Mit “Death Above Life” schlagen ORBIT CULTURE ein neues, noch dunkleres Kapitel auf. Gegründet 2013 in einem alten Kraftwerk in Eksjö, hat sich die schwedische Band vom DIY-Projekt mit einem SingStar-Mikrofon zu einem international gefeierten Metal-Act entwickelt. Zwischen pandemiebedingtem Stillstand, Besetzungswechseln und kreativem Aufbruch haben sich Niklas Karlsson (Gesang, Rhythmusgitarre) und seine Mitstreiter Schritt für Schritt ihren Platz auf den großen Bühnen erkämpft. Im Interview spricht Karlsson über Visionen, Rückschläge, kreative Freiheit – und warum “Death Above Life” wie ein Neuanfang für die Band wirkt.
Ihr habt 2013 in einem alten, umgebauten Kraftwerk in Eksjö angefangen – DIY, ein SingStar-Mikrofon und viel Improvisation. Was sind die stärksten Erinnerungen an diese frühen Tage, und was hat euch trotz der Umstände am Laufen gehalten?
Niklas Karlsson: Als Teenager habe ich tatsächlich meine allerersten Demos mit einem SingStar-Mikrofon aufgenommen. Glamourös war das nicht, aber es gab mir die Freiheit, einfach zu erschaffen, ohne zu viel nachzudenken. Als wir dann die ersten ORBIT CULTURE-EPs aufnahmen, hatten wir zwar schon besseres Equipment, aber die Einstellung war dieselbe – die Vision war in diesen frühen Tagen immer wichtiger als die Klangqualität.
Wird dieses SingStar-Mikro irgendwann archiviert, um einmal als Ausstellungsstück in einem künftigen Bandmuseum zu dienen? *zwinkert*
Niklas Karlsson: *lacht* Vielleicht sollte es das! Es liegt irgendwo noch herum, und es ist schon lustig, dass dieses billige kleine Plastikmikrofon der erste Baustein für Orbit Culture war.
Woher kommt euer Bandname ORBIT CULTURE? Und wie ist er entstanden?
Niklas Karlsson: Ganz ehrlich – er stammt von einem Online-Bandnamen-Generator. Wir konnten uns monatelang nicht entscheiden, also haben wir ihn einfach genommen. Mit den Jahren ist der Name aber zu etwas Größerem geworden – heute trägt er all die Musik, die Touren, die Erinnerungen. Es fühlt sich so an, als würde er uns gehören.
Wie bist du zum Metal gekommen, speziell zu diesem Genre, und welche Bands “regieren” deine Playlists?
Niklas Karlsson: Es fing mit Metallica an – sie waren mein Einstieg in die Welt der harten Musik. Von dort ging es weiter zu Gojira, Static-X, Parkway Drive, In Flames. Aber auch Filmmusik-Komponisten wie Hans Zimmer, Howard Shore und John Williams haben mich stark beeinflusst. Heute springen meine Playlists zwischen Linkin Park, Gojira, Gaerea, Fleshgod Apocalypse und sogar schwedischem Pop wie Léon.
Mit “In Medias Res” und “Rasen” habt ihr schon früh eine klare Richtung vorgegeben. Gab es damals Momente, in denen ihr dachtet: “Wir haben vielleicht noch nicht die Mittel, aber die Vision reicht, um uns weiterzutragen”?
Niklas Karlsson: Absolut. Damals hatten wir keine Ahnung, wie man richtig aufnimmt oder sich selbst promotet. Aber wir hatten immer eine klare Vision davon, wie ORBIT CULTURE klingen könnte – auch wenn die Werkzeuge dazu noch fehlten. Diese Vision hat uns getragen, und rückblickend denke ich, dass sie wichtiger war als alle Ressourcen.
2016 und 2019 gab es Besetzungswechsel. Wie sehr haben Hansson, Lennartsson und später Wallerstedt euren Sound und die Banddynamik geprägt?
