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IN FLAMES möchten die Vergangenheit nicht mit sich rumtragen!

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Diesen Freitag (10. Februar 2023, Nuclear Blast) erscheint das lang erwartete neue Album von IN FLAMES. “Foregone” hat durch die bisher veröffentlichten Singles die Neugierde vieler geweckt und es kamen Erinnerungen hoch an frühere Tage von IN FLAMES. Wir haben mit Frontmann Anders Fridén in einem sehr interessanten Video-Interview über “Foregone” geredet, aber auch andere Themen angesprochen. Viel Spaß bei unserem neuen Artikel. 

Hallo Anders! Ich freue mich sehr, dass wir heute zu einem Interview zusammenkommen konnten. Bevor wir zu meinen Fragen rund um euer neues Album “Forgone” (Release am 10. Februar 2023) kommen, möchte ich dich gerne fragen, wie es dir momentan geht.

Gut, mir geht’s wirklich gut momentan. Danke. 

Du sagtest in einem anderen Interview, dass eure Songs nicht mehr euch gehören, sobald ihr sie veröffentlicht habt. In gewisser Hinsicht stimme ich dir da zu, aber als Künstler schickt man seine „Babys“ doch mit einer gewissen Botschaft in die Welt und hofft, die Leute zu erreichen. Was würdest du denn gerne in 20 Jahren über “Foregone” hören, wenn Leute darüber sprechen – gerade wenn es um die Themen “Freundlichkeit der Menschen zueinander und Umgang mit der Natur” geht?

Du kannst niemandem vorschreiben, was die einzelnen Lieder für ihn bedeuten sollen, das ist eine Tatsache, die ich an der Musik sehr mag.

Wenn wir am Anfang eines neuen Albums stehen, schreiben wir die Musik für uns und wollen mit dem, was wir kreieren, glücklich sein und wenn wir 100% glücklich sind mit dem, was wir gemacht haben, können wir es in die Welt hinaus lassen. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sind wir die Einzigen, die etwas über unsere Songs sagen können. Wenn der Tag dann aber gekommen ist und du deine Songs loslässt, sie auf die Reise schickst und anderen Leuten übergibst, liegt es bei denen, die sie hören, was sie über die Lieder sagen. 

Du kannst niemandem vorschreiben, was die einzelnen Lieder für ihn bedeuten sollen, das ist eine Tatsache, die ich an der Musik sehr mag. Natürlich möchte man, wenn man ein neues Album anfängt, dass die Leute wirklich alles verstehen und dass deine Botschaft klar ist. Aber am Ende hängt es sehr, sehr von der Person ab, die zuhört und wie sehr sie das Gehörte beeinflusst. Das meine ich, wenn ich sage, dass die Lieder nicht mehr mir gehören.

Wenn die Leute in 20 Jahren auf dieses Album zurückblicken, dann werden sie sagen, was auch immer das Album und seine Lieder für sie bedeutet. Wenn wir auf Tour sind und unsere Fans mit mir über unsere Musik sprechen, dann gibt mir das viel zurück. Auch wenn sie mir ihren Lieblingssong nennen und mir erzählen, was er für sie bedeutet, gibt mir das eine Menge. Ich werde sie aber nie, nie, nie korrigieren und sagen: “Oh, das ist falsch. Dieser Song handelt davon.”. Das wird nicht passieren, denn dann nehme ich dieser Person das, was sie fühlt, weg. Und da rede ich nicht nur über IN FLAMES, sondern über Musik im Allgemeinen. Ich war 10 Jahre alt, als ich mit Heavy Metal anfing und bis hierher war es eine unglaubliche Reise mit vielen Bands, die mich positiv beeinflusst haben. Wenn ich also auf diese Art etwas zurückgeben kann, ist das großartig, aber ich, beziehungsweise wir, würden nie sagen: “Du solltest das tun, oder das fühlen”. 

Bei uns ist eher das Motto: “Hier sind unsere Songs, was auch immer ihr damit machen wollt, Macht es.“

Apropos machen, werdet ihr eine Release-Party im Kreis der Band veranstalten? 

