Hammer of Doom 2019

HAMMER OF DOOM
15.-16.11.2019
Würzburg – Posthalle

 

Auch dieses Jahr pilgerte wieder ein illustres, nach doomigen Sounds lechzendes Trüppchen nach Würzburg, um sich in der spröden Posthalle – offenbar wie so viele alternative Locations in diesem Lande vom Exitus bedroht – die lichter werdende Haarpracht gen Süden des Körperschwerpunkts föhnen zu lassen. (Anm. AF: Zumindest der Chef hat doch einiges an Haarpracht zugelegt!) Ein ebenso illustres Billing und insbesondere ein inzwischen dem bloßen Underground entwachsener Headliner sorgten dafür, dass diesmal gerade am Samstag mehr Fans denn je die Körperausdünstungen der Nebenleute ihre Riechkolben rümpfen ließen. Ein Umstand, der nicht jeden treuen Festivalfan zu Begeisterungsstürmen hinriss. Aber wer kann schon von sich behaupten, zweimal die „Doors“ als Opener auf dem Billing stehen zu haben (Anm. AF: Schenkelklopfer!)… Eben! (PM)
Nachdem mir die DB in Fulda zumindest einen leckeren Burger in der dortigen, jenem kulinarischen Genuss gewidmeten Manufaktur beschert hatte, erreichte ich noch pünktlich zu einem kurzen Mittagsschläfchen das Hotel, um mich per Entschleunigung adäquat auf das musikalisch Dargebotene vorbereiten zu können. Danach beschleunigten wiederum fränkische Hopfengenüsse den Hormonhaushalt, bevor CRESTFALLEN QUEEN am frühen Abend den Startschuss zur vierzehnten Ausgabe des HoD gaben. (Anm. AF: So gut hätte ich es als Landesbeamter auch gerne gehabt. Aber nein, es wurde bis halb vier gearbeitet und eine dreistündige Fahrt über notorisch verstopfte Autobahnen bewältigt, um erst gegen sieben völlig entnervt in der Posthalle anzukommen.) Meister Stefan stand selbst nach Konsultation der Metal Archives gar peinlich berührt vor der Bühne, hatte er die Mischpoke doch als düstere Gesellen mit Doom Death-Potenzial angekündigt (man besitzt old-schoolig natürlich auch nur das 2017er Demo). Bei näherem Hinhören jedoch entpuppte sich die Mucke als verspielter, mit erfreulich wenig okkultem Gedöns vorgetragener Doom Rock mit Fokus auf mitunter noch etwas unausgegoren vorgetragene Melodiebögen. Die Württemberger lassen mit Stücken wie „Eurydice´s Lullaby“ jedoch bereits durchaus aufhorchen, wobei die Performance (die Krux bei vielen Vortragenden des Wochenendes) noch an einem Mangel an Souveränität krankte. Nichtsdestotrotz ein absolut okayer Einstieg. (PM)


