BLACKBRIAR – THE CAUSE OF SHIPWRECK

BLACKBRIAR

Titel: THE CAUSE OF SHIPWRECK

Label: Blackbriar Music

Spieldauer: 43:47 Minuten

“The Cause Of Shipwreck“ ist das Debüt der Alternative-/Gothic Metal-Band BLACKBRIAR aus Assen in den Niederlanden. Da rechnet man mit so Einigem, aber diese knappe Dreiviertelstunde übertrifft schließlich alle meine Erwartungen. Schon in der ersten Minute des epischen Openers ‘Confess‘ werde ich von der klaren, omnipräsenten Stimme von Frontfrau Zora Cock ultimativ in den Bann gezogen und auch bis zum letzten Ton der Scheibe nicht mehr losgelassen. In den beiden folgenden Songs‚‘Weakness and Lust’ und ‘Through The Crevice’ nehmen dann die Gitarren breiteren Raum ein und bereiten die Grundlage für die gefühlvollen und enorm facettenreichen Vocals. Das erste richtig große Highlight des Silberlings stellt das eindringliche, leicht unheimliche Stimmung verbreitende ‘The Séance‘ dar. Die schluchzenden, klagenden Töne des charismatischen Rotschopfs verkörpern hier angsteinflößend authentisch einen rachsüchtigen, natürlich weiblichen Geist. Viele Dinge, die Sängerin Zora mit ihrer Stimme anstellt und etliche Töne und Effekte, die sie ihr entlockt, dürften so sicherlich in keinem Gesangslehrbuch stehen, sind aber immer songdienlich, hochemotional und fähig, packende Stimmungen zu erzeugen und kleine Geschichten zu erzählen. Der Gesang ist intensiv, eindringlich und schwer zu beschreiben. Das muss man einfach einmal selbst vernommen haben. Die wunderschönen Melodien machen süchtig und manche Hook bleibt noch tagelang im Gedächtnis. Jede der zehn Kompositionen wäre es wert, herausgegriffen und besonders beleuchtet zu werden, denn auch in das textliche Konzept wurde viel Mühe investiert. So werden diverse dunkle, überwiegend traurige Themen behandelt und zum Teil anhand verschiedener mythischer Gestalten poetisch ins dunkle Hier und Jetzt übertragen. Im ruhigen, düsteren ‘You’re Haunting Me‘ wird die Protagonistin von unbekannten inneren Dämonen verfolgt, während sie im etwas härteren ‘Walking Over My Grave‘ wie der Titel schon ausdrückt über ihr eigenes Grab wandelt.

Das mächtige ‘My Down To Earth Lover’ hingegen beschreitet textlich einen etwas anderen Weg und behandelt ein aktuelles Thema. Es ist an alle Fans gerichtet, soll aufbauend wirken und versichert den treuen Anhängern, auch wenn scheinbar unerreichbar, immer an sie zu denken und für sie da zu sein. Dies wird mit ruhigem, schwärmerischem Beginn und hymnischem Refrain umgesetzt. Zunächst nur von Harfe und Cello begleitet und mit einem unfassbaren Chorus gesegnet, baut sich im Folgenden mit Einsatz der Drums und Saiteninstrumenten das grandiose ‘Selkie‘ nach und nach zu voller Größe und Schönheit auf und beschreibt die unerfüllte Liebe eines Unglücklichen. Diese Robbenmenschen, weibliche, verführerische Wesen aus der schottischen Mythologie, sind wunderschön, aber um sich in einen Menschen zu verwandeln müssen sie an Land und ihr Fell für immer ablegen. Doch die Sehnsucht nach dem Meer ist größer als die Liebe und so stürzt sich der unglücklich Verlassene in den sicheren Tod. Das klingt nicht nur träumerisch und versonnen, es wird in ebensolche Streicher-Melodien umgesetzt und, wenn nach einer guten Minute die kraftvollen Gitarren einsetzen und im märchenhaften Chorus gipfeln, ist es endgültig um mich geschehen. Im unheimlichen ‘Deadly Diminuendo‘, dem Song mit dem höchsten Härtegrad und einer emotional-düsteren Stimmung, beobachtet die Protagonistin, wie hungrige Krähen ihrer im Gras liegenden Leiche die Augen aushacken. Das abschließende ‘Lilith Be Gone‘ benutzt dann gar die bekannte, babylonische Dämonin für ein feministisches Statement. Harte Riffs, orientalisch anmutender Gesang und ein ausladendes Solo sorgen für ein grandioses Finale und sind nochmals ganz großes Kino.

Ein sehr ausgereiftes, durchdachtes und eindrucksvolles Debüt, das durch eine Crowdfunding-Kampagne finanziert wurde, von der die Band sich größtmögliche Unabhängigkeit inklusive Webhosting und eigenem Merchandising verspricht. Dass bereits eine ansehnliche Fanbase vorhanden sein muss, zeigt, dass das ursprüngliche Ziel bereits nach weniger als 24 Stunden erreicht wurde. Momentan hat man fast das 3-fache der benötigten Summe eingenommen und kann alle angestrebten Ziele (komplette Album-Produktion inkl. Studio, Artwork und Mastering, zwei Videos drehen, eine niederländische Version eines Songs aufnehmen, etc.) in Eigenregie realisieren. Eine lohnende Investition in die Zukunft, welche die vielversprechende Gruppe ebenso wie dieses ellenlange Review definitiv verdient und durch die zehn grandiosen Song-Perlen bereits anteilig zurückgezahlt hat.

Michael Gaspar vergibt 9 von 10 Punkten