“Wir werden etwas machen, aber wir haben noch nicht wirklich darüber gesprochen. Da es aber schon bald soweit ist, sollten wir wohl zügig darüber reden.” (lacht)

Ich habe IN FLAMES zum ersten Mal vor gut 17 Jahren gesehen, damals wart ihr Support von Iron Maiden und habt im Südweststadion in Ludwigshafen gespielt. Ihr habt in dieser langen Zeit sechs Alben veröffentlicht, inklusive “Foregone”. Manche Eheversprechen halten nichtmal halb so lang. Was ist das Geheimnis von Björn, dir und eurer besonderen Beziehung, die du auch sehr oft erwähnst.

Ich glaube, es ist Verständnis, Respekt und dass du jemandem Abstand und Zeit gibst, um der zu sein, der er ist. Wir sind mehr Brüder als Freunde, weißt du, was ich damit meine? Wir können uns streiten und wütend sein, aber wir kommen immer wieder zusammen. Unsere Beziehung ist eine dynamische und wirklich sehr gute Beziehung. Und ich habe sehr viel Respekt vor ihm und dem was er tut. Sowohl als Person als auch als Bandmitglied. Und ich denke, dass es andersherum genauso ist.

Ich möchte die Vergangenheit nicht als Krücke mit mir herumtragen.

Es wird viel über eure Genre-Ausrichtung geredet und ob ihr zu den “alten” IN FLAMES Sachen zurückkehrt. Darüber möchte ich nicht direkt sprechen, ich finde es eher richtig gut, dass ihr euch nicht in Schubladen stecken lässt. Mich interessiert mehr, ob mit “Foregone” eine neue Zeit geprägt wird, in der IN FLAMES weitere Platten in der Art von “Foregone” machen oder ob ihr euch sagt: “Es kommt, wie es kommt!”.

Für mich gibt es keine Ausrichtung, denn jedes Album ist eine Reaktion auf das vorherige. Wir sind auch keine nostalgische Band und zudem möchte ich die Vergangenheit nicht als Krücke mit mir herumtragen. Ich bin sehr stolz auf das, was wir tun und halte jedes Album für wichtig, aber eben in der Zeit, in der es entstanden ist. Genau so ist es auch mit “Foregone”, das heißt auch, dass unser nächstes Album wieder anders klingen könnte, als das jetzige.

Wir wollen außerdem keine Band sein, bei der jeder immer genau weiß was er bekommt. Dieses Album wurde in der heutigen Zeit gemacht und klingt so, wie wir uns fühlen. Es entspricht auch dem Stil von IN FLAMES, denn für mich ist IN FLAMES ein Mix aus Aggression und Melodie. Wir haben unseren Sound, den die Leute kennen, ob sie ihn nun mögen oder nicht. Aber wir denken nicht über den Sound nach und ich versuche nicht in ein bestimmtes Genres zu passen. Ob es nun Death Metal, Melodic Death Metal, Metalcore oder was auch immer es ist. Es ist nicht wichtig für uns. Wir sind, wer wir sind, und wir tun, was wir tun. Was die Leute dann über uns sagen mag richtig für sie sein, das heißt aber nicht, dass das für uns oder jemand anderen dasselbe bedeutet. 

Unsere Musik ist zudem sehr organisch. Wir mieten ein Studio, “Foregone” haben wir beispielsweise in Los Angeles mit Howard Benson (unserem Produzenten) aufgenommen. Also haben wir ein Haus gemietet, nah am Studio, nur etwa 20 Minuten entfernt. Wir bringen unser Equipment hin und fangen an zu schreiben. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir ein paar Songs fertig haben, gehen wir ins Studio und nehmen sie auf, dann gehen wir zurück ins Haus und schreiben weiter und dann wieder zurück ins Studio. Wenn wir dann der Ansicht sind, dass wir ein ganzes Album haben, hören wir auf. Wir schreiben keine 40 Songs und wählen die besten 12 aus. Es ist eine sehr, sehr organische und natürliche Art, ein Album zu machen. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir fertig sind, sind wir fertig. 