Danach jedoch bereits ein echter Quantensprung. Dem lächerlichen Verriss ihres neuen Albums im Rock Hard zum Trotz zeigten die unfassbar sympathisch auftretenden ORODRUIN danach der Posthalle, wo der Circle Of True Doom-Frosch seine Lockenwickler herstellen lässt. Unter anderem nämlich im Staate New York. Leider etwas schüchtern, aber mit mächtig spielerischem Dampf bratzte die Band insbesondere ihr jüngstes Meisterwerk unters Volk, wobei mich insbesondere das abschließende „Letter Of Life´s Regret“ total ergriff. Die Old School-Fraktion mag ein Tränchen verdrückt haben, dass es mit „Epicurean Mass“ nur ein Klassiker in die Setlist schaffte. Wer jedoch solche Knuddeltüten wie „Man Of Peace“ oder den Opener „Into The Light Of The Sun“ in der Hinterhand hat, den kratzt das schließlich wenig. Bei „Grave Illusion“ patzte die Band leider ein wenig in Sachen Timing und Zusammenspiel, aber wer mag Doomwatschler John Gallo deswegen schon böse sein? Genau! Mike Puleo hätte wie erwähnt etwas mehr aus sich herausgehen dürfen, seine Performance war jedoch absolut überzeugend, während Nick Tydelski putzig grinsend seine Harmonien mit Gallo zelebrierte. Wenn man absolute Amateure mit soviel Herzblut und Hingabe (sowie Klasse!) zocken sieht, geht einem das Doomorgan auf. Und so gab es schon früh ein echtes Festivalhighlight zu beklatschen! (PM) (Anm. AF: Für mich DIE Gewinner des ersten Tages. Die Platte wurde am Merchstand gleich für läppische 15 Euro verhaftet und komplettiert mit den beiden CDs nun die Sammlung. Die Rezension im Rock Hard war in der Tat ein Witz!)
Anschließend stand zu befürchten, dass ANTIMATTER ähnlich wie vor zwei Jahren als fader Zwischenhappen im Doom-Sandwich etwas untergehen würden. Pustekuchen! Dies lag nicht zuletzt daran, dass Mick Moss durch die extensiveren Touren der letzten Jahre als Frontmann sichtlich gereift ist und das Publikum mit nahezu aggressivem Habitus animierte. So ließ er sich die Butter nicht vonne Schnitte nehmen und bereitete überraschender Weise den Boden für einen kleinen Siegeszug, der einer absolut tighten Band, die Göttergaben wie „Stillborn Empires“, „Monochrome“, „The Third Arm“ oder „Leaving Eden“ (Hossa und oh la la und na sdarowje!) zum Besten geben kann, schließlich auch zusteht. Hatte das Publikum die Briten noch skeptisch begrüßt, so steigerten sich die Begeisterungsbekundungen von Song zu Song. Schlussendlich stand Mick Moss feist grinsend vor der mehr als bloß artig applaudierenden Meute und mag sich gedacht haben: „Habt Ihr´s endlich gerafft, Ihr alten Doomsäcke…“ Dolles Ding. (PM) (Anm. AF: Ja, das haben wir! Ich fühle mich hier einfach mal angesprochen, denn nach dem „Warning-Trauma“ vor ein paar Jahren hatte ich die Befürchtung, dass ANTIMATTER mit ihrer ruhigen Tonart genauso untergehen könnten. Aber weit gefehlt! Es war ein sehr intensives Konzerterlebnis und das wohl nicht nur für die ersten zwei Reihen, wie die stille Andacht und der abschließende tosende Applaus eindrucksvoll dokumentierten.)

Wie viele Bands streiten sich nicht darüber, welche Musiker die alten Klassiker am authentischsten herüberbringen oder überhaupt das Recht dazu haben, sie zu intonieren? Saxon, Sepultura, Onslaught etwa zerrte diese Frage mitunter gar vor den Kadi. Neben dem schnöden Mammon geht es für den Fan aber vor allem um die Frage: wie gut und authentisch klingt denn das Ganze? Ich weiß noch gut, wie der zugegeben streitbare Kory Clarke als Sänger Troubles beim HoD beinahe von der Bühne gemobbt wurde. Ergo steht man in Würzburg also wie ein Mann hinter Eric Wagner, und derart trägt schließlich auch der Kunde zum Entscheidungsprozess bei. Der Großteil des Publikums fand die Performance von THE SKULL absolut knorke, und vordergründig stimme ich zu. Alleine die Songauswahl war fantastisch: „Bastards Will Pay“, „Memory´s Garden“, „Plastic Green Head“, „The Tempter“, „At The End Of My Daze“, „Revelation“, „PsychoticReaction“, „Rain“, „R.I.P.“, „Assassin“ und natürlich „Psalm 9“ (nix von „The Skull“…), da gibt es wenig zu meckern. Eric „Grey Wolf“ Wagner war zudem erstaunlich nüchtern und gut bei Stimme, dürfte zudem an Mittel- und Zeigefingern vor lauter Peace-Zeichen wohl an Muskelkater leiden. Wo findet Dr Doom also das Haar in der Suppe? Nun, zum einen sah man Ron Holzner an, dass er sich nicht recht wohl fühlte, die Songs einer Legende mit drei Rookies aufzuführen. Und genau hier lag für mich auch die Krux: Lothar Keller und Rob Wrong (what didn´t go right?) zockten die die Songs kompetent, tight und ja, professionell, beraubten sie mit einem leicht angethrashten Gitarrensound jedoch einem Gutteil ihrer Seele. Basta! Franklin/Wartell (Hetfields frühe Vorbilder…) sind für mich mindestens genauso wichtig wie Wagners nasales Genöle für den Sound Troubles, und ohne ihre bei allem Zupacken wahnsinnig beseelt intonierten Riffs und Harmonien gibt es hier für mich weit weniger zu holen. (Anm. AF: Da hast du absolut Recht, Kollege! Gerade die Songs aus der hippiesken Phase der Band ließen den warmen Vibe eines der besten Gitarrentandems überhaupt vermissen. Spaß hat das Ganze natürlich trotzdem gemacht: „She`s gone to live in…Memory`s Garden!“ Einfach nur geil!!!) Wo andere also wie Schmidts Katze ihren Vordermann am Rücken kraulten, kratzte ich irritiert das Haupthaar…(PM)