Niklas Karlsson: Die große Veränderung war, Leute zu finden, die genauso ehrgeizig und getrieben waren wie die Vision selbst. Christopher, Fredrik und Richard brachten eine Energie mit, die absolut nötig war, um die Band vom Hobby zu etwas Ernsthaftem zu machen. Ich habe immer gesagt: Das Schwierigste an einer Band ist nicht das Songwriting – sondern die richtigen Leute zu finden, sie zu halten und alle motiviert zu halten. Mit diesem Line-up habe ich das endlich geschafft.
2020 war mit “Nija” ein Wendepunkt – internationaler Durchbruch, doch die Pandemie stoppte alle Touren. Wie hast du diesen Widerspruch aus Erfolg und Stillstand erlebt?
Niklas Karlsson: Natürlich war es scheiße, “Nija” während der Pandemie nicht live spielen zu können. Aber auf seltsame Weise hat es sich für uns ausgezahlt. Da so viele Menschen zu Hause festsaßen, wurde das Internet zu unserer Hauptbühne, und wir konnten in dieser Zeit eine richtig starke Online-Fangemeinde aufbauen. Danach war es nur noch eine Frage des Wartens, bis die Welt wieder aufging.
Rückschläge und Druck gehören immer dazu. Was war für dich bisher die härteste Phase – und wie hast du sie überwunden?
Niklas Karlsson: Die härteste Phase war definitiv in der “Nija”-Ära – den steigenden Erwartungen gerecht zu werden und gleichzeitig die Frustration zu spüren, nicht touren zu können. Dazu kamen noch Jobs, Beziehungen und die ersten, immer intensiver werdenden Touren, was einiges an Umstellung verlangte. Direkt nach “Nija” haben wir auch noch “Shaman” geschrieben – es war also alles auf einmal. Was geholfen hat, war, all das in die Musik zu stecken – den Druck in “Descent” und später “Death Above Life” zu verwandeln, hat uns weitergebracht, anstatt uns im Negativen festzubeißen.
Hört man “Nija”, “Descent” und jetzt “Death Above Life” hintereinander, erkennt man eine klare Entwicklung: dunkler, härter, detailreicher. Wie nimmst du diesen roten Faden selbst wahr, wenn du auf die letzten fünf Jahre zurückblickst?
Niklas Karlsson: Jedes Album ist wie eine andere Linse auf dieselben inneren Kämpfe. Nija war voller Metaphern, “Descent” war wahnsinnigkeitsgetrieben, und “Death Above Life” mischt beides mit mehr Wut und Akzeptanz. Musikalisch sind wir vom mechanischen, stark editierten Sound zu etwas Rohrem und Menschlicherem gegangen – die Dunkelheit blieb, und wir haben sie sogar noch ausgebaut.
Auf dem neuen Album wechseln sich wuchtige Growls mit kraftvollen Clean Vocals ab. War das ein bewusster Schritt nach vorne, oder hat es sich organisch entwickelt?
Niklas Karlsson: Es war organisch. Ich setze mich nicht hin und plane: “Hier kommt jetzt ein Clean-Part.” Die Songs selbst bestimmen, was gebraucht wird. Manchmal verlangt die Emotion nach etwas Rohes und Schwerem, manchmal braucht es etwas Offeneres und Melodischeres.
Songs wie ‘Hydra’ oder ‘Neural Collapse’ sind reine Vorschlaghämmer, während ‘The Path I Walk’ das Album sehr melancholisch beendet. Wie gezielt plant ihr solche Dynamik – oder ergibt sie sich eher natürlich im Schreibprozess?
Niklas Karlsson: Sie ergibt sich natürlich, aber wir haben das Album als Ganzes immer im Blick. Ich möchte, dass jede Platte wie eine Reise wirkt. ‘The Path I Walk’ ans Ende zu setzen war wichtig, weil es eine andere Seite von ORBIT CULTURE zeigt – cineastisch, emotional und ohne Angst, Dinge auch mal zu reduzieren.