Ich freue mich, wenn die Leute glücklich sind.

Ich empfinde es als sehr nervig, wenn in den Sozialen Medien über Musikgeschmack diskutiert und sich gegenseitig beschimpft und angegriffen wird.

Das ist eine Sache, die mich auch ärgert, wenn manche Fans andere Fans angreifen, weil sie etwas anderes mögen. Musik ist eine so persönliche Sache und da ist nichts besser oder schlechter. Das ist alles Geschmackssache und man kann Geschmack und Fakten nicht mischen, weil es sehr unterschiedliche Dinge sind. 

Selbst wenn jemand Weißes Rauschen liebt und darin etwas Schönes findet, oder er hört klassische Musik und findet sie gut, oder die erste Obituary – das ist doch das Beste an Musik, es ist alles einfach so unterschiedlich. Was ist gut? Was ist schlecht? Was mögen die Leute oder was mögen sie nicht? Das liegt alles an ihnen. Man ist nicht besser, weil man sich nur Sachen anhört, die 1994 oder 2022 rauskamen. 

Es ist einfach dumm, aber so sind wir Menschen, wir haben so viel Angst vor etwas Neuem. Für uns ist der nächste Tag beängstigend, dabei können wir uns nur auf das berufen, was schon passiert ist, weil wir diesen Teil schon erlebt haben. Ich lebe im Hier und Jetzt und möchte unsere Musik weiterentwickeln. Etwas Neues bedeutet nicht, dass ich nicht liebe wo wir herkommen. Ich liebe unsere Geschichte, ich liebe jeden einzelnen Song, jedes einzelne Album, denn sie sind alle sehr wichtig für uns.

Alle Alben haben euch zu dem gemacht, was ihr heute seid und das ist auch gut so, finde ich. Ich war auf einigen Konzerten von euch, in ganz Deutschland. Ich glaube, dass die meisten Leute, die euch im Internet kritisieren, trotzdem auf eure Konzerte gehen und mit eurer Musik auch “alt” geworden sind. Wie empfindest du das?

Leute werden immer eine Meinung haben. Das heißt aber nicht, dass diese Meinung richtig ist. Es ist nur die Meinung anderer Leute.

Was die Leute online schreiben, nehmen wir ein offenes Forum, und was sie tun ist nicht immer das gleiche. Ich glaube, es gibt viele Leute, die sagen: “Ich mag das nicht”, aber gleichzeitig gehen sie in eine Show und genießen sie. 

Oder wieder andere kritisieren etwas nur, um gehört zu werden und wenn sie alleine sind, lieben sie es. Aber darüber denke ich nicht so viel nach und auch nicht, wenn wir live spielen. Wenn du unsere Musik magst, dann magst du sie und wenn nicht, hörst du dir etwas anderes an. Ich freue mich, wenn die Leute glücklich sind. Wenn sie singen, lachen, Circle Pits oder Stagediving machen. Wenn sie  Crowdsurfen und Springen und all das. Wenn ich all diese gute Energie spüre, will ich mir nicht die Mühe machen, über Leute nachzudenken, die das kritisieren. Es spielt keine Rolle, denn wie ich schon bei der vorherigen Frage sagte: Musik ist so persönlich. Keiner kann mir vorschreiben, was ich zu schreiben habe. Ich entscheide, welche Art von Musik ich schreiben will. Nicht meine Fans, nicht die Plattenfirma, nicht das Management. Niemand. Aber dass die Leute lieben, was wir tun, ist großartig, denn so kann ich etwas tun, das ich liebe und kann die Welt bereisen, tolle Leute treffen und das ist fantastisch. 

Man kann sich nicht von jedem und dem, was er über Musik sagt, beeinflussen lassen. Denn dann brauchst du überhaupt keine Musik zu veröffentlichen. 

Das ist sehr wahr!

Leute werden immer eine Meinung haben. Das heißt aber nicht, dass diese Meinung richtig ist. Es ist nur die Meinung anderer Leute.