Warum rennt Bruce Franklin wie eine Mischung aus redneckigem Hillbilly und von Schamanentum beseeltem Hippie durch sämtliche ihm zugängliche Karpaten? Nun, ich meine die Antwort nicht zuletzt in seinem Gitarrenspiel zu hören: der ULI JON ROTH hat mal wieder seine Spuren hinterlassen. Und was für ein Fest war das wieder? Bessere Songs als „In Trance“, „Sails Of Charon“ oder gar „We´ll Burn the Sky“ (mit dem kleinen Bruder „Don´t Tell the Wind“ von Zeno) durfte man von keiner anderen Band an diesem Wochenende erwarten, alles andere wäre unfair gewesen. Und wie immer wurden die Göttergaben auch noch ultrasympathisch und mit höchster Musikalität dargeboten. (Anm. AF: D`accord, aber ich musste mich ständig fragen, was das mit Doom zu tun hat…) Als spezielle Gimmicks bat man Rudy Lenners für „Pictured Life“ und „Catch Your Train“ hinter die Kessel. Dieser gab dabei eine deutliche bessere sowie voluminösere Figur ab als Jürgen Rosenthal, der für „Fly To The Rainbow“ von einer tapfer kämpfenden Band an der Hand durch den Song geführt werden musste. Ging gerade so gut. Ansonsten sprachen die „Uli, Uli“-Sprechchöre mal wieder Bände, allen Gitarristen vor der Bühne kippte die Kinnlade herunter, bei den dreistimmigen Harmonien und Leads („Sun In My Hand“ etc.) schaute ich allseits in glückliche Gesichter. Und am Ende dann der Beweis: die Rhythmusarbeit von „Dark Lady“ zeigte, wie es bei The Skull/Trouble hätte klingen müssen: luftig, inspiriert, wie bei Hendrixens Jimi abgeguckt eben. Ergo: „All Along The Watchtower“ und zum Schluss „Little Wing“. Und danach: „My name is Mohr, any questions?“ Nö, geil, Wegtreten! (PM)