Der Wechsel zu Century Media war sicher ein Meilenstein. Was würdest du sagen, war euer größter Schritt davor?
Niklas Karlsson: Definitiv die Veröffentlichung von “Nija”. Da ging es international zum ersten Mal richtig los, auch wenn wir nicht touren konnten. Es hat uns gezeigt, dass es da draußen ein weltweites Publikum gibt, das auf uns wartet.
Wie kam der erste Kontakt zu Century Media zustande – sind sie auf euch zugekommen oder umgekehrt?
Niklas Karlsson: Sie sind auf uns zugekommen. Anfangs waren wir sehr zögerlich, weil wir dachten, wir würden unseren Weg weiter alleine gehen. Aber sie tauchten immer wieder auf – bei Shows, mit echtem Interesse – und irgendwann hat ihre Hartnäckigkeit unsere Mauern eingerissen.
Was hat euch letztlich überzeugt, dass Century Media der richtige Partner für den nächsten Schritt ist?
Niklas Karlsson: Die Tatsache, dass sie uns komplette kreative Freiheit versprochen – und gehalten – haben. Wir wollten nie, dass uns jemand vorschreibt, wie ORBIT CULTURE zu klingen hat, und Century Media hat das von Anfang an verstanden.
Hat das Label euren kreativen Prozess in irgendeiner Weise beeinflusst, oder liegt das immer noch komplett in euren Händen?
Niklas Karlsson: Es liegt nach wie vor komplett in unseren Händen. Wenn überhaupt, hat uns ihre Unterstützung noch mehr Selbstvertrauen gegeben, unseren Instinkten zu folgen.
Der Titeltrack ‘Death Above Life’ handelt von Loslassen und Neuanfängen. Wie sehr spiegelt das gerade eure eigene Situation als Band wider?
Niklas Karlsson: Sehr stark. Dieses Album fühlt sich an, als würden wir alte Haut abstreifen und in eine neue Phase treten. Es ist schwerer, dunkler, aber auch ehrlicher. Es geht darum, das hinter sich zu lassen, was einem nicht mehr dient, und mit dem weiterzugehen, was es tut.
Für ‘Hydra’ habt ihr in der Wüste gedreht, während ‘Nerve’ in einer komplett 3D-erschaffenen Welt realisiert wurde. Wie wichtig ist dir die visuelle Seite, um den Geist eurer Songs zu transportieren?
Niklas Karlsson: Extrem wichtig. Die Visuals sind ein weiterer Weg, die Leute in die Welt der Musik hineinzuziehen. Manchmal braucht ein Song die Rauheit einer Wüste, manchmal die Surrealität einer digitalen Welt. Beides hilft, die Geschichte auf unterschiedliche Weise zu erzählen.
Was habt ihr geplant, um “Death Above Life” auf die Bühne zu bringen – dürfen Fans eine Headliner-Tour erwarten oder vor allem große Festival-Slots?
Niklas Karlsson: Beides. Wir gehen auf eine Headliner-Tour durch Europa und UK, und der Sommer ist vollgepackt mit Festivals wie Wacken, Bloodstock und Summer Breeze. Außerdem stehen endlich auch Japan und die USA an. Es wird ein sehr intensives Jahr.
Und zum Schluss: Welche Botschaft möchtest du euren Fans mitgeben – und all jenen, die ORBIT CULTURE vielleicht erst jetzt durch “Death Above Life” entdecken?
Niklas Karlsson: Danke, dass ihr uns unterstützt und Teil dieser Reise seid. Egal, ob ihr seit den Kraftwerk-Tagen dabei seid oder uns erst gestern entdeckt habt – wir freuen uns riesig, Death Above Life mit euch zu teilen. Hoffentlich sehen wir uns alle unterwegs.
Interview: Tobias Stahl
Photocredit: Niklas Karlsson