DEAFCON5
Titel: EXIT TO INSIGHT
Label: Fastball
Spieldauer: 56:32 Minuten
VĂ: 07. Juni 2024
Eins vorne weg: Konzeptalben mag man oder eben nicht. Was jedoch mindestens genauso wichtig ist: Entweder kann die Band das Konstrukt Konzept Album oder man reiht einfach – wie leider allzu oft- ein paar Lieder aneinander und schreibt dann einfach nur Konzept drauf. Mit ihrem vierten Album „Exit To Insight“ legen die Hamburger DEAFCON5 unter Fastball eindeutig ein Album der ersten GĂŒteklasse hin, das aber mal sicher, also so ganz sicher, auf jedem Teller eines Prog Rock Fans mit Hang zu Inhalt und Hingabe zu lĂ€ngeren StĂŒcken gehört. Was man braucht ist Zeit und MuĂe. Das ist eine gut investierte Stunde. Und vertraut mir – bei einem Durchlauf wird es nicht bleiben. Michael Gerstle (Gesang), Dennis Altmann (Gitarren), Frank Feyerabend (Keyboard), Sebastian MoschĂŒring (Schlagzeug, Synth, Sampler) und Frank Schwanenberg (Bass) haben sich hier alle MĂŒhe gegeben, inspiriert von einem Sci-Fi Roman, ein ansprechendes und ebenso zeitloses Thema aufzugreifen: Die Reise zum inneren Kind oder aber der Reflektion des eigenen Lebens. Und wer hatte sie bitte nicht, diese Momente von grenzenlosen Möglichkeiten die gleichzeitig mit Verlust von liebgewonnenen Menschen und/oder Routinen einhergehen und so im Umgang mit seinen Lebensentscheidung hoffentlich irgendwann zur Selbstfindung fĂŒhren. Reflektieren ist manchmal mehr als sinnvoll. Ja ich mein Dich. Lies das also nochmal.
Leben heiĂt VerĂ€nderung und genauso abwechslungsreich gestalten DEAFCON5 ihr neuestes Werk. EingefĂŒhrt wird man in das Album durch einen ErzĂ€hler, den man auch zum Schluss wieder antreffen wird. Ein groĂartiges Stilmittel um sich auf das Album vorzubereiten. Er trifft bei einem Glas Wein am Kamin auf die Stimme seines inneren Kindes das ihn an sein bisheriges Leben erinnert. Und wie bei jedem Menschen sind leuchtende und dunklere Momente dabei. Momente in denen man sich vielleicht fremdgesteuert fĂŒhlt, mit sich selbst nicht im Reinen ist. Und mit diesem Intro nehmen uns DEAFCON5 mit auf ihre 8 Titel Reise des Lebens. Dabei ist thematisch alles was so ein Leben zu bieten hat: Mit `Caught In` spĂŒrt man die grenzenlose Energie und Freiheit der Jugend. Man kann alles, schafft alles und man ist im Aufbruch mit der vollkommen sorglosen Meinung, dass das Leben nur auf einen wartet. Mit `As I Am` kommt dann das erste Hinterfragen der KnochenmĂŒhle des Lebens und die innere Stimme brĂŒllt einen förmlich an einen Ausweg zu finden. Sehr gelungen passen hier die Lyrics zum SoundgefĂŒge. Aber was macht man im Leben nicht alles weil man glaubt einem allgemeingĂŒltigen Ziel hinterherlaufen zu mĂŒssen. In stillen Momenten fragt man sich dann ob es wirklich einen Weg gibt da irgendwie raus zu kommen. Man weiĂ, dass es sich falsch anfĂŒhlt. Diesen Eindruck vermittelt ebenso das getragene `Disaffection`. WĂ€hrend man bei `Escape Room` langsam den inneren Mut wiederfindet den eigenen Weg zu gehen schafft man es bei `Self Delusion` dann durch diese TĂŒr, von der man garnicht genau weiĂ wohin sie eigentlich fĂŒhrt. Ich glaube, dieser Chorus war der erste der sich mir ins Gehirn eingebrannt hat. “ I feel life is callin, IÂŽm so far from falling,…“ wirklich sehr eingĂ€ngig und wieder passen Arrangements und Text vorzĂŒglich zusammen. Ruhige Töne schlagen DEAFCON5 mit `Serious Doubts` diesmal mit weiblicher UnterstĂŒtzung an. Ernsthafte Bedenken-wer hatte die nicht schonmal. Und manchmal braucht es da halt jemanden der einem zur Seite steht und diesen Weg mit einem geht. Und dann kommt der (frei ĂŒbersetzte) Schlag in die Fresse mit `Disequilibrium` der einen etwas aus dem besagten Gleichgewicht bringt. Aber dann steht man irgendwann morgens auf und stellt fest „Ich lebe ja noch“: In `Trip To Me` hat man den Mut fĂŒr sich einzustehen, seinen Weg zu gehen und zwar genau dorthin wo man hingehört.
Soviel zum Inhalt. Musikalisch erwartet den Hörer von „Exit To Insight“ eine abwechslungsreiche Mischung aus kraftvollem Progressive Hard Rock mit auch mal etwas hĂ€rteren Metal AnklĂ€ngen. Die Songs fuĂen auf dem mal mehr und mal weniger stark hervor tretenden GrundgerĂŒst der Rhythmusgruppe und verfĂŒgen ĂŒber genug Abwechslungsreichtum im Gesang, dem Keyboard und im Gitarrenspiel was Laune macht das Ding öfter anzuhören – was man auch muss wie ich finde denn mit jedem Anlauf entdeckt man etwas Neues. Einziger Ausreisser fĂŒr mich sind die kurzfristigen – ich nenne es mal – Glockenspieltöne, denn tatsĂ€chlich habe ich da mal flink nach meinem Smartphone in der Tasche gesucht weil ich es nicht im Lied vermutet hĂ€tte. Nun es hat immerhin was mit mir gemacht. Und das sollte es sicher auch. Ansonsten ist alles da wo es hingehört ohne an irgendeiner Stelle zu viel oder zu lang zu werden. Der kĂŒrzeste Track hat knapp vier Minuten, der lĂ€ngste knappe 9 Minuten. Wer also ein bisschen Anspruch hat und ebenso Wert auf Inhalt legt ist mit „Exit To Insight“ gut beraten. Auf der Internet PrĂ€senz der Hamburger springen einen ĂŒbrigens direkt die beiden Wörter Fates Warning an. Und ja: Auch deren Fans dĂŒrften ihre Freude an DEAFCON5 finden. Aufgenommen in Hamburg bei Tonbau24 wurde das ganze in San Marino in den Domination Studios von Simone Mularoni gemischt und gemastert. Das passende Artwork hat Andy Pilkinton von Very Metal Art dazu gesteuert.
SchlieĂen möchte ich nun mit den Worten aus dem Outro, denn schönere Schlussworte kann man sicher nicht mehr finden:
„YOU ARE A MASTERPIECE, A GREAT WORK OF ART – UNVEILING YOUR GREATNESS FROM WITHIN YOUR HEART – SO DANCE TO YOUR RHYTM AND SING WITH YOUR SOUL- TO BE WHO YOU ARE IS YOUR ULTIMATE GOAL“
Judith Kroll vergibt 9,5 von 10 Punkten