Seit mittlerweile drei Dekaden sind die norwegischen Metaller BORKNAGAR aktiv, haben sich vom reinen zum Post, Progressive und/oder Avantgarde Black Metal Act entwickelt und schicken sich an mit ihrem neuen Silberling “Fall“ den starken Vorgänger “True North“ zu toppen.

Wenn das Vorgänger-Album der sichere Hafen war, so Gitarrist Øystein G. Brun, stehe “Fall“ für Kampf und Veränderung, das Leben in und mit der Natur, das Überleben in der Wildnis, aber auch den inneren Kern jedes Einzelnen. Es sei gleichermaßen in sämtlichen Belangen der „spirituelle Nachfolger“ der Scheibe, wie es auch neue Wege für die Band erschließe.

Das Ziel des Hauptsongwriters und Bandchefs sei es stets, jeden einzelnen Musiker herauszufordern, anzutreiben und ins Licht zu stellen. Umso besser, dass dabei so epische Kompositionen wie die beiden Vorabauskopplungen `Summits´, das Tempo und Härte mit Melodie und musikalischer Schönheit verbindet, und das nachdenklich-hymnische `Nordic Anthem`, ein vokallastiges Stück mit minimaler Instrumentierung, herauskommen.

BORKNAGAR haben das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Organen der beiden Sänger Simen „ICS Vortex“ Hestnæs und Lars A. Nedland auf ihrem zwölften Longplayer weiter perfektioniert. Die Vocals der der beiden stehen immer öfter gleichberechtigt nebeneinander bzw. lösen einander ab und duellieren sowie ergänzen sich auf die bestmögliche Art und Weise.

Mastermind Brun gibt zu Protokoll, Musik „in Formen und Farben und Schattierungen und Nuancen“ wahrzunehmen, zu fühlen und zu schreiben. Und das kann man den acht brandneuen Tracks anhören, man fühlt sich erhoben und meint, über verschneite Gipfel zu schweben oder durch verschneite Wälder zu wandern.

Den Weg zur finalen Kunstform, Bedeutung und endgültigen Ausgestaltung ihrer Songs macht die Band sich nicht einfach, sondern feilt und ändert gemeinsam bis zuletzt und bis es in ihren Augen der Perfektion am nächsten kommt. Und doch oder gerade deswegen geht es hier um mehr als die Musik. Es geht um Atmosphäre und Stimmungen, um Emotionalität und Tiefgang.

So steuerten übrigens auch Lars A. Nedland (Gesang/Keyboards) zwei und Simen „ICS Vortex“ Hestnæs (Gesang/Bass) einen Song zum großartigen Gesamtergebnis bei. In letzterem Fall wissen wir, dass es sich um die dritte Vorabauskopplung `Moon´ handelt, ein treibend-eingängiger Track, der zwischendurch auch einmal beinahe zum Stillstand kommt.

Der Spagat zwischen Ausbrüchen und Black Metal Vocals einerseits und üppigen Soundteppichen und Instrumentalpassagen, bei denen oftmals gar eine progressive und gleichzeitig leichtfüßige, fast jazzige Note mitschwingt, und cleanem Gesang andererseits gelingt meisterhaft und sorgt für Dynamik und Energie, Anspannung und Entspannung sowie durchweg dramatische, packende Songs.

Mein persönliches Highlight ist dabei der abschließende Dreierpack aus dem progressiv-erhabenen `Unraveling´ mit seinem unheimlich schnellen Wechsel zwischen Gekeife und fast poppigem Gesang, Härte und Magie, seinem rhythmischen Chorus und einem überraschenden Ende, dem dagegen recht eingängigen und leicht verdauchlichem, aber auch ungemein faszinierenden `The Wild Lingers´ und dem finalen, beinahe zehnminütigen Epos `Northward´, das nochmal alles auffährt, was BORKNAGAR zu einzigartigen und unerreichten Pionieren des Genres macht.

Michael Gaspar vergibt 9 von 10 Punkten

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