ROCK & PROG FESTIVAL / BERNIES BLUES BAR, 17.07.2020

Eigentlich sollte an jenem Wochenende das „Night Of The Prog“-Festival auf der Loreley stattfinden, welches – wie so viele und vieles – in diesem Jahr leider Corona zum Opfer gefallen ist. Doch schwere Zeiten machen erfinderisch, so dass Bernie Schiffmann aus der Not eine Tugend macht und just am NOTP-Freitag ein kleines Open Air auf dem Parkplatz seiner Blues Bar veranstaltet. So etwas ist unter Corona-Bedingungen nicht gerade ein Kinderspiel. Die kontingentierten Plätze müssen online reserviert und vorab bezahlt werden. Vor Ort findet man dann ein liebevoll handgeschriebenes Namensschild an seinem Stuhl, der auf Grund der Abstandsregel mindestens zwei Meter von der nächsten Sitzgelegenheit entfernt ist. Beim Einchecken muss man seine volle Anschrift angeben, so dass auch Laufkundschaft noch der Zutritt gewährt wird. Der relativ hohe Eintrittspreis von 30 Euro schreckt jedoch einige Einheimische ab, die unverrichteter Dinge wieder von Dannen ziehen. Für drei Cover- bzw. Tributebands erscheint der Obulus auf den ersten Blick zu hoch, bedenkt man jedoch den oben geschilderten logistischen Aufwand relativiert sich dies schnell.
Als ich dank Fähre erst um halb sechs am Festivalgelände, das sich direkt am Rhein zu Füßen der Loreley befindet, ankomme, sind STOXXX schon voll bei der Sache. Da ich als Erstes Martin Schnella in die Arme laufe und mich danach hoffnungslos mit Oliver Wenzler von Progressive Promotion festquatsche, verpasse ich leider fast das komplette Set des Openers. Einzig ‚Chasing Cars‘ von Snow Patrol ist mir danach noch präsent, was allerdings in erster Linie dem Ohrwurmcharakter des Originals geschuldet sein dürfte. Die knapp hundert Anwesenden sind allerdings sichtlich dankbar endlich wieder Livemusik geboten zu bekommen und quittieren den Auftritt von STOXXX mit wohlwollendem Applaus.
Was danach kommt ist freilich ein ganz anderes Kaliber: MELANIE MAU & MARTIN SCHNELLA unterstützt von Percussionist Simon Schröder (Bassist Lars Lehmann ist leider verhindert.). Alle drei sind den anwesenden Proggern bestens durch Szenegrößen wie Flaming Row, Seven Steps To The Green Door und Cryptex bekannt. Heute gibt das Trio allerdings in erster Linie Coverversionen von Kansas, Genesis und The Police zum Besten. Gleichwohl kommen auch eigene Nummern zum Zuge, wie zum Beispiel die wunderschöne Liebeserklärung von Melli an ihre Kinder mit dem Titel ‚My Dear Children‘. Mein persönlicher Höhepunkt ist jedoch der großartige Flaming Row-Song ‚The Sorcerer‘ vom aktuellen Album „The Pure Shine“. Selbst stark verkürzt und umarrangiert ist dieses Stück pures Gold und zaubert mir zentimeterdicke Entenpelle auf die Unterarme. Sehr gut kommen die beiden Metal-Nummern am Ende der Show an: Bei ‚Wasted Years‘ von Maiden bekommt Simon für seine wilde Percussion-Einlage sogar Szenenapplaus und ‚I Am Above‘ von In Flames ist im Akustikgewand kaum wiederzuerkennen. Genau das ist es, was ein gutes Cover ausmacht, dem die Musiker ihren eigenen Stempel aufdrücken. Mau & Schnella gelingt dies in erster Linie durch Mellis lieblichen Gesang und Martins virtuoses Gitarrenspiel. Man darf gespannt sein, welche Überraschungen diese beiden, gemeinsam mit Simon und Lars, auf dem neuen Album, das am 22. August erscheinen wird, für uns bereithalten. Aber an diesem Abend wird die Band erst einmal für einen tollen Auftritt mit tosendem Applaus belohnt und bedankt sich mit einer Zugabe.
Danach ist bei mir zugegebenermaßen ein wenig die Luft raus. Man ist nach so langer Liveabstinenz ja auch nix mehr gewohnt. Ich verbringe viel Zeit mit Melli, Martin und Simon an Olis Progressive Promotion-Stand und quatsche über Gott und die Welt. Auf der Terrasse von Bernie Blues Bar geben JOURNEYE derweil Vollgas. Allen voran der großartige Arno Menses, der eigentlich bei meiner deutschen Lieblingsband Subsignal hinterm Mikro steht und sich vom Opener ‚Separate Ways‘ bis zum Rausschmeißer ‚Faithfully‘ souverän durch ein gelungenes Best-Of-Journey-Programm singt. Unterstützt wird er dabei von der zauberhaften Elena Kippenberger, mit der er sich das ein oder andere Gesangsduell liefert. Gitarrist Rene ist der einzige Musiker, der sich auch mal die Treppe runter wagt, dabei allerdings immer den gebotenen Sicherheitsabstand wahrt. Den Musiker zum Anfassen wird es dank Corona wohl nicht mehr so schnell geben. Trotzdem hat dieser Tag gezeigt, dass es auch unter diesen erschwerten Bedingungen Festivals und Konzerte geben kann und das Ganze auch Spaß macht. Herzlichen Dank dafür an Bernie und sein Team!

 

Alex Fähnrich