HAMFERÐ – MEN GUÐS HOND ER STERK

HAMFERÐ

Titel: MEN GUÐS HOND ER STERK

Label: Metal Blade Records

Spieldauer: 43:38 Minuten

VÖ: 22. März 2024

Von den Faröer Inseln bringt uns das Sextett HAMFERÐ seit 2008 einen atmosphärischen Mix aus Death und Doom Metal, gehalten in Landessprache. Die Musiker aus Tórshavn veröffentlichten ihren letzten Langspieler “Támsins likam” im Jahr 2018 und 2019 legten sie die EP “Ódn” bei Metal Blade Records nach. 2024 dürfen sich Fans von Jón Aldará (Vocals), Theodor Kapnas (Guitars), Eyðun í Geil Hvannastein (Guitars), Jenus í Trøðini (Bass), Esmar Joensen (Keyboards) und Remi Kofoed Johannesen (Drums) auf acht neue atmosphärische Songs der Färinger freuen, die auf dem Album “Men Guðs hond er sterk” enthalten sind. Wer sich fragt, was der Name des vierten Langspielers von HAMFERÐ bedeutet, wird die Übersetzung im Laufe dieses Artikels entdecken. “Men Guðs hond er sterk” wurde von Theodor Kapnas produziert und gemischt und wir dürfen gespannt sein auf das, was uns HAMFERÐ servieren, denn die Band verzichtete auf jegliche schnelle Tricks moderner Aufnahmetechnologien.

Theodor Kapnas schwärmt:

Die Ästhetik vieler älterer Schallplatten gefällt mir außerordentlich gut. Sabbath, AC/DC, noch ältere Slipknot. Die Platten klingen wie eine zusammenspielende Band, sie grooven auf eine bestimmte Art und Weise. Diese ganze Dynamik verleiht der Musik eine Schärfe, die in der großen Mehrheit des heute veröffentlichten Metals fehlt. Das ist sehr subjektiv und ich weiß, dass die meisten erfolgreichen Bands viel ausgefeilter klingen als wir, aber unsere Vision war es, eine Platte zu machen, die so klingt, als würden wir sechs zusammen spielen.

Über die Arbeit an “Men Guðs hond er sterk” sagt Theodor:

Damit dieses Album einen Sinn ergab, musste es eine Gemeinschaftsleistung sein. Wenn alle gleichzeitig spielen, gibt es keinen Ort, an dem man sich verstecken kann. Jeder kann seinen Beitrag einbringen; Die Platte wird mehr zu einem kollektiven Stück, als es vielen Bands heute möglich ist. Wir haben aktiv versucht, alle so weit wie möglich einzubeziehen. Jeder hat einen Job und eine Familie, daher ist es wichtig, dass sich alle emotional engagieren und das Gefühl haben, dass dies unser Ding ist und wir alle gemeinsam dabei sind.

Nachdem der Erzählbogen ihrer ersten Veröffentlichungen mit “Támsins likam” abgeschlossen wurde, entwickelten HAMFERÐ für “Men Guðs hond er sterk” ein neues Konzept, welches von einem erschütternden lokalen Ereignis aus dem Jahr 1915 handelt. Vor dem Dorf Sandvik auf den Färöern (Heimat des HAMFERÐ-Keyboarders Esmar Joensen) starben 14 Männer, als sie Wale in der stürmischen Bucht an Land trieben. Die Dorfbevölkerung wurde vom Meer aus Zeuge der Tragödie. Diese Geschichte macht es HAMFERÐ möglich, die Bedeutung ihres färöischen Namens näherzubringen und ihm Leben einzuhauchen.

Wenn man jemanden in Hamferð sieht, sieht man seine Erscheinung. Meistens sind es Ehefrauen und Ehemänner auf See, die sie mitten in der Nacht tropfnass im Türrahmen gesehen haben. Typischerweise ist es in der Folklore eine Warnung, dass etwas Schlimmes passieren wird, und es gibt mehrere dokumentierte Episoden, die sich 1915 in Sandvik ereigneten. Für uns schließt sich also quasi der Kreis.

