter der beiden neuen Musiker mit einbezogen wurden. IVANHOE kündigten im Vorfeld an (laut Info im Promotext), dass die neuen Lieder eingängiger, zugänglicher und die Kompositionen
anspruchsvoller sind. Thematisch ließ man sich von Beobachtungen der Gesellschaft inspirieren und griff Dinge wie COVID, Verantwortung für das eigene Handeln, Drogenmissbrauch oder den Stand der Kirchenskandale. Aber auch tiefe persönliche Erfahrungen und Traumata sind Gegenstand einiger Songs.

Zum festen Line-up bestehend aus Alex Koch (Vocals), Chris Lorey (Gitarren), Gio Soulas (Bass), Richie Seibel (Keyboards) und Mathias Biehl (Drums) gesellen sich die Gastmusiker Markus Britsch (Keyboards bei ‘Goodbye’, ‘Small Path Home’ und ‘Awaiting Judgement Day’), Sascha Schlobinski (Bass bei ‘Picture In My Mind’, Michael Krebes Vocals bei ‘Awaiting Judgement Day’) und Thomas Kovacs (Gitarren bei ‘Awaiting Judgement Day’). “Healed By The Sun” wird es als CD mit 52:26 Minuten Laufzeit geben, die Vinyl hat nur 44:09 Minuten Playtime und eine digitale gibts auch. Das Coverartwork entstammt der Feder von Michael Krebes.

‘Daybreak’ ist ein 40 Sekunden Intro und steht dem Titeltrack ‘Healed By The Sun’ vor, der das Album kraftvoll und dynamisch eröffnet, dass mit ‘Headnut’ weiter an Power gewinnt und die COVID Thematik aufgreift – in diesem Zusammenhang muss man wohl auch drastischer klingen, denn Chris Lorey verrät:

‘Headnut’ beschreibt die psychische Belastung durch COVID, die Einschränkung durch Lockdowns, die Unsicherheit im Umgang durch Regierungen sowie die psychischen Folgen und unseren Umgang damit. Wir weinen um die Opfer, während ‘das Biest’ sich hungrig um den Globus wälzt. Unsere Träume und Pläne bleiben auf der Strecke und wir sehen sie als Licht (Kerze) brennen. (Wie in ‚Healed By The Sun‘ zeigt sich auch hier das Licht wieder als Hoffnung und Heilung, was sich im Titel des Albums verfestigt.)

‘Moments In Time’ bringt uns wohl zurück zum Terroranschlag auf die Twin Towers, ist in Gesang und Sound insgesamt eher ruhig, natürlich verzichtet man nicht auf die sehr anspruchsvollen Solis. Nach dem instrumentalen ‘Goodbye’, das an die 32 Sekunden dauert, geht es in ‘Small Path Home’ kritisch, aber weitestgehend ruhig weiter, am Ende wird es dennoch nochmal aufwühlend – verraten wird hier dazu aber nichts. Nach dem flotten ‘Invictus’ kommt ‘Picture In My Mind’ ein sehr emotionaler Bonus Track über Verlust und Anklage eines vierjährigen Kindes, das wohl seine Mutter verloren hat. Nicht minder emotional geht es in ‘One Ticket To Paradise’ zu, das mit der Frage ‘You wanna take ride?’ startet und die Drogenprobleme in Europa und den USA thematisiert. Die Singleauskopplung kommentiert Chris Lorey so:

Der Song dreht sich textlich um das wachsende Drogenproblem in den USA und Europa, der damit zusammenhängenden Vereinsamung der Betroffenen und das Leben von einem Schuss bis zum nächsten – vom Schuss in der Nacht über den Tiefpunkt (und Kater) des Tages und den nächsten Trip: Die nächste Ausfahrt zu nehmen und mit dem ‘Drogenticket’ den Trip ins Paradies zu nehmen. Textlich ist der Song inspiriert durch die alten “Miami Vice” Folgen, von den dunklen nächtlichen Strassen und der leichten “Düsterheit früher Folgen”.

‘War Of Ages’ hämmert energetisch aus den Boxen was ‘10C’ zunächst auch macht, aber im Verlauf ruhiger wird und kritisch mit Religion ins Gericht geht, ‘Broken Illusions’ ist der offizielle Aschluss von “Healed By The Sun” und mit sechseinhalb Minuten auch schon der längste Song auf der Scheibe. CD -und Streaming-Fans erfreuen sich an der Neuaufnahme von ‘Awaiting Judgement Day’, der zum ersten Mal 1989 auf dem Demo “Written In Stone” zu hören ist.

Im Gegensatz zu anderen Prog-Alben ist “Healed By The Sun” tatsächlich zugänglich und nicht so frickelig, sodass auch Musikfreunde außerhalb des Genres Freude an und mit der Platte haben können. Die meisten Songs passieren die fünf Minuten Marken nicht, das macht die Lieder kurzweilig(er) – ob das Fans der überlangen Nummern gefällt weiß ich nicht. Nur gut, dass Musik Geschmackssache ist, mir reichen auch “kurze” instrumentale Phasen innerhalb eines Songs. Die Texte lassen, bis auf ein paar Ausnahmen, Spielraum zur individuellen Interpretation und regen an zur Diskussion. Beim ersten Hördurchgang kristallisierte sich noch kein Favorit unter den dreizehn Songs heraus, dass passierte erst eine Weile später und ist auch völlig ok so – man darf sich auch gerne mal länger mit einer Platte beschäftigten. Das Fehlen eines offensichtlichen Hits könnte aber auch den einen oder anderen eher abschrecken, was schade wäre um “Healed By The Sun”, dass ein durchgängig gutes Album geworden ist.

Tobi Stahl vergibt 7,5 von 10 Punkten