Wie beeinflussen euch neue Bandmitglieder?

Immer wenn jemand Neues in die Band kommt, wirst du in positiver Hinsicht beeinflusst. Es sind aber Björn und ich, die die Musik schreiben, arrangieren und all das Zeug machen. Aber jeder bringt seine Energie und seine Freundschaft in die Gruppe ein und genau diese Chemie ist es, die sehr wichtig für die Gruppendynamik ist. Bevor wir das Album aufgenommen haben, waren wir super tight, unsere Energie und die Stimmung ist sehr gut und das ist der Grund, warum das Album so klingt, wie es klingt. 

Ich kann es kaum erwarten, „Foregone“ auf Vinyl zu hören. Wir haben das Album vorher immer nur in digitaler Form, das kann man nicht mit dem Sound einer Vinyl vergleichen.

Genau das ist die Zeit, aus der ich komme. Ich denke noch immer über A und B Seite nach, wenn ich ein Album mache. Die Reihenfolge unserer Songs ist sehr durchdacht und soll auf eine bestimmte Art und Weise angehört werden und nicht nur über 30 Sekunden auf Spotify oder Apple gehört werden, sondern von Anfang bis zum Ende.

Es ist kein Konzeptalbum, aber trotzdem nimmst du deine Hörer mit dem Intro an die Hand und führst sie bis zum Outro. Das macht das Album aus und man kann sich keine Meinung von einem Album bilden wenn man es nicht auf diese Art gehört hat, weil man nicht weiß, wie es als Ganzes auf dich wirkt. Das verhält sich genauso wie mit den vorher veröffentlichten Singles.

Ich bin froh, dass du das erwähnt hast. Alles ist so konzipiert, dass am Ende ein komplettes Album steht. Es ist, wie du gesagt hast. Es gibt eine gewisse Dynamik und jeder Song ist aus einem bestimmten Grund da und ich möchte, dass die Leute es sich von Anfang bis Ende anhören und sich dann ihre Meinung bilden.

Wir hören Musik auf unterschiedliche Art und Weise und die Leute haben Zugang zu allem auf ihren Smartphones und das ist auch gut so. Sie hören sich 30 Sekunden lang etwas an und dann entscheiden sie, ob sie es mögen oder nicht und ich verstehe, warum die Leute das tun. Aber wenn ich ihnen eine Empfehlung geben kann, dann wäre es folgende: „Nimm dir Zeit und höre dir das ganze Album an. Es wird sich viel mehr lohnen, wenn du es von Anfang bis Ende anhörst und wenn du es dann nicht magst, ist das vollkommen Ordnung.“. 

Genieße den Moment, denn er wird nicht für immer da sein

Wir sind fast am Ende unseres Interviews lieber Anders. Du hast vorhin gesagt, dass du im Moment lebst. Aber was würdest du zu dem Anders aus dem Jahr 1999 sagen in Bezug auf das, was ihn in Zukunft erwartet? Stichwörter sind Soziale Medien, Streaming-Dienste und Pandemie und das alles in Verbindung zu deiner Musik mit In Flames. 

Ich bin froh, dass ich die Chance nie hatte, zurückzugehen und mit mir zu reden. Weil, wenn ich das alles vor mir gehabt hätte, würde es mich wirklich stressen. (lacht) 

Ich würde nicht über all dieses Zeug Bescheid wissen wollen. Ich bin froh, dass ich im Moment lebe. Ich würde vielleicht sagen: “Enjoy the Ride and have a good Time. Stress dich nicht zu sehr, egal wegen was oder über was auch immer. Genieße den Moment, denn er wird nicht für immer da sein.”

Das ist ein hervorragender Schlusssatz zum Ende unseres interessanten Interviews. Ich wünsche euch viel Erfolg für euer neues Album “Foregone” und sag der Band bitte schöne Grüße von mir. 

Das werde ich tun. Pass auf dich auf und vielen Dank für das Gespräch mit dir, hab einen schönen Tag und auf Wiedersehen.

Interview: Tobi Stahl
Fotos: Nuclear Blast