Die britischen Retro Prog Rocker von BIG BIG TRAIN blicken auf beinahe dreieinhalb Jahrzehnte Bandgeschichte mit elf Studioscheiben zurück und veröffentlichen mit “A Flare On The Lens“ bereits ihr fünftes Live-Album.

Im vergangenen Jahr war die Band in Großbritannien und Europa unterwegs und krönte ihre Reise mit zwei Auftritten in der Londoner Cadogan Hall. Die Aufnahme zeigt die komplette Show des zweiten der beiden Auftritte und enthält außerdem sieben Songs, die nur am ersten Abend gespielt wurden.

Dabei bietet das 1907 fertiggestellte, komplett bestuhlte, ehemalige Kirchengebäude im Londoner Stadtteil Chelsea einen würdigen Rahmen und eine beeindruckende Kulisse für eine musikalisch hochwertige, überzeugende Darbietung.

BIG BIG TRAIN sorgen mit ihrem leichtfüßigen, ruhig dahin strömenden Prog mit Einflüssen von Genesis und Yes, aber auch King Crimson, Steve Hackett und Sigur Rós sowie mit Anleihen aus Blues, Folk und Country für eine feierliche, andächtige und auch mal ausgelassen Stimmung bei den Anwesenden.

Für besondere Akzente sorgen die italienische Gitarristin Maria Barbieri und das The Big Big Train Brass Ensemble sowie die ohnehin zur aktuellen Besetzung zählende Violinistin Claire Lindley. Das weitere Lineup der Aufnahme besteht aus Drummer Nick D’Virgilio, Leadsänger Alberto Bravin, Keyboarder/Gitarrist Rikard Sjöblom, Gregory Spawton (Gitarre/Bass) sowie Oskar Holldorff (Keys).

Mit nicht weniger als siebzehn Songs plus einem Akustik-Medley, darunter Favoriten aus dem Backkatalog der Band wie `Hedgerow´, `Folklore´, dem grandiosen `Judas Unrepentant´, `Curator Of Butterflies´ und `Victorian Brickwork´ sowie die instrumentale Tour de Force `Apollo´ bieten einen bunten, stimmigen Querschnitt durch das Schaffen der Truppe und auch die komplexen, überlangen Kompositionen werden live perfekt in Szene gesetzt.

So kommt beispielsweise der zweite Silberling bei einer Spielzeit von knapp 45 Minuten mit nur drei Tracks aus, dem bereits erwähnten `Acoustic Medley´ sowie den beiden facettenreichen und zurecht vom sonst eher zurückhaltenden Publikum abgefeierten Longtracks `East Coast Racer´ und `Victorian Brickwork´.

Auch zukünftige Klassiker wie `Love Is The Light´ und `Oblivion´ vom aktuellen Studiodreher “The Likes Of Us“ dürfen natürlich nicht fehlen. Die Streicher- und Pianoklänge sorgen für emotionale Tiefe und einige Gänsehautmomente, die Blechbläser verleihen dem Ganzen mal eine wild-rockende, mal eine beinahe jazzige Note. Und beim grandiosen `Drums & Brass 2023 (Medley)´ dürfen sie dann selbst gemeinsam mit Schlagzeug/Perkussion auch mal „die Sau rauslassen“.

Zu meinen persönlichen Highlights haben sich das abwechslungsreiche, düster-eindringliche `A Boy In Darkness´ sowie der balladeske Prog-Ohrwurm `Swan Hunter´ mit seinen mehrstimmigen Chören entwickelt. Apropos:  für selbige und die beinahe gospelartigen Passagen wird dann oftmals das Publikum einbezogen und zum zahlreichen Mitmachen aufgefordert.

Abgerundet wird ein gelungenes Live-Erlebnis mit einer imposanten und doch niemals langweiligen Gesamtspielzeit von beinahe drei Stunden durch ein bemerkenswertes und doch dezentes Lichtspektalkel, dem Anlass und der Location jederzeit angemessen.

„A Flare On The Lens“ ist als limitiertes 3CD+Blu-ray Digipak sowie als Gatefold 2-LP-Edition mit einer Auswahl von zehn Tracks aus dem Live-Set sowie als digitales Album erhältlich. Noch zu erwähnen das nicht selbstverständlich: auch der komplette, knapp dreistündige Blu-ray-Konzert-Film lag zur Begutachtung vor.

Michael Gaspar vergibt 8,5 von 10 Punkten

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