IRONHAMMER Festival 2021

JUZ Andernach Open Air

11.09.21

In Zeiten wie diesen ist ein Metal-Festival weit mehr als ein Musikevent, sondern vielmehr ein Statement. Schon im letzten Jahr war das IRONHAMMER eine der wenigen Kulturveranstaltungen, die überhaupt stattfanden. Diesmal ist die Situation zwar nicht ganz so schwierig wie im ersten Corona-Jahr, aber Veranstalter Jan Müller und sein „A Chance For Metal“-Team gehen trotzdem kein Risiko ein und verlegen das Festival abermals vom JUZ Live Club auf das Gelände dahinter. Im Vergleich zu 2020 kann die Zuschauerzahl auf 500 erhöht und das Hygienekonzept aufgrund der 3-G-Regelung gelockert werden. Dementsprechend ist die Stimmung von Beginn an blendend, zumal das Wetter mitspielt, sodass einem perfekten Tag frei nach dem Festivalmotto „Let`s bring down the hammer!“ nichts im Wege steht.

Das fängt schon damit an, dass ich einen Chefplatz direkt am Gelände bekomme und gleich JUZ-Chef Thomas in die Arme laufe, der mich Backstage geleitet. Dort treffe ich als Erstes auf die Jungs von SAVAGE BLOOD, die trotz der weiten Anreise aus Osnabrück bester Dinge sind. Es ist bemerkenswert, wenn sich Leute wie Peter Diersmann (Voc/ex-Enola Gay) und Markus Weckermann (Bass/Weckörhead/ex-Deterrent), die bereits seit über drei Jahrzehnten als Musiker aktiv sind, wie kleine Kinder auf ihren Auftritt freuen. Und so lassen sie auf der Bühne dieser Freude freien Lauf und strahlen um die Wette ob der positiven Publikumsreaktionen. Denn beim Ironhammer ist es so, dass bereits der Opener amtlich abgefeiert wird, wenn er so engagiert auftritt wie die Jungs von SAVAGE BLOOD. Peter kommuniziert sehr gut mit dem Publikum und Markus tobt über die Bühne wie von der Tarantel gestochen, bis ihm der Platz offensichtlich nicht mehr ausreicht und er wild bangend eine Runde durch die Menge dreht. Das ist Spielfreude pur und Songs wie ‚Release The Beast‘ oder das Titelstück des aktuellen Albums „Downfall“ verfehlen ihre Wirkung nicht. Jedenfalls wechseln am Merch-Stand im Nachgang etliche Tonträger den Besitzer.

 

Im Anschluss feiern die Koblenzer MOONTOWERS mal wieder ein Heimspiel in der Metal Metropole Mittelrhein. Nicht wenige rieben sich verwundert die Augen als Drummer Kratz alias Havoc bei der Institution Metal Inquisitor ausstieg, um die Stöcke nur noch bei dieser Newcomerband zu schwingen. Bei näherer Betrachtung erscheint diese Entscheidung jedoch durchaus nachvollziehbar, ist es dem Quartett doch von Beginn an gelungen, seinen ureigenen Sound zu finden. Liegt es an Dommermuths (Voc/Git) kauzigem Gesang oder an seinem Zusammenspiel mit Kuschke (Git), dessen Stil schon bei Desaster einzigartig ist? Oder ist es die Linkshänderfraktion, die der Letztgenannte mit Bassist Fabio Baulig bildet, der eigentlich Gitarrist bei den Thrashern von Secutor ist? Jedenfalls schaffen es MOONTOWERS auch an diesem Tag wieder bei gleißendem Tageslicht eine düstere Atmosphäre heraufzubeschwören. Diesmal haben sie neben ihrem bewährten Arsenal aus Stücken der Debüt-EP „The Arrival“ (Lethal anyone?!) und dem Debütalbum „Crimson Harvest“ sogar ein brandneues Stück namens ‚Leviathan‘ im Set, welches eines der Highlights desselbigen darstellt.

INDIAN NIGHTMARE spielten beim letzten ACFM-Festival einen Überraschungsgig (Vulture, mit denen sie gerade auf Tour waren, teilten spontan ihre Spielzeit mit ihnen.) und räumten dabei so dermaßen ab, dass Jan die Berliner diesmal offiziell buchte. Der Einstieg in ihr Set gestaltet sich jedoch recht holprig, denn beim Opener hört es sich so an, als würde jeder Musiker einen anderen Song spielen. Mit ihrem kruden Mix aus Speed Metal und Punk ist die Band zwar ohnehin eine ziemliche Chaostruppe, aber so chaotisch hatte ich sie nicht in Erinnerung. Später erfahre ich, dass es sich beim Sänger gar nicht um den etatmäßigen Frontmann handelt, sondern, dass der junge Mann mit dem Corpsepaint und der kurzen Jeanshose kurzfristig eingesprungen ist. Es scheint niemandem groß aufgefallen zu sein, denn INDIAN NIGHTMARE machen wie gewohnt richtig Alarm auf der Bühne, was sich auf die Bewegungsfreudigkeit der Menge auswirkt, in der Matten geschüttelt, Tanzbeine geschwungen und Fäuste gen Himmel gereckt werden. So gehört sich das, zumal man nicht wie letztes Jahr zum Sitzen verdonnert wird und sich frei bewegen darf!