Zum Antreten am Samstag bat Madame Gillham im Stile eines Feldwebels streng zur Audienz und röchelte sich durch den Set ihres THRONEHAMMERs. Der primitiv rödelnde Sound der Briten eignete sich offenbar bestens zum Entschlacken der müden Knochen, denn ein recht ansehnliches Grüppchen vor der Bühne fraß Gillham aus der Hand und reckte die eigenen Fäustlein artig gen Himmel. Sicher kein Leckerbissen für Gourmets, sondern eher was für Eingeweidewühler. Aber Blutwurst will schließlich auch gemampft werden. Die Bandhymne wurde von den Musikern etwas zu exzessiv ausgekostet, aber der Mob wollte schließlich lauthals den „Thronehammer“ durch die Halle schleudern. (Anm. AF: Mir war das Ganze anfangs ein wenig zu stumpf und der Bierdeckel große Aktionsradius der Sängerin samt ihrer Domina-Ausstrahlung brachte mich schon etwas zum Schmunzeln, aber besagte Bandhymne hat die Halle gleich zu Anfang so zum Kochen gebracht, dass man einfach beeindruckt sein musste.) Bassd scho. (PM)
Der mitgereiste Kollege Pips pries mir die Niedersachsen von IRON WALRUS als Doomversion Gorefests an, womit er durchaus Recht behielt. Besonders der Aufi mimt wie einst Herr de Koeijer den brünstigen Elch. Musikalisch konnte ich der primitiv-simplistischen Performance der mit feisten Masken aufwartenden Herrschaften zunächst nicht viel abgewinnen, was sich jedoch mit den beiden nach der zähen Version von „Breaking The Law“ dargebotenen Stücken, mit blutig-brutalen Stakkato-Riffs und reichlich Attitüde aufwartend, änderte. (Anm. AF: Da hatte ich wohl zu früh die Segel gen Metalmarkt gestrichen.) Unterm Strich sicher kein Highlight, aber am Ende dann doch unterhaltsam.
Auf TANITH hatte ich mich sehr gefreut, gehört ihr Debüt für mich doch zu den Highlights des Jahres. Ihr mit der Basslinie von „Cassini´s Deadly Plunge“ eingeläuteter, eigentlich guter Auftritt krankte jedoch an zweierlei Umständen: Zum einen litt die amerikanische Bandfraktion offensichtlich unter Jetlag, zum anderen bedingt die räumliche Distanz zu Gitarrist Russ Tippins, dass von einer eingespielten Band nicht die Rede sein kann. Gerade Brian May-Fan Charles Newton strahlte den Enthusiasmus einer gestrandeten Schildkröte aus, und auch Sängerin/Bassistin Cindy Maynard strotzte nicht gerade vor Charisma. (Anm. AF: Ich fand Cindys Ausstrahlung absolut bezaubernd und in Kombination mit ihrem filigranen Bassspiel sogar ziemlich umwerfend. Leider war ihr Gesang etwas zu leise abgemischt, aber insgesamt sind TANITH für mich gleich hinter dem Headliner DAS Highlight des zweiten Tages.) Jedoch glich Tippins dies mit seiner Erfahrung weitgehend aus, nahm immer wieder Blickkontakt zu den anderen Musikussen auf und stopfte so diverse Soundlöcher. An Songs wie „Wings Of The Owl“, „Book Of Changes“, „Dionysus“ oder „Mountain“ gibt es in der Schnittmenge zwischen 70ies Hardrock der Marke Wishbone Ash und Maiden-lastigem NWOBHM-Worshipping eh wenig auszusetzen. Die Ballade „Eleven Years“ begeisterte trotz einer Timingschwankung, der zweistimmige Gesang von Tippins und Maynard saß ebenso wunderbar wie (meist) die güldenen Harmonien auf den Sechssaitigen. Und schließlich machte „Citadel“ noch alle Fans der ersten 7inch-Stunde glücklich. Lief also eigentlich, aber etwas mehr Mut zur Pose darf es in Zukunft jenseits weißer Stiefelchen eben doch sein. Alles kann Tippins dann doch nicht auffangen. (PM)

 

Für mich war das meine erste Begegnung mit MESSA und der erste Eindruck war ziemlich ambivalent. Zunächst einmal finde ich elfenartige Sängerinnen in Doom Bands absolut faszinierend. Das ging mir schon bei Kari Rueslatten und The 3rd And The Mortal so. Es lag auch weniger an Saras zerbrechlich-introvertierter Ausstrahlung als am viel zu leisen Gesang, dass MESSA es zu keinem Zeitpunkt schafften, mich wirklich zu packen. Saras drei Mitmusiker machten ihre Sache zwar ziemlich gut, allen voran Alberto Piccolo, der ständig zwischen Keyboards und Leadgitarre wechselte, aber der Funke wollte einfach nicht überspringen. Ich kann mir vorstellen, dass die Italiener auf einer kleinen Bühne weit weniger verloren wirken und ihre Show in einem Club wesentlich intensiver rüberkommt als in der riesigen Posthalle. An jenem Abend hatten sie es zwischen den unbeschwert aufspielenden Tanith und den hart doomenden Mirror Of Deception aber leider verdammt schwer, das verwöhnte Würzburger Publikum auf ihre Seite zu bekommen. (AF)

