GOJIRA
Titel: FORTITUDE
Label: Roadrunner Records/Warner Music
Spieldauer: 51:53 Minuten
Die französische Groove- und Riff-Maschine GOJIRA (japanisch für Godzilla) habe ich erst 2014 bei einem Live-Auftritt auf dem niederländischen Fortarock-Festival für mich entdeckt. Damals haben mich vor allem Energie und Aggressivität der Band gepaart mit so viel Präzision und Progressivität beeindruckt, obwohl ich vor dem Gig kaum einen Song näher kannte. Nun erscheint mit “Fortitude“ gut fünf Jahre nach seinem direkten Vorgänger „Magma“ bereits das siebte Album des Vierers aus Bayonne an der französischen Westküste. Darauf wird der gewohnt technisch hochwertige, rhythmische Metal mit messerscharfem Drummig, außergewöhnlicher Rhythmik und Stakkato-Riffing und unter dem Einsatz von psychedelischen Elementen und ethnischen Instrumenten zelebriert. Progressive, unerwartete Songstrukturen und der facettenreiche Gesangsstil zwischen (verzerrten) klaren Vocals, Shouts und Growling sind weitere Trademarks der Band und von “Fortitude“. Dabei betrieben die Gebrüder Duplantier die gewohnte Arbeitsteilung: Wahl-New-Yorker Joe ist federführend in Sachen Texte, Kontext und Melodien, während Bruder Mario für Dynamik, Songstrukturen und die technische Umsetzung verantwortlich zeichnet.
Die drei bereits veröffentlichten Songs stehen am Anfang der Scheibe. ‘Born For One Thing‘ zeigt mit monströsen Riffs, starker Rhythmik und vielseitigem Gesang direkt GOJIRA at its best. Der Wechsel von gedämpften und kreischenden Akkorden erzeugt ein stetiges Gefühl von An- und Entspannung und findet sich nicht nur beim abschließenden ‘Grind‘ erneut, das den Hörer zusätzlich mit seinem wilden Drumsound zermalmt. Das mächtige ‘Amazonia‘ erinnert durch die eingesetzten traditionellen Klänge und den „Roots“-Beat gewaltig an Sepultura und prangert die fortschreitende Zerstörung der grünen Lunge unseres Planeten an. Das treibende, eindringliche ‘Another World‘ glänzt mit einem hypnotischen Solo und ist einer der eingängigsten Tracks der Platte. Mit seinen sphärischen Klängen, starkem Riffing, viel Groove und dem reinigenden Chorus versprüht ‘Hold On‘ haufenweise positive Energie. Eingeleitet durch den kurzen, akustischen Titelsong und dessen musikalisches Motiv aufnehmend, erinnert das hymnische ‘The Chant’ an gemeinschaftlichen, mantraartigen Gesang unserer Vorfahren, den alle Völker während Feldarbeit, Jagd und den Tanz ums Feuer praktizierten, und weist gleichzeitig Pink-Floyd-Reminiszenzen auf. Verzerrte Vocals, mächtige Riffs und eine treffsichere Hook kennzeichnen das leichte Korn-Vibes versprühende ‘Sphinx‘, bei dem zudem tiefe Growls zum Einsatz kommen. Eigentlich müsste man auch noch näher auf die Taktwechsel und Claps im fantastischen ‘New Found‘, die gehauchten Vocals und den Hammer-Chorus von ‘The Trails‘ sowie das wahrhaft stürmische ‘Into The Storm‘ eingehen.
Doch “Fortitude“ ist ein großartiges Album, das man eigentlich als Gesamtkunstwerk betrachten und einordnen muss. Aber dennoch kann man jeden einzelnen Track herauspicken und dieser ist fähig, zu begeistern und funktioniert im Kontext und für sich allein. Zudem tragen GOJIRA keinerlei Scheuklappen und fügen ihrem Stil weitere Elemente hinzu, was angesichts der ohnehin schon breiten stilistischen Palette, die die Band abdeckt, fast unmöglich schien. Beeindruckend ist außerdem der hohe und wichtige Anteil der Basslinien und der Percussion-Elemente. Diese Scheibe und diese Band sind gleichzeitig aggressiv und hart, dabei aber nicht destruktiv, sondern aufbauend und durchaus eingängig, gleichsam durchdacht und progressiv, aber trotzdem (oder gerade deswegen) mitreißend und monumental. Das ohnehin unvergleichbare Spektrum der diversen Stile und Einflüsse von Meshuggah über Metallica und Tool wurde um die genannten Nuancen ergänzt und ist zudem immer mit gewohnt hochwertigen Lyrics mit einer sozialkritischen oder umweltaktivistischen Message verbunden. Für mich bisher DAS Highlight des Jahres!
Michael Gaspar vergibt 9 von 10 Punkten