 

 

 

Was soll man zu TRANCE noch schreiben, was in den letzten vier Jahrzehnten noch nicht geschrieben wurde? Gitarrist Markus Berger und Bassist Thomas Klein sind Urgesteine der deutschen Metal-Szene, aber gleichwohl immer noch hungrig genug, um mit neuer Mannschaft und einem neuen Album im Gepäck nochmal richtig anzugreifen. Zehn Jahre nachdem man sich nach längerer Pause wieder zusammenraufte und fünf Jahre nachdem man Neudi Neuderth (u.a. Roxxcalibur & ex-Manilla Road) als Drummer verpflichtete, hat man gerade mit „Metal Forces“ ein starkes neues Album im Gepäck, von dem man beim Ironhammer – neben den bekannten Bandklassikern – einige Songs zum Besten gibt. Dabei entpuppt sich insbesondere Sänger Nick Hollemann (Powerized, ex-Vicious Rumors) als absoluter Glücksgriff und überzeugt durch seine unglaubliche Range und seine große Agilität auf ganzer Linie. Dazu gesellt sich mit Kalli (Masters Of Disguise, Abandoned) Kallschmidt ein alter Bekannter an der zweiten Gitarre, der TRANCE mit seiner intensiven Bühnenpräsenz zweifellos verstärkt. In dieser Form sind die Pfälzer jedenfalls unwiderstehlich und hingegen ihres vorletzten Stücks ‚Loser‘ DER Gewinner des Festivals.

 

Das kann man von den BURNING WITCHES leider nicht wirklich behaupten, denn die Schweizerinnen können ihren Co-Headliner-Status nicht ganz rechtfertigen und spielen den bei Trance noch eng bevölkerten Platz vor der Bühne ein wenig leer. Dabei machen die Mädels eigentlich fast alles richtig. Zu Beginn leisten sich die beiden Gitarristinnen zwar ein paar Fehlgriffe, aber danach kommt der Hexenexpress mächtig auf Touren. Vor allem Drummerin Lala Frischknecht trommelt wie ein Uhrwerk und Sängerin Laura Guldemond wirkt sehr engagiert und bewegungsfreudig. Die Holländerin ist ja erst seit 2019 dabei und Neugitarristin Larissa Ernst sogar erst seit letztem Jahr. Mit „The Witch Of The North“ haben die Damen ein brandaktuelles Album im Gepäck, von dem vor allem ‚We Stand As One‘ und der Titeltrack richtig gut rüberkommen. Das Restprogramm setzt sich aus Standards der Vorgängeralben zusammen, wobei mit ‚Jawbreaker‘ von Priest nur eines der vielen Cover zum Zuge kommt, die man in Petto hat. Als All-Female-Band hat man es in der Metal-Szene nicht gerade einfach und muss sicher noch härter arbeiten als die männlichen Kollegen, um die gleiche Anerkennung zu erringen. Die WITCHES haben diesen Kampf offenbar angenommen.

 

Dass die SUICIDAL ANGELS irgendwann einmal Headlinerstatus haben würden, konnte man am Anfang ihrer Karriere nicht unbedingt ahnen, galten die Griechen doch eigentlich als identitätslose Slayer-Klone. Seitdem jedoch das Original das Handtuch geworfen hat und andere Thrash-Dinos wie Sepultura oder Testament ihren Zenit überschritten haben, weiß man den soliden Sound der Helenen offenbar mehr zu würdigen. So haben die ANGELS den Mob vom ersten (‚Endless War‘) bis zum letzten (‚Moshing Crew‘) Song fest im Griff und verkörpern das Motto dieses Festivals wie keine andere Band vor ihnen, indem sie den Hammer unerbittlich kreisen lassen. Bandleader Nick Melissourgos gibt mit seinen aggressiven Vocals und den fetten Riffs klar den Ton an, aber seit Hinzunahme von Leadgitarrist und Shredder galore Gus Drax (u.a. noch bei Black Fate & Sunburst) haben zumindest die Soli etwas Filigranes. Aber wer braucht das zu dieser fortgeschrittenen Stunde schon? Hauptsache es knallt und so holen die Griechen nochmal alles aus dem Ironhammer-Publikum heraus.

Das Fazit des Tages kann natürlich nur positiv ausfallen. Die Metal Metropole Mittelrhein hat ihrem Ruf wieder einmal alle Ehre gemacht und unter schwierigsten Bedingungen ein Event auf die Beine gestellt, welches rundherum gelungen ist. Nicht umsonst zog es auch Prominenz wie Jarvis von Night Demon oder Schmier von Destruction nach Andernach, die mit ihren Bands diesmal nicht auf der Bühne standen. Und so spielte sich das Schönste eigentlich vor und hinter der Bühne in Form von innigen Umarmungen und anregenden Unterhaltungen mit Menschen ab, die man entweder lange nicht mehr gesehen oder neu kennenlernt hat. Also sagen wir Corona ein weiteres Mal „Fuck you very much, Du kriegst uns nicht klein!“ und sehen uns nächstes Jahr beim sechsten Ironhammer.

Text: Alex Fähnrich

Fotografie: Jörg Schnebele

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