IRON FEST 2022

IRON FEST 2022, Ohmbachsee, 10. – 11. Juni 22

TAG 1

Was haben wir alle diese Open Air-Saison herbeigesehnt! Anfang Mai ging es mit dem „A Chance For Metal“-Festival in Andernach los und soll nun beim IRON FEST, im rheinland-pfälzischen Schönenberg-Kübelberg, seine Fortsetzung finden. Schon die Anreise über den Hunsrück gestaltet sich an diesem sonnigen Frühlingstag sehr angenehm und bei Ankunft wähnt man sich beim ersten Blick auf den idyllischen Ohmbachsee fast im Urlaub. Die Kumpels haben schon am Vortag ein Camp errichtet, aber trotz ausverkauftem (Natur-)Haus finde ich auch am Freitag noch ein schattiges Plätzchen für meinen Camper. Meine Nachbarn sind keine Geringeren als Jowita und Simone von „Metal On Metal Records“ und schon ist auch die Frage geklärt, wer die Fotos für diesen Report liefert, denn Jowita ist Profi.

Der Beginn des Festivals verzögert sich ein wenig, aber dann stehen TYTUS endlich auf der Seebühne, um den Tag musikalisch zu eröffnen. Die Italiener machen ihre Sache wirklich gut und stimmen die bereits Anwesenden mit ihrem traditionellen Metal bestens ein. Die Ansagen übernimmt der Bassist, der anscheinend am besten Englisch spricht, und die beiden Gitarristen Riffen und Headbangen was das Zeug hält. So darf es gerne weitergehen…

…und das tut es auch…und wie… Die GALACTIC SUPERLORDS sind keine Unbekannten auf deutschen Festivalbühnen. Mit einer agilen Sängerin und mittlerweile drei Gitarristen räumen die Stoner Rocker beim langsam wachsenden Publikum mächtig ab und füllen erstmals den Platz vor der Bühne. Trotz der geballten Gitarrenpower stimmt auch der Sound und die dreiviertel Stunde vergeht wie im Fluge. Entsprechend schwer haben es anschließend IVORY TOWER, die gute Stimmung mit ihrem progressiven Power Metal zu halten und so gönne ich mir die erste kleine Verschnaufpause im Camp.

Pünktlich zu BÜTCHER stehe ich wieder front of stage, denn ich habe die Belgier schonmal auf dem Detze gesehen und sie haben so richtig abgeräumt. Dies liegt nicht zuletzt an ihrem exaltierten Frontmann, der mit seinem Irokesen und „blutverschmiertem“ Gesicht ein wahrer Hingucker ist. Auch der Rest der Band ist sehr bewegungsfreudig, nur der Bassist macht sich mit seiner Skibrille, die ständig verrutscht und entsprechend gerichtet werden muss, ein wenig lächerlich.

Eine ähnlich geile, wenn auch einstudiertere Show liefern die Lokalmatadoren von HAMMER KING. Es macht immer wieder Spaß dem perfekt eingespielten Gitarrenduo Titan Fox/Gino Wilde zuzuhören und -zuschauen. Die Vocals und Ansagen vom Bandboss sind wie immer auf den Punkt und der neue Bassist Günt passt perfekt ins Gesamtbild. Es wurde sogar ein neuer Song vom neuen Album „Kingdemonium“ (VÖ 19. August) gezockt, der sehr vielversprechend klingt. Man darf auf das Gesamtwerk gespannt sein. Weniger gespannt bin ich auf MIDNIGHT, so dass ich mich zum Abendessen begebe, um mich für den Headliner zu stärken.

NIGHT DEMON eilt der Ruf einer der besten Liveacts der Metal Szene voraus und das völlig zurecht. Ich habe das Trio bereits etliche Male auf und abseits der Bühne erleben dürfen und es gibt kaum einen netteren und quirligeren Typen als Jarvis Leatherby. Und so räumen die Amis auch diesmal voll ab, indem sie einfach mit voller Leidenschaft ihr Standardprogramm abliefern. Nicht mehr und nicht weniger, aber nun mal mit Herzblut vorgetragen. Beim abschließenden Maiden-Cover ‚Wasted Years‘ geht die Meute nochmal richtig steil, bevor eine rauschende Aftershow-Party beginnt. Ich selbst haue mich gegen eins aufs Ohr, weil ich am nächsten Tag fit sein will. Einige meiner Kumpels liegen dann schon in ihren Kojen, wo sie auch noch liegen, als…