Bei MIRROR OF DECEPTION dasselbe, etwas frustrierende Bild wie schon seit etwa zwanzig Jahren. Ähnlich wie Kollege Fähnrich können viele deutsche Doomster mit dem unorthodoxen Soundgebräu der Schwaben nix anfangen. (Anm. AF: Man hat mich gerufen?! Jo, ist leider so. Muss ich mir nochmal in `ner ruhigen Minute aus der Konserve reinziehen. Diesmal war ich ob des straffen Programms froh, eine Pause zur Nahrungsaufnahme einlegen zu können.) Dabei hat die Line up-Radikalkur im Rhythmusbereich durchaus Früchte getragen und der Band, angetrieben von Drummer Rainer Pflanz, hörbar einen Zugewinn an Punch und Tightness beschert. Und so feierte mal wieder eine kleine, illustre Schar vor der Bühne deutsches Doomkulturgut der Marke „Mirthless“, „Splinters“, „Vanished“ oder den unvermeidlichen „Studenten von Ulm“ verträumt ab, während sich ein größerer Teil anderen Dingen zuwendete. Auch hier muss man der Band ein wenig vorwerfen, dass die Kommunikation deutlich zu kurz kam und Siffi sich durchaus dem Mob hätte öffnen dürfen; außer ein paar schüchtern gehauchten Ansagen kam jedoch nüscht. (Anm. AF: Das zog sich allerdings mit wenigen Ausnahmen durchs gesamte Festival. Selten habe ich so wenig Kommunikation mit der Menge erlebt. It`s Doom, Baby!) Schade. (PM)
Was für dicke Eier der LORD VICAR hat, zeigte sich gleich beim ersten Song ‚Sulphur, Charcoal And Saltpetre‘. Der 17-minütige Opener des aktuellen Albums „The Black Powder“ ist nämlich nicht gerade das, was man gemeinhin als schwungvolle Easy-Listening-Hymne bezeichnen würde. Aber das Würzburger Publikum ist nicht nur fachkundig, sondern auch zäh wie Leder und ertrug, ja genoss, die Trostlosigkeit, die dieser kleine Zeitlupenmarathon vermittelte. Man konnte fast den Eindruck gewinnen, als erstarrte die Menge in Ehrfurcht vor den Doom-Ikonen Chritus (ex-Count Raven, ex-Saint Vitus) und Kimi Kärki (ex-Reverend Bizarre). „The Last Of The Templars“ nahm dann ein wenig Tempo auf. Chritus führte seinen typischen Veitstanz auf und Kimi strahlte wie ein Honigkuchenpferd, während er seine SloMo-Riffs und traurig-schönen Melodien ins viereckige Rund katapultierte. So konnte es weitergehen und das tat es auch, und zwar mit „Breaking The Circle“, „The Temple In The Bedrock“ und „World Encircled“. Das ist Männer-Doom vom Feinsten, der allerdings auch bei den anwesenden Damen sehr gut ankam. Am Schluss wurde mit „The Birth Of Wine“ noch Bacchus gehuldigt, bevor das Quartett abseits der Bühne genau jenes sicherlich mit dem ein oder anderen Glas Wein oder Bier in die Tat umsetzte. Alles frei nach dem Motto: Obey the Lord!
Nach dieser finnischen Demonstration der Stärke hätte einem um KHEMMIS Angst und Bange werden können, würde man nicht um die Livequalitäten der Amis wissen. Der Einstieg mit „Above Water“ von ihrem wohl besten Album „Hunted“ war gleich ein fulminantes Statement und so ging es weiter: „Candlelight“, „Bloodletting“, „Three Gates“, „Isolation“… Ein Kracher jagte den nächsten. Die beiden Gitarristen sorgten durch ihren Wechselgesang für viel Abwechslung, wobei Ben zumindest an diesem Abend besser bei Stimme zu sein schien als sein Gegenüber Phil (Anm. PM: Jüp, der Gesang des putzigen Kerlchens ist definitiv noch der Schwachpunkt bei Khemmis. Da kräuselte sich mir doch der eine oder andere Zehnagel…) In Sachen Stageacting und Bewegung konnte der kurzhaarige Bartträger dem Langhaarigen allerdings den Rang ablaufen, denn Phil war ständig in Bewegung und animierte das Publikum unentwegt. Dan und Zach hielten den Laden eher unauffällig zusammen, aber noch mehr Kinetik auf der Bühne wäre wohl auch des Guten zu viel gewesen. Schließlich befand man sich bei einem Doom-Festival und nicht in der Bay Area. Mit „Maw Of Time“ vom aktuellen Album „Desolation“ fand der Vierer den idealen Ausstieg und ließ zumindest in den vorderen Reihen ein ausgepowertes Publikum zurück.
Bisher galten SWALLOW THE SUN als Albumband, ihre Liveshows als wenig bis gar nicht charismatisch und statisch. Auch wenn die Performance der Finnen keine Sensation war, so zeigte sich jedoch, dass man deutlich an Profil gewonnen hat. Mit einem aktuellen Gourmetalbum im Rücken fiel der Einstieg mit dem formidablen „When A Shadow Is Forced Into The Light“ leicht, und auch „Upon The Water“ sowie „Stone Wings“ gehörten zu den Highlights des Sets. Während der scheinbar festgeschraubte Sänger Mikko Kotamäki sich darauf beschränkte, wahlweise gutturale Laute, Black Metal-artige Schreien oder gediegene Clean Vocals punktgenau in Szene zu setzen, animierten insbesondere Gitarrist Juho Räihä und Bassist Matti Honkonen die Crowd unaufhörlich, was angesichts des getragenen Doom Death mit ausladenden Dark Metal-Anleihen zunächst auch nötig schien. (Anm. AF: Bei mir als Katatonia-Fan rannten Swallow The Sun offene Türen ein. Was bleibt, ist die Frage, wie die Hälfte der Band es geschafft hat, ihre dämlichen Kapuzen während des gesamten Sets nicht einmal abzunehmen, ohne den Hitzetod in der völlig überheizten Halle zu sterben.). Gegen Ende übernahm Bandkopf Juha Raivio das Zepter, indem er plötzlich aufgeregt mit Sänger Kotamäki kommunizierte und anschließend aggressiv das fulminante old School-Abschlussdoppel „Eternal Nightshade „/ „Swallow“ (doll!) anstimmte, in dessen Verlauf die Matten noch einmal mächtig durch gewirbelt wurden. In ihren besten Momenten bewegen sich Swallow The Sun heutzutage tatsächlich auf Augenhöhe mit den eigentlich unantastbaren My Dying Bride, was offenbar auch Eventpublikum anzieht, das fünf Meter vor der Bühne unaufhörlich vor sich hin plappert, anstatt sich in den wunderbaren Epen der Finnen fallen zu lassen. Bugger off and get a life!
Der folgende Siegeszug deutete sich mit Processions Cover von „Night Sky“ bereits 2012 an. Und nun stand Felipe Plaza Kutzbach also mit SCALD auf der Bühne, um Agyl endgültig ein Denkmal zu setzen. Vor der Bühne wurde es nun richtig eng, aber selbst aus etwa 30 Metern Entfernung konnte man gleich erkennen, welches Charisma Kutzbach trotz einiger etwas ungelenker Ansagen inzwischen aufgebaut hat. Er füllte die Bühne mit seiner imposanten Statur sowie ausladenden Gesten aus und wurde dabei nicht müde, das Publikum zum Fistraisen und Mitsingen zu animieren. Bei Songmaterial der Marke „Night Sky“, „In The Open Sea“ oder „Sepulchral Bonfire“ ist aber sowieso steil gehen angesagt, zumal die Band (mit Ausnahme des manchmal etwas schwächelnden Drummers Ottar) sämtliche Register zog und insbesondere die Gitarren majestätisch crunchten, während BasserVelingor poste wie ein sibirischer Waldschrat auf der Suche nach Essbarem im Unterholz. (Anm. AF: Deine bildhafte Beschreibung fasst das Geschehen einfach perfekt zusammen, Bro!) Oli Weinsheimer feierte den Gig am Seitenrand der Bühne ab, Kutzbach wurde immer enthusiastischer, das Publikum ging steil wie Luzi. Und so konnte auch der neue Song „Where Ravens Fly“ (oder so ähnlich) trotz eines etwas abrupten Arrangements auf ganzer Linie abräumen. Epic Pagan Metal at its best! (PM)