Nach der Einführung gehen wir jetzt aber ins Album, das mit dem schweren Song ´Ábær´ eröffnet wird und sich tief in die Seele des Hörers bohrt. Die Übersetzung, beziehungsweise einen sinngemäßen englischen Songnamen, haben uns HAMFERÐ an die Hand gegeben und so würde ´Ábær´ auf einer englischen Tracklist ´To The Storm´ heißen. Ähnlich düster, teilweise wütender und mit mehr Klargesang kommt ´Rikin´ (´Driven´) rüber, ´Marrusorg´ (´Nightmare Grief´) ist ein balladesker Song, der seine urtümliche Klangewalt in über sechs Minuten entfaltet und mich mit seiner sanft-rauen Art in seinen Bann zieht. ´The Glow´ würde die Ballade ´Glæman´ heißen, die über die komplette Spieldauer mit Klargesang erfreut und eine melancholische Stimmung erzeugt. Diese Stimmung behalten HAMFERÐ auch in `Í Hamferð´ (´As Apparitions´) bei, zumindest in der ersten Hälfte des Liedes, denn die zweite wird deutlich rauer. Sanftmütige Gitarren und weiche Vocals sind in ´Fendreygar´ (´Ghosts Of The Marsh´) zu hören, dass zunehmend bedrohlicher wird und an Intensität gewinnt, die sich im rohen ´Hvõlja´ (´Whaleskin´) fortsetzt.

Theodor sagt über ´Hvõlja´:

Ich hatte eine große Faszination dafür, Dinge rauer, schmutziger und hässlicher zu machen. Musikalisch geht es vor allem um Spannung; schwebende Akkorde und angespannte Harmonien, immer mit diesem Gefühl der Unsicherheit. Der vorletzte Song ist vielleicht mein Lieblingssong auf der Platte, einfach weil er so kompromisslos ist.

Das große Finale ist der Titeltrack ´Men Guðs hond er sterk´, was übersetzt ´But Strong Is The Hand of God´ bedeutet und auch hier möchte ich nicht viel schreiben, sondern lieber aus der beiliegenden Info zitieren, denn die Spoken Words aus dem abschließenden Titeltrack enthalten eine Aufzeichnung eines der verbliebenen Überlebenden, die er in einem Radiointerview aus den 1950er Jahren tätigte:

Es beschreibt, was zu diesem Ereignis führte und welche Auswirkungen es jahrelang auf das Dorf hatte. Wir haben von seiner Tochter die Erlaubnis erhalten, das Interview zu verwenden. Sie ist über neunzig und lebt immer noch im Dorf, also klopfte Esmar an ihre Tür und bat um ihre Erlaubnis, die sie uns gab! Das Coole ist, dass er von dieser schrecklichen Tragödie erzählt, aber in diesem optimistischen Ton, weil eines der Boote es durch die Wellen geschafft hat. Anstatt sich also auf die dunklen Seiten zu konzentrieren, war seine stärkste emotionale Perspektive das Wunder, das sie gerettet hat. Glücklicherweise werden die Texte und Zeugnisse sowohl auf Färöisch als auch auf Englisch gedruckt, um sicherzustellen, dass diese epische Geschichte ein breiteres Publikum fesseln wird.

Meine erste Berührung mit HAMFERÐ ist tatsächlich dieses Album, das am 22. März 2023 als CD, auf Vinyl und in digitaler Form erscheinen wird. Mich beeindrucken die Klänge der Färinger, die typisch doomig-düster und “deathig”-roh und druckvoll sind. Hinzu kommen die vielseitigen Singstimmen, die mal klagend, mal wütend und mal sanftmütig rüberkommen. Wer sich auf diese spannende Platte und das Abenteuer einlässt – auch ohne ein Wort zu verstehen – wird die raue See spüren, eventuell auch den kalten Wind, der Salzwasser ins Gesicht peitscht oder auch Dinge wahrnehmen, die kein anderer beim anhören von “Men Guðs hond er sterk” festellen kann, da jeder Musik anders „fühlt“. Ich kann dieses vierte Album von HAMFERÐ so schnell nicht vergessen und habe dazu recherchiert. Den Gedenkstein für die Verstorbenen findet ihr beispielsweise bei Wikipedia! Ich liebe es, wenn Musik Geschichten erzählt, die ich aufsaugen kann. Diese Geschichte beginnt beim Cover Artwork und endet vielleicht nie, weil es eine Band wie HAMFERÐ gibt, die sie eindrucksvoll weitererzählt.

Tobi Stahl vergibt 9 von 10 Punkten