HORISONT – SUDDEN DEATH

HORISONT

Titel: SUDDEN DEATH

Label: CENTURY MEDIA / SONY

Spieldauer: 52:07 Minuten

Wenn Männer mit robusten Schenkelbürsten zu einem Streifzug durch die jüngere Musikgeschichte ansetzen, kann es sich bloß um Skandinavier handeln. HORISONT landeten 2017 mit „About Time“ und den darauf enthaltenen kompakten Songperlen einen echten Achtungserfolg. Da inzwischen schon wieder drei Jahre ins Land gezogen sind, wird darauf nur schwerlich aufzubauen sein. Zumal sich die Schweden auf ihrem Eishockey-Album noch mehr als bisher dabei austoben, mannigfaltige Einflüsse in ihre Songvisionen einfließen zu lassen. Noch luftiger wird der Ansatz durch federleichte, Piano-lastige ELO-, Manfred Mann- und gar Fab Four-Reminiszenzen, die die gesamte Spielzeit über ertönen.  Dadurch treten ähnlich wie kürzlich bei Church Of The Cosmic Skull die 70ies-Hardrock-Vibes etwas in den Hintergrund, auch wenn die Auskopplung „Pushin‘  The Line“ ins selbe Horn bläst wie einst „Electrical“.

HORISONT haben echte Meisterschaft darin entwickelt, den natürlichen Fluss ihrer Songideen zu fühlen und so ohne Ballast auskommende Stücke mit nie aufgesetzt wirkenden Gimmicks zu arrangieren. Die Bläserarrangements in „Into The Night“ etwa integrieren sich geschmeidig in einen treibenden Rock-Pop-Kontext, und derart entsteht eine Komposition, die sich so manche Band in den späten 70ern nur zu gerne ins Portfolio gestellt hätte. Dabei sorgen geschmackvolle Harmonielinien an den Sechssaitigen wie auch insbesondere Axel Söderbergs schwüler, exaltierter Gesang (das orgiastische „Hold On“, welches 1979 todsicher ein Hit gewesen wäre) für die nötige Wucht und verhindern das Abgleiten in gar zu gefällige Gefilde. Zudem ist manches Riff bei aller Eingängigkeit bemerkenswert komplex ausgefallen (das fetzige „Runaway“, mit knackigem Southern Rock-Gitarrenduell), ein weiterer Umstand, der den handwerklichen Reifeprozess der Musiker unterstreicht. Dies verleiht HORISONT auch das Selbstbewusstsein, mit ungewöhnlichen Sounds und Strukturen zu experimentieren. So treffen in „Breaking The Chain“ cheesige 80ies Keyboardsounds und Pop-Melodien auf verdächtig nach Rush klingende Versatzstücke, während sich das abschließende Instrumental „Archaeopteryx in Flight“ eben diese Versatzstücke vornimmt und in ein an „2112“-gemahnendes Prog-Puzzle überführt. Hier hat man tatsächlich nie den Eindruck, dass an der nächsten Ecke ein uninspirierter Song lauern könnte.

Und auch wenn nicht jedes Stück uneingeschränkte Begeisterung auslöst („Standing Here“ etwa tönt etwas fragmentarisch): besseren (und organischer produzierten) Classic Rock wird man im Jahre 2020 schwerlich finden. Ein mutiges und starkes Album!

Patrick Müller vergibt 8,5 von 10 Punkten