Nach diesem Par-Force-Ritt stellte man sich unweigerlich die Frage, ob ATLANTEAN KODEX hier noch einen draufsatteln würden. Wie würde das neue Material live funktionieren und wie würde sich der Neuzugang an der Leadgitarre präsentieren? Es dauerte ziemlich genau zwei Minuten, bis der KODEX all diese Fragen eindeutig beantwortet und all die Zweifler in ihre Schranken gewiesen hatte, genau die zwei Minuten Spieldauer des „Course Of Empire“-Openers „The Alpha And The Occident“ Wenn die gesamte Halle nicht nur die Texte, sondern auch die Melodien von Anfang bis Ende mitsingt, offenbart dies einen so engen Bund zwischen den Menschen auf und vor der Bühne, dass die kleineren Schwächen, die sich Sänger Markus Becker und Neugitarristin Coralie Beier im Laufe des Sets fraglos leisteten, völlig in den Hintergrund treten. Für Letztgenannte war dies meines Wissens die erste volle Show mit ATLANTEAN KODEX, nachdem Markus „Ulle“ Ullrich (u.a. Lanfear, Them, Septagon) bei den letzten beiden Auftritten ausgeholfen hatte. Dafür machte sie ihre Sache wirklich anständig und war selbst spürbar gerührt darüber, wie gut sie von den KODEX-Anhängern aufgenommen wurde. Der „Bäckä“ hingegen konnte bequem den ein oder anderen hohen Ton auslassen und den 1500 Kehlen in der Halle überlassen. Sichtlich angetan von der formidablen Stimmung trat der mittlerweile erfahrene Frontmann äußerst souverän und gleichsam sympathisch auf. Die Ansagen auf Englisch könnte er sich in seiner Heimat allerdings getrost schenken. Kollege Trummer schüttelte sich – stoisch wie immer – die erhabensten Riffs aus dem Ärmel und die Rhythmussektion agierte gewohnt tight. Die Stars sind beim KODEX jedoch wie gewohnt die Songs und die brüllen („Lion Of Chaldaea“) oder rollen wahlweise alles nieder wie Streitwagen („Chariots“). Aber auch abseits solcherlei Wortspiele rulen „Pilgrim“, „Atlantean Kodex Parts 1&2“ und „Sol Invictus“ einfach und bei „Twelve Stars And An Azure Gown“ kommen mir immer die Tränen. Ich kann nix dafür, ist einfach so und ich steh` dazu. Und so lag man sich weinend in den Armen, sang aus voller Kehle mit und schwebte über eine Stunde auf Wolke 7. Wo erlebt man sonst solche Hochgefühle? Mein Kumpel neben mir meinte ganz trocken, er habe gerade mehr Höhepunkte als beim Sex. Kann es ein schöneres Kompliment für eine Band geben? Der Titelsong des neuen Albums machte dann ein Schleifchen drum oder nennen wir es die Zigarette danach, um im Bild zu bleiben. Das übliche Genörgel nach dem Auftritt (Verspieler hier, falscher Ton da, kein optimaler Sound, blablabla…) überhöre ich mittlerweile geflissentlich. Relevant ist für mich in erster Linie, ob mich der Auftritt berührt hat und das hatte er verdammt nochmal, all hail the KODEX!

