AC/DC
Titel: POWER UP
Label: COLUMBIA / SONY
Spieldauer: 40:56 Minuten
Für den Einen hat Bon Scott AC/DC mit ins Grab genommen, ein Anderer sah die Band nach „Back In Black“ ins ewige Tal der Irrelevanz abgleiten, der Nächste behauptet, seit „Thunderstruck“ habe man keinen brauchbaren Song mehr von den Australiern zu Gehör bekommen. Für mich selbst war „Stiff Upper Lip“ der letzte wirklich mit mehreren Highlights ausgestattete Longplayer einer der auf immer größten Rockbands aller Zeiten. Fakt ist trotz aller Unkenrufe: wenn Angus & Co. rufen, stimmen Millionen in den boogieschwangeren Chor ein.
„Power Up“, das erste (und vielleicht letzte) Album der post-Malcolm Young Ära, bezieht seinen Reiz bekanntermaßen nicht zuletzt daraus, dass mit Cliff Williams und der stoischen Groovemaschine Phil Rudd wieder die klassische Rhythmussektion zusammengefunden hat. Auch der wegen der Affäre seiner kurzzeitigen Ex mit Dabbeljuh Axl Pose etwas schmollende Brian Johnson konnte mit der Aussicht auf viele British Pounds und US Dollars sicher schnell wieder zum handzahmen Liebhaber gemacht werden. Eine Rückkehr zu den testosteronschwangeren Explosionen der 70er mit unsterblichen Riffmassakern wie „Riff Raff“ oder „Let There Be Rock“ war dabei nicht zu erwarten, sondern eben grundsolider, im Midtempo angesiedelter Boogierock mit knalligen Rhythmusgitarren von Stevie Young und zuckenden Soli von Angus.
Genau dieser Verdacht bestätigte sich denn auch mit der absolut in Ordnung gehenden ersten Single „Shot In The Dark“. Die hier etablierte Formel wiederholt man auf „Power Up“ noch genau acht Mal. Zudem mutet es etwas, sagen wir, anrührend an, wenn Johnson mit seinen 73 Lenzen in „Demon Fire“ immer noch schlüpfrig etwas über „great blazing guns“ und crazy machende Lips krakeelt. Jener Song bietet zusammen mit dem Opener „Realize“ im beschwingten Uptempo willkommene Abwechslung auf einem anderweitig von den nunmehr schließlich im Rentenalter befindlichen Herrschaften tempomäßig recht gemächlich gestaltenen Album. Zudem ist „Rejection“ (hier überrascht Johnson kurz mit dezenten melodiösen Ausflügen) mit seinen knapp über vier Minuten der deutlich längste Song – Epen à la „For Those About To Rock“ gibt es von AC/DC aber natürlich schon lange nicht mehr.
Ansonsten überzeugen das melodiöse „Through The Mists Of Time“ als sanfter Widerhall von „You Shook Me All Night Long“ und potenzielle Single, das zackige „Witch’s Spell“ mit einem eingängigen Refrain – ansonsten herrscht disziplinierte Einheitlichkeit in der Ausgestaltung der Stücke. Mehr war anno 2020 wohl auch nicht zu erwarten. Immerhin wirft „Power Up“ 3-4 Stücke ab, die auch live zum Besten gegeben werden könnten. Wenn es denn dazu überhaupt kommen kann… Ähnlich wie bei „Rock Or Bust“ reicht es mit etwas good will für 7 Punkte.
https://youtu.be/FpMVBqSWbsA
Patrick Müller vergibt 7 von 10 Punkten