ENSLAVED – HEIMDAL

ENSLAVED

Titel: HEIMDAL

Label: NUCLEAR BLAST RECORDS

Spieldauer: 48:15 Minuten

VÖ: 03. März 2023

Die Tage hatte ich noch die aktuelle Deaf Forever Ausgabe in den Händen mit Ivar Bjornson (Gitarre) und Grutle Kjellson (Vocals und Bass) auf der Titelseite, die beiden Enslaved Gründer und Masterminds. Ich stellte mir die Frage: Wann hab ich diese Band eigentlich zum ersten Mal gehört? Das Debütalbum, Vikingligr Veldi von 1994 war definitiv nicht mein Erstkontakt. Beim Recherchieren in meiner CD Sammlung war es dann die Split mit Emperor, auf der Enslaved ihre Hordanes Land EP beisteuerten. Das war 1993 und im dem Zeitraum hab ich mir auch das Yggdrasil Demo besorgt. Also vor 30 Jahren entdeckte ich diese formidablen Norweger.

Und nun liegt mit „Heimdal“ das 16. Studioalbum vor. Intro, bestehend aus Hornblasen, Wasser und einem ganz kurzen Electric Wizards Moment bevor ENSLAVED bei ‚Behind the Mirror‘ progressive Musik, Viking und immer noch vorhandene Black Metal Elemente (vor allem Grutles Gekeife) zusammenführen. ENSLAVED verharren selten auf einer Stelle, ihre experimentellen Klangspektren sind vielerorts erstaunlich. Instrumentierungen mit Hammondorgel, Blechbläsern und immer wieder latent erkennbaren elektronischen Spielereien gehen ihnen dabei leicht von der Feder. ‚Congelia‘ erwirkt sich hier als herausragender Protagonist, der alle Elemente und Einflüsse zusammenführen kann. 

ENSLAVED waren schon in ihrer Anfangsphase keineswegs eine reine Hau-Drauf Kapelle. Das Vermögen, komplexe Songstrukturen mit musikalischem Anspruch zu schaffen, war von Beginn vorhanden und wurde bereits auf Eld (1997) eindrucksvoll gezeigt und nach dem vierten Album Blodhemn weiter forciert. ‚Forest Dweller‘ ist ein Beispiel, dass man auch an aggressivere Zeiten anzuknüpfen vermag ohne die progressiven Errungenschaften der Neuzeit über Bord zu werfen. Trotz all dieser starken Eigenschaften schaffen es  ENSLAVED selten mich über Albumlänge zu unterhalten. Das letzte Album, das das vermochte war Blodhemn von 1999. Auf „Heimdal“ will man manchmal etwas zu viel, so wendig und gut instrumentiert die Scheibe auch ist. Straighte Passagen wie in ‚Kingdom‘ sind dann im Soundgewirr immer wieder erfrischend.

Alles in allem eine gute Scheibe der Norweger, die zurecht schon mehrfach mit Musikpreisen (u.a. Spellemannprisen, norwegischer Musikpreis) bedacht wurden. Der Charakter von „Heimdal“ ist recht vielschichtig und daher mit fünf bis sechs Durchläufen nicht abschließend greifbar. Diese mangelnde Griffigkeit, man könnte auch sagen Stringenz, führt zu Punktabzügen. Daher tendiere ich – die doch sehr tiefe und erdige Produktion kann hier einiges wieder aufholen – zu knappen acht Punkten. Für neuere ENSLAVED Fans sicherlich essenziell. Für die älteren, wie mich, sollte zumindest ein intensives Hineinhören für diese Scheibe übrig sein.

Ingo Holzhäuser vergibt 8 von 10 Punkten