Ein Fazit nach zwei Tagen HAMMER OF DOOM: Insgesamt haben anderthalb tausend Doomheads ein rauschendes Wochenende in Zeitlupe verbringen dürfen. Das bockstarke Billing hat mehr Leute als zuletzt in die Posthalle gelockt. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses „House Of Doom“ uns noch lange erhalten bleibt. Denn obschon sie nicht gerade ein architektonischer Hingucker ist, bietet uns die Posthalle an jenen kalten Novemberwochenenden stets eine heimelige Atmosphäre. Dies hängt natürlich in erster Linie mit den Menschen zusammen, die dieses Festival mit Leben füllen, angefangen beim herzlichen Empfang an der Bändchenvergabe, über die mega sympathische Merchcrew, bis hin zu den völlig gechillten Ordnern, die stets einen unkomplizierten Zugang zum Fotograben gewährleisten. (AF)

Im nächsten Jahr werden die großartigen FVNERAL FVKK und OPHIS einem, diese Bemerkung sei mir doch noch erlaubt, hoffentlich kleinerem Publikum einheizen (Anm. AF: Du wirst doch nicht selbst zu einem menschenscheuen Waldschrat mutieren, lieber Patrick?! Anm. PM: War ich schon immer!!). Auf ein Neues! (PM)

Alex Fähnrich / Patrick Müller

Fotografie: Alex Fähnrich