AYREON – 01011001 – LIVE BENEATH THE WAVES

AYREON

Titel: 01011001 – LIVE BENEATH THE WAVES

Label: MUSIC THEORIES RECORDINGS/MASCOT

Spieldauer: 134:59 Minuten

VÖ: 17. Mai 2024

Eigentlich war nie geplant, die mit vielen Instrumentalisten und aberwitzigen 17 Sängern besetzte AYREON Platte “01011001“ aus dem Jahr 2008 auf die Bühne zu bringen. Und sind die seltenen AYREON-Live-Events ohnehin besondere Ereignisse mit hochkarätigen Musikern und einer opulenten Produktion, so hat es der Niederländer im September 2023 auf die Spitze getrieben.

Mit Arjen Lucassens “01011001 – Live Beneath The Waves“ wurde das hochgelobte, komplexe Konzeptalbum mit fünf ausverkauften Vorstellungen an drei Tagen im Poppodium 013 in Tilburg, Niederlande, vor insgesamt 15.000 begeisterten Fans aus über 60 Ländern auf die Bühne gebracht. Dabei ist die nun vorliegende Live-Aufnahme, welche als 3LP, 2CD+DVD, Blu-ray, Earbook und in digitalen Formaten erscheint, bei der letzten der fünf Shows am 15. September 2023 entstanden.

Diese enthalten die fünfzehn Tracks des Silberlings, gefolgt von einer Reihe von Zugaben. Die Live-Produktion lässt keine Wünsche offen und erweckt mit einer imposanten Kulisse aus einer mehrstöckigen Bühne, LED-Bildschirmen, Laser, Pyrotechnik, Spezialeffekten und einem einzigartigen Live-Surround-Sound-Erlebnis den Wasserplaneten Y (01011001 ist die binäre Darstellung des ASCII Codes für den Buchstaben Y) zum Leben. Die Kameraeinstellungen sind interessant, die Schnitte schnell und abwechslungsreich mit vielen Nahaufnahmen, Einblicken ins Geschehen am Keyboard, Zeitlupeneinstellungen und vielem mehr.

Mastermind Arjen Lucassen stellte mit Keyboarder und Produzent Joost van den Broek eine prominente Besetzung aus Simone Simons (Epica), Damian Wilson (Threshold), Anneke van Giersbergen, Jonas Renkse (Katatonia), Tom Englund (Evergrey), Daniel Gildenlow (Pain of Salvation), Marcela Bovio (MaYan), Brittney Slayes (Unleash the Archers), Hansi Kürsch (Blind Guardian), John Jaycee Cuijpers (Praying Mantis), Maggy Luyten (Beautiful Sin), Michael Mills (Toehider) und dem niederländischen Sänger Wudstik (For All We Know), zusammen.

Damit wurde ein Großteil der Originalbesetzung der Scheibe zusammengetrommelt, wobei Bob Catley (Magnum) durch Damian Wilson, Jorn Lande durch John Jaycee Cuijpers und der bedauerlicherweise bereits verstorbene Gotthard Sänger Steve Lee (1963-2010) durch Mike Mills 1:1 ersetzt wurden.

Auch Floor Jansen (Nightwish) war nicht live dabei und ihre Parts werden mit vereinten Kräften übernommen, teilweise auch durch den dreiköpfigen Chor, von dem ein Drittel ihre Schwester Irene ausmacht.

Auch die Band war mit u.a. Ed Warby (Schlagzeug), Johan van Stratum (Bass), Timo Somers (Gitarre), Marcel Coenen (Gitarre) und eben Joost Van Den Broek (Keyboards) hochkarätig besetzt. Und natürlich war auch der ansonsten recht bühnenscheue Arjen Lucassen mit von der Partie.

In seinem langen, roten Gewand sogar ziemlich prominent und unübersehbar. Für klassisch-folkloristische Farbtupfer, beispielsweise beim großartigen `The Truth Is In Here´ sorgen Violine (Ben Mathot), Cello (Jurriaan Westerveld) und Querflöte (Jeroen Goossens).

Die futuristische Gestaltung, die schwarzen „Uniformen“ der Musiker und die genannten optischen Effekte und Elemente entführen die Zuseher in diese technologische Unterwasserwelt und legen die Messlatte für die Live-Umsetzung des Ganzen verdammt hoch, wobei der spezifische Sound und die besondere Stimmung des Albums perfekt getroffen werden.

“01011001“ ist ganz sicher nicht das stärkste AYREON Album, aber allemal ein besonderes, das über einige epische Rhapsodien, packende Longtracks, die eigentlich ganze Alben sind, aber auch einige eingängige, beinahe poppige Kompositionen verfügt. Eine Art progressiver Gemischtwarenladen mit vielen Folk-Anteilen, Power Metal und Prog vom fluffigen 70er Sound bis zum härteren Brett.

Als Intro dient der kurze Schlussakkord `March Of The Machines´ der neunten Scheibe “The Source” (2017), bevor der Opener `The Age of Shadows´ gleich von acht unglaublichen Sängern performt wird. Es folgen weitere Highlights wie das eindringliche `Liquid Eternity´, das eingängige `Connect the Dots´ mit seinem packenden Chorus und das an Pink Floyd erinnernde Acht-Minuten-Epos `Beneath the Waves´.

Beim kurzen `Web of Lies´ hat dann Epica Frontfrau Simone Simons im gemeinsamen Duett mit dem US Prog Rock Künstler Phideaux Xavier ihren großen Auftritt, bevor das monumentale `The Fifth Extinction´ die erste CD abschließt.

Die hohen Flötenanteile beim leichtfüßigen `River of Time´ erinnern an Jethro Tull. Nach dem mitreißenden `E=MC2´ beendet der bombastische über zwölfminütige Schlusstrack `The Sixth Extinction´, bei dem fast alle Beteiligten nochmals ihren Anteil haben und die Bühne stürmen, das Album und den regulären Teil des Konzerts.

In einer kleinen Ansprache findet der Protagonist Dankesworte und kündigt unter dem sowohl darauf als auf die gesamte Produktion bezogenen Motto „Mehr ist mehr2 einige Zugaben an. Es folgen die drei Stücke `This Human Equation´ von “Transitus“ (2020), `Fate of Man´ vom STAR ONE Album “Revel In Time (2022) sowie `The Day That The World Breaks Down´ ebenfalls von “The Source” (2017).

Die musikalische Umsetzung ist schlichtweg grandios und auch und vor allem gesanglich brillant. Unter den Sängern ragen für mich aufgrund ihrer Präsenz, Aura und besonderen Stimmen Jonas Renske und Tom Englund ein wenig heraus, ebenso wie Hansi Kürsch mit seinem unverwechselbaren Timbre und die fantastische Britney Slayes mit ihrer Power und Dynamik.

Mit seiner Meister- und Mammutleistung “01011001 – Live Beneath The Waves“ hat AYREON eine beeindruckende, epische Show erschaffen, wie man sie hochklassiger besetzt, musikalisch kompetenter und visuell spannender und aufwändiger kaum umsetzen kann. Hinzu kommt bei den meisten Editionen auch noch über eine Stunde „Behind The Scenes“ Material.

Michael Gaspar vergibt 10 von 10 Punkten