SACRED REICH – 7er

SACRED REICH, Mannheim 7er, 02. Juni 2022

Da ich mit Ironfest und Detze bereits zwei Festivals im Juni geplant hatte, habe ich in diesem Jahr aufs RHF verzichtet, wo SACRED REICH als Freitagsheadliner gesetzt waren. Da ich das Quartett um Bassist Phil Rind seit seinen Auftritten beim Dynamo Open Air Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger nicht mehr live erlebt hatte, wurmte es mich schon ein wenig, dass es auch diesmal anscheinend nicht klappen sollte. Doch wie es der Zufall will, bin ich am 2. Juni auf einer Fortbildung in Speyer und erhalte Nachricht von einem Kumpel, dass SACRED REICH an jenem Abend im nahegelegenen Mannheim eine Show spielen wĂźrden. Also fasse ich spontan den Entschluss auf dem Heimweg im guten alten 7er-Club halt zu machen.

Beim Einlass werde ich ob meines hellblauen Sommerhemdchens zwar ein wenig kritisch beäugt, da ich den schwarzen Dresscode so unverschämt breche, aber die langen Haare identifizieren mich zumindest halbwegs als Metaller, so dass ich spätestens beim Headbangen und Luftgitarre spielen vor der Bßhne voll integriert bin. Vorher treffe ich jedoch seit zwei Jahren zum ersten Mal Veranstalter Stefan Schiemer wieder, der ein wenig besorgt wirkt. Irgendwie seien die Leute durch die Pandemie immer noch gehemmt und selbst diese exklusive Clubshow eines namhaften US-Acts hätte nicht mehr als 250 zahlende Gäste angelockt. Dabei passen doppelt so viele in den Innenhof des 7ers, wo die Show heute stattfindet. Also an dieser Stelle nochmals der Appel: GEHT AUF KONZERTE, LEUTE!

Da es heute keinen Support gibt und der Hauptact erst gegen halb neun die Bühne entert, bleibt noch etwas Zeit mit alten und neuen Bekannten ins Gespräch zu kommen. Dann erklingt schließlich ‚The Boys Are Back In Town‘ von Thin Lizzy und die Arizona Boys tauchen endlich auf. Phil grinst mal wieder bis über beide Ohren und scheint in all den Jahren kaum gealtert zu sein. Zwar steht er immer noch gut im Futter, aber sieht nach den gesundheitlichen Problemen der Vergangenheit vergleichsweise fit aus. Gitarrist Wiley Arnett hingegen ist so dürr wie eh und je. Ohne seine obligatorische Baseballkappe würde er als Doppelgänger von Flotsams Eric A.K. durchgehen, die übrigens Mitte des Monats hier spielen.

Die Jungs lassen sich nicht lange bitten und legen mit ‚Divide & Conquer‘ vom aktuellen Album „Awakening“ los, dem sie nahtlos ‚The American Way‘ folgen lassen. Vor der Bühne bildet sich gleich ein Pit und ein Kollege versucht sich kurze Zeit später sogar beim Stagediving. Nicht nur deshalb fühle ich mich schnell in die guten alten Achtziger zurückversetzt. Rind hat ebenfalls nichts von seiner Redseligkeit eingebüßt und holt in den Songpausen gerne einmal etwas weiter aus. Dabei wirkt er sehr empathisch und vor allem authentisch. Als sich jemand aus dem Publikum darüber beschwert, gibt er ihm jedoch unmissverständlich zu verstehen, dass er der Herr im Ring ist und so lange quatscht wie er will. Der Rest des Publikums quittiert dies mit frenetischem Beifall.

Und so geht es im Wechsel von neuem und altem Material weiter. Interessanterweise funktionieren die „Awakening“-Songs dabei genauso gut wie Klassiker a la ‚Love…Hate‘, ‚Ignorance‘ und ‚Who`s To Blame‘. Neben den oben genannten beiden Urmitgliedern haben auch Drummer Dave McClain (ex-Machinehead, ex-SA-Slayer etc.) und Rhythmusgitarrist Joey Ratziwill ihre Momente. Vor allem Letzterer bangt und poset was das Zeug hält, während Wiley souverän grinsend seine Soli runterzockt. Joeys ‚böses‘ Minenspiel wirkt dabei ob seinen Babyfaces ungewollt amüsant, aber sehr sympathisch. Überhaupt ist dies das Attribut, welches SACRED REICH am besten beschreibt. Daran ändert auch die viel zu kurze Spielzeit von etwas über einer Stunde nichts. Vor allem, weil der Höhepunkt mit der Doublette ‚Death Squad‘/‘Surf Nicaragua‘ am Schluss alle Anwesenden mit einem zufriedenen Lächeln zurücklässt.

In dieser Form kÜnnen SACRED REICH gerne noch ein paar Jahrzehntchen weitermachen. Und solche Shows dßrfen kßnftig gerne wieder besser besucht sein. Die nächsten beiden Gelegenheiten dazu sind Heathen und Flotsam And Jetsam am gleichen Ort! Die MÜglichkeit im Innenhof quasi ein kleines Open Air stattfinden zu lassen, haben nur die wenigsten Locations. Das macht den 7er, neben den netten Leuten, zu etwas ganz Besonderem.

 

Text Alex Fähnrich

Fotografie: Anima Nigra