
AMORPHIS
Titel: BORDERLAND
Label: Reigning Phoenix Music
Spieldauer: 49:38 Minuten
VÖ: 26. September 2025
AMORPHIS veröffentlichen mit “Borderland” ihr 15. Studioalbum – und schlagen gleichzeitig neue musikalische Wege ein. Das ist insofern nicht verwunderlich, denn die Finnen loten seit jeher ihre Grenzen aus, musikalisch wie lyrisch. Begonnen hat alles mit rauem Death Metal. Dann hielten Clean Vocals Einzug, die Hammond-Orgel gab ihr Debüt, Synthesizer kamen hinzu. Mit dem Einstieg von Tomi Joutsen wurden Amorphis kraftvoller, düsterer und melodischer. Der Wechselgesang aus klarem Gesang und Growls wurde zum Markenzeichen der Band. Mit Under the Red Cloud, Queen of Time und Halo erreichte die Band einen neuen Grad an symphonischer Größe und konzeptioneller Tiefe.
Mit “Borderland” geht diese Reise weiter – doch diesmal wurde eine weitere Brücke überschritten. Keyboarder Santeri Kallio fasst es treffend zusammen:
“Schon bei den ersten Demos hat man gemerkt, dass jeder von uns eher melodischere und strukturiertere Songs geschrieben hat – ganz unbewusst, einfach aus dem Bauch heraus.”
Na dann wollen wir mal loslegen mit der Review über “Borderland” und starten mit dem Opener ‘The Circle’. Ein kraftvoller Einstieg, der sofort klarstellt, dass AMORPHIS nichts an Wucht eingebüßt haben. Direkt im Anschluss folgt ‘Bones’, der knallharte Brecher der Platte – erdig, direkt, mitreißend. Dass er als Single gewählt wurde, ist kein Zufall: “‚Bones‘ enthält viele klassische AMORPHIS-Elemente … aber mit neuen Nuancen”, so Kallio im Interview. Mit ‘Dancing Shadow’ wird das Eröffnungstrio abgerundet – energiegeladen, getragen von packenden Melodien, die sofort ins Ohr gehen. ‘Fog To Fog’ und ‘The Strange’ schlagen danach bewusst andere Töne an. Wuchtig, etwas sperriger, bilden sie einen starken Kontrast zum bisher Gehörten. Die Band zeigt hier, dass sie keine Angst davor hat, die vertraute Komfortzone zu verlassen. Mit ‘Tempest’ kommt schließlich eine der melancholischsten Nummern des Albums – getragen von Emotion, sanft, aber voller Tiefe. Die traumhaften Keyboard-Soli heben den Song in eine fast schwebende Dimension. Kallio über den Einfluss von Produzent Jacob Hansen: “Er hat dieses gewisse Extra in unseren Sound gebracht” – und genau hier hört man es deutlich.
‘Light And Shadow’ eröffnet mit Piano und elektronischen Klängen, entfaltet dann eine fast cineastische Atmosphäre. “‘Light And Shadow’ ist … ein eher zugänglicher Song. Er hat eine klare Struktur, atmosphärische Dichte, und auch ein paar frische Elemente, die sich vom typischen AMORPHIS-Sound abheben“, sagt Kallio – und er hat recht. Danach rollt ‘The Lantern’ heran, klanggewaltig und mächtig. Der Titeltrack ‘Borderland’ sowie das finale ‘Despair’ reihen sich nahtlos in die Liste der großen Amorphis-Hymnen ein. Thematisch bewegt sich “Borderland” zwischen Leben und Tod, Realität und Spiritualität. Besonders im Titelstück zeigt sich diese Dualität: “Der Song handelt von der Verbindung zwischen einem Sohn und seinem verstorbenen Vater, der aus der spirituellen Welt erscheint.” Auch das Artwork verstärkt diese Bildsprache – eine Brücke zwischen zwei Welten, der Schwan als Symbol. “Der Schwan steht für die Verbindung … und – lustigerweise – unser Sänger heißt Joutsen, was auf Finnisch ‘Schwan’ bedeutet“. Und dann ist da noch die Natur – untrennbar mit dem Sound von Amorphis verbunden. “Finnland ist im Grunde ein riesiger Wald … und – ganz ehrlich: Der lügt, wenn er behauptet, Natur hätte keinen Einfluss auf finnische Musiker”, sagt Kallio. Hört man “Borderland”, spürt man diese Wälder, Seen und Weiten fast körperlich.
Mit “Borderland” legen AMORPHIS ein Werk vor, das ihre Bandgeschichte um ein weiteres Highlight bereichert. Besonders die gelungenen Kontraste zwischen Härte und Melodie, Dunkelheit und Licht, Tradition und Aufbruch machen das Album zu einem Erlebnis, das sowohl alte Fans als auch neue Hörer begeistert. und als würde man in bekannte Gewässer tauchen – und von unbekannten Strömungen in neue Welten getragen werden.
Tobi Stahl vergibt 9 von 10 Punkten