AVATARIUM – AN EVENING WITH AVATARIUM: LIVE IN STOCKHOLM

AVATARIUM

Titel: AN EVENING WITH AVATARIUM: LIVE IN STOCKHOLM

Label: NUCLEAR BLAST / WARNER

Spieldauer: 93:11 Minuten

AVATARIUM nahmen das oft so überstrapazierte Wörtchen „Digitalisierung“ im Sommer ernst und veröffentlichten diese Live-Nachlese nicht physisch (werden dies hoffentlich fairer Weise auch nicht nachholen…), sondern über eine Online-Plattform. Dafür ist der Preis mit 10 Euro absolut überschaubar, und wer (wie ich) will, kann sich das auf Wunsch gelieferte Cover ausdrucken und eine DVD brennen. Puristen werden die Nase rümpfen, aber so ist das nun einmal in 2020… Die von mir auf HD-Qualität heruntergeladene Version dieses im Januar aufgezeichneten Gigs ist wirklich großartig, und auch der von Victor Stenqvist besorgte Sound (Hammond!!!) ist superb. Da brennt der Teufel! Dennoch haben sich Nuclear Blast dieses Kleinods jetzt noch einmal angenommen und promoten es als offiziellen Release, remastered (war nicht wirklich nötig) und nunmehr auf allen relevanten digitalen Plattformen.

Selbstredend fokussiert sich die Band auf ihr aktuelles Werk „The Fire I Long For“, und schon während „Rubicon“ kommen hier schwüle Vibes auf („Oh, devil in disguise…“ Wow!), denn Jennie Ann-Smith bietet neben tollem Gesang auch eine laszive Divenshow, wobei sie offensichtlich im Laufe der Jahre deutlich an Selbstsicherheit gewonnen hat, auch wenn in den Ansagen noch immer ein putziges Maß an Schüchternheit zu konstatieren ist. Dafür sitzt in den Songs beinahe jeder Ton, und auch die Band zelebriert die in den letzten sieben Jahren aufgelaufenen, vielschichtigen Doom Rock-Großartigkeiten absolut famos.

Während der gesamten Show steht das erwähnte neue Album im Vordergrund (ganz doll: „Lay Me Down“), wobei die Songs noch einmal neu an Farbe gewinnen (cool auch, wie sich während „Shake That Demon“ anhand des klaren Gitarrensounds nachvollziehen lässt, welches Iommi-Riff hier Pate stand – kleines Quiz…). Die anderen Farbtupfer werfen mit Ausnahme der EP (ausgerechnet der Hit „All I Want“ fehlt – wohl ein kleines Statement) die anderen Releases in Form solcher Herrlichkeiten wie „The Girl With the Raven Mask“, „Pearls And Coffins“ (großartiges Solo von Marcus Jidell) oder „Avatarium“. Für das Blind Willie Johnson-Cover „In My Time Of Dying“ würden die Blues Pills töten, ein Umstand, der zeigt, wie unfassbar traumwandlerisch AVATARIUM von doomrockigem Zupacken zu bluesiger Geschmeidigkeit umschalten können.

Nach dem ollen „Moonhorse“ ist somit klar, dass man hier einen der relevanteren Releases der inzwischen inflationären Live-VÖ-Flut erlebt hat. Großartige Musikalität geht einher mit einer schönen Setlist. Für ein absolut essentielles Machtwerk fehlt eigentlich nur der Aspekt der Werkschau: dafür ist man eben doch zu sehr auf ein einziges Album fokussiert. Dennoch besteht hier Kaufempfehlung.

Patrick Müller vergibt 8,5 von 10 Punkten