 

TAG 2

…ich am nächsten Morgen meine Laufschuhe schnüre und eine Runde um den Ohmbachsee jogge. Boah ist das schön hier! Der Standort wird danach umgehend im Navi für spätere Wochenendtrips abgespeichert. Nach Säuberung meines verschwitzen Leibs und einem gemütlichen Frühstück schlendere ich schon früh Richtung Festivalgelände, denn mit den Jungs von Lord Vigo, Dragonsfire und Steelpreacher erwarte ich ein paar alte Bekannte, auf die ich mich sehr freue.

Den Auftakt machen heute DRAGONSFIRE, die kurzfristig als Opener eingesprungen sind. Ähnlich wie Tytus am Vortag ist traditioneller Heavy Metal angesagt, hier allerdings mit einem Schuss Äppelwoi, welcher wie so oft von Mundschenk Carsten beim Song ‚Cider Victims‘ ausgeschenkt wird. Natürlich wird es mit ‚Steel Eel‘ auch wieder aalig und mein Lieblingssong ‚Devil`s Road‘ ist auch dabei. Aber nicht nur ich und das restliche Publikum, sondern auch Sänger Dennis, Basser Peter, Neudrummer Sandro und die beiden Gitarristen Matt und Timo haben mächtig Spaß in den Backen.

Besser kann es nicht losgehen, zumal die danach geplanten AC ANGRY ausfallen und stattdessen ‚Doom Shall Rise‘ aus den Boxen hämmert. Was für eine geile Hymne! Wie schon beim Hammerkönig am Vortag hat auch LORD VIGO hier ein Heimspiel, so dass etliche Jünger des Lords gekommen sind, um ihm untertänigst zu huldigen. Und weil ihn das gütig stimmt, gibt er nicht nur einen brandneuen Song vom in Bälde erscheinenden „We Shall Overcome“-Album zum Besten, sondern lässt sich sogar zu einer Zugabe in Form von ‚Vigo von Homburg Deutschendorf‘ herab. Danke, oh Lord, wir sind unwürdig!

FUSION BOMB hatte ich vor der Dreckspandemie als Support der mächtigen Blind Illusion in Flörsheim gesehen. Daher weiß ich, was für ein Abriss zu erwarten ist. Mit ihrem Crossover Thrash heizen die Luxemburger den Moshpit vor der Bühne dann auch mächtig an. Blickfang der Truppe ist eindeutig Sänger/Gitarrist Miguel mit seiner arschlangen, schwarzen Matte. Allerdings dürfte er gerne das ein oder andere „motherfuckin‘“ weglassen, schließlich ist er kein Rob Flynn, auch wenn er ein wenig so aussieht.

Bei BACKSLASH gönne ich mir mein erstes Päuschen. Außer der Plattitüde „kleiner Mann mit großer Stimme“ zum Sänger kann ich also nicht wirklich was dazu sagen. Dafür bin ich bei TOXIK dann wieder top fit und das ist auch bitter notwendig. Die Tech Thrasher um Gitarrist Josh Christian sind nämlich mit dem jungen Sänger Ron Iglesias stärker denn je. Dieser dürre Kerl ist ein Energiebündel sondergleichen und reißt die Show des Festivals. Dabei intoniert er nicht nur Bandklassiker wie ‚World Circus‘ oder ‚Spontaneous‘, sondern auch das Titelstück des neuen „Dis Morta“-Albums mit Bravour. Bemerkenswert, dass man so – trotz der extremen Stimme und des schwer verdaulichen Songmaterials – das Publikum auf seine Seite zieht. Hätten die meisten Leute nicht eh schon gestanden, hätte es garantiert stehende Ovationen gegeben.

Keine leichte Aufgabe für STEELPREACHER nach dieser Lehrstunde, aber die Kowelenzer Schweine…äh Stahlpriester trinken nicht umsonst seit über 20 Jahren mit dem Teufel und haben sich erst vor Kurzem eine Frischzellenkur gegönnt. Neben Saitenhexer Andi ‚The Wicked‘ Dötsch, der kaum noch wegzudenken ist, hat man nach dem Abgang von Hendrik ‚Hä‘ Beerkiller nun auch einen neuen Drummer an Bord, der seine Sache wirklich gut macht. Die Jungs hatten sich am Tag zuvor bereits auf dem „Metal Frenzy“ warmgespielt, so dass ihnen Gassenhauer wie ‚Wish You Were Beer‘ und ‚Drinking With The Devil‘ so geschmeidig wie eh und je von der Hand gehen.

SCREAMER können die Partylaune des Pöbels danach anscheinend aufrecht halten, zumindest hört es sich von Weitem so an, denn ich bin beim Abendessen und lasse mich dabei nicht aus der Ruhe bringen. Das schaffen danach allerdings MOTORJESUS, die mich trotz vollen Magens komplett zum Ausrasten bringen. Obwohl man krankheitsbedingt die komplette Rhythmusgruppe ersetzen muss, wirkt die Truppe um Sänger Chris Birx so tight wie immer. Und so reißen die Jungs einen mit Hits neueren Datums vom aktuellen „Hellbreaker“-Album genauso mit wie mit liebgewonnenen Mitgehnummern a la ‚Fist Of The Dragon‘ oder ‚‘The Howling‘. Das abschließende ‚A New War‘ lässt gedanklich zwar kurz den verdammten Ukrainekrieg aufpoppen, aber diese düsteren Gedanken bange ich mir schnellstens aus der Birne, denn dafür ist nach zwei Jahren Pandemie heute einfach kein Platz. Danke für diese einstündige Flucht aus der Realität, Jungs! Für mich die Band des Festivals und das obschon ich sie bereits etliche Male gesehen habe.

Ich folge HEATHEN seit Veröffentlichung des „Pray For Death“-Demos Mitte der Achtziger, welches ich immer noch als das beste Thrash-Demo aller Zeiten feiere. Leider ist dem Bay Area-Urgestein nie der Erfolg zuteil geworden, den man eigentlich verdient hätte. Der Gedanke, woran das liegt ist müßig, aber das instabile Line-up und der zumindest zeitweilige Aderlass in Richtung Exodus haben sicher nicht geholfen. So fehlt auch heute mit Lee Altus das einzig verbliebene Gründungsmitglied. Zwar wird dieser durch einen jungen Kanadier wirklich gut vertreten, aber es bleibt ein fader Beigeschmack. Gleichwohl sind die Jungs heute extrem gut drauf und beschütten sich während ihres Sets zünftig mit Jägermeister. Zumindest mir geht dieses Trinkritual und das einhergehende Rumgelaber zwischen den Songs nach einer Weile tierisch auf den Sack. Das soll aber auch genug der Schelte sein, denn musikalisch ist HEATHEN über jeden Zweifel erhaben und neuer Stoff wie ‚Sun In My Hand‘ oder ‚The Blight‘ funktionieren live genauso gut wie altes Gold in Form von  ‚Goblin`s Blade‘ oder ‚Hypnotized‘. Besonderer Respekt gebührt Drummer Jim DeMaria, der bereits bei Toxik an der Schießbude gesessen hatte.

Nach dem Headliner schlendere ich noch über das Festivalgelände und komme mit einigen neuen und alten Bekannten ins Gespräch. Auf dem Weg zum Camp gehe ich noch ein paar Meter am See entlang, der so ruhig und glatt daliegt, als würde ihn das bunte Treiben des Wochenendes rein gar nicht interessieren. Das Quaken der Frösche ist nun lauter als der Krach der Metalheads und schon morgen wird es hier wieder so still und beschaulich sein wie zuvor. Das ist auch gut so, denn in einem Jahr wollen wir hier erneut gemeinsam eine megamäßige Party namens IRON FEST feiern. Herzlichen Dank an Niko Bremm und seine freundlichen und fleißigen Helfer*innen, die uns dieses perfekte Wochenende beschert haben. Tickets gibt es dann wieder hier: M+ Musik, Merch and More – Ticketshop › M+ Tickets (mplus.rocks).

Text: Alex Fähnrich

Fotos: Jowita Kaminska-